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Thomas Weidemann blickte zurück auf die Namensgebung der Albert-Schweitzer-Schule„Begeisterungsfähige Inhalt anstelle leerer Namen“

ALSFELD (ol). Mit einem Vortrag zur Geschichte ihrer Namensgebung hat die Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld das Albert-Schweitzer-Jahr abgeschlossen. Im Rahmen zahlreicher Veranstaltungen kamen insgesamt 14.000 Euro für Schweitzer-Krankenhäuser zusammen. Die Spenden teilen sich Einrichtungen in Lambarene und Deutschland. Der Abend bot zugleich einen historischen Rückblick auf einen langen und kontroversen Entscheidungsprozess.

Ihren Namen trägt die Albert-Schweitzer-Schule in dem Bewusstsein, dass ihr Namensgeber ein großer Humanist war. Der Arzt, Theologe und Philosoph war bekannt für seine Ehrfurcht vor dem Leben, die er unter anderem mit der Errichtung des Krankenhauses in Lambarene auch praktisch ausübte. Mit dem 150. Geburtstag und dem 60. Todestag Albert Schweitzers wurde in diesem Jahr das Albert-Schweitzer-Jahr an dem Alsfelder Gymnasium gefeiert: 14000 Euro konnten im Rahmen der verschiedensten Veranstaltungen – Sport, Konzert und Vorträge – generiert werden, wie Schulleiter Christian Bolduan anlässlich der letzten Veranstaltung der Jubiläumsreihe stolz verkündete. Den Betrag teilen sich die beiden Schweitzer-Krankenhäuser in Lambarene und Deutschland. Bolduan dankte an dieser Stelle ausdrücklich dem Förderverein der Schule, der diese Aktion unterstützt hat, so heißt es in der Pressemitteilung der ASS.

Mit einem launigen Vortrag darüber, wie das einstige Realgymnasium zu seinem Namen kam, hatte der stellvertretende Schulleiter Thomas Weidemann viele Interessierte in der Aula der Schule in die Schillerstraße gelockt, darunter aktuelle und ehemalige Schülerinnen und Schüler sowie den ehemaligen Schulleiter Konrad Rüssel. Als Geschichtslehrer sei es ihm ein Vergnügen gewesen, sich mit der Namensgebung zu befassen. Dazu habe er im Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt, im Stadtarchiv in Alsfeld, wo die Oberhessischen Zeitung aufbewahrt wird, sowie in der Korrespondenz zwischen Schweitzer und der Schule geforscht. Die Briefe Albert Schweitzers aus Lambarene liegen im Tresor der Schule, die anderen hat Christian Bolduan als Kopie aus dem Albert-Schweitzer-Zentralarchiv im französischen Gunsbach mitgebracht, erläuterte Weidemann.
„Fast wäre es eine Rudolf-Block-Schule geworden.“ Mit diesen Worten eröffnete Weidemann einen kleinen Namensreigen, denn Vorschläge aus der Politik und der Schule gab es einige. Auslöser für die Namensgebung war ein Erlass des zuständigen Ministeriums: Im August 1955 informierte der damalige Landrat Dr. Kurt Mildner die Schule darüber, dass alle Gymnasien einen spezifischen Namen tragen sollten: Die Suche nach einem Namenspatron war also eröffnet. Schnell gehen sollte es außerdem – die gesetzte Frist von drei Monaten erwies sich im Verlauf jedoch als nicht haltbar. Auch die zunächst nicht einbezogene Elternschaft meldete sich bald zu Wort.

Zunächst jedoch schlug die Lehrerkonferenz unter dem damaligen Schulleiter Dr. Hans Wolf einstimmig den Namen Rudolf Block vor. Er war ein in Alsfeld geborener ehemaliger hessischer Staatsrat, der sich besondere Verdienste im Bildungswesen erworben hatte. Allerdings kannten seinen Namen außerhalb des Schulbetriebs nur wenige, und nachdem der Schulleiter sich schon vor dem endgültigen Beschluss durch den Schulträger, den Landkreis also, und der Zustimmung des Ministeriums mit dem neuen Schulnamen an die Presse begeben hatte, hagelte es Kritik. Der Schulelternbeirat unter seinem damaligen Vorsitzenden Dr. Otto Freundlieb plädierte für einen bekannteren Namen: Friedrich Schiller kam ins Gespräch, da die Schule ohnehin in der Schillerstraße angesiedelt war und noch dazu das Jahr 1955 ein Schillerjahr war. Weitere Namen waren der Schriftsteller Georg Büchner, der Reformator Tilemann Schnabel, der Alsfelder Lokalhistoriker Heinrich Soltau sowie der in Alsfeld geborene Pädagoge Professor Wilhelm Curtmann. Auch der hessische Heimatdichter Wilhelm Schäfer schaffte es auf die Liste. Obwohl man sich in allen Gremien inzwischen einig war, der Schule „den Namen eines allgemein anerkannten und verehrten großen Deutschen“ zu geben, kam man in den Beratungen und Abstimmungen nicht weiter. Der öffentliche Druck wuchs; hinzu kam, dass weitere Alsfelder sich an der Diskussion beteiligten: So sprach sich der ehemalige Alsfelder Bürgermeister Dr. Karl Völsing für den Namen Rudolf-Block-Schule aus. Die Unstimmigkeiten zur Namensfindung bestanden in erster Linie zwischen der Politik und der Elternschaft, Lösungsansätze schienen nicht in Sicht, bis sich im Oktober 1955 eine Alsfelder Bürgerin, Mutter einer Schülerin des Realgymnasiums, mit einem Leserbrief zu Wort meldete: Mit leidenschaftlichen Worten warb Wally Krause dafür, die Schule nach dem berühmten Arzt, Theologen und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer zu benennen – einer Persönlichkeit von unbestreitbar internationalem Rang und ethischer Ausstrahlung. „Wir brauchen begeisterungsfähige Inhalte für unsere Jugend und nicht leere Namen“, hieß es da. Ihr Leserbrief gipfelte in dem flammenden Appell: „Gebt eurer Schule den Namen Albert-Schweitzer-Schule!“. Unter dem Namen des Friedensnobelpreisträgers von 1952 konnten sich immer mehr Menschen versammeln, dennoch entschied sich das entscheidende Gremium – der Kreisausschuss – zunächst einstimmig für die „Friedrich-Schiller-Schule“. Die Empfehlung des damals noch aktiven Kreisschulvorstandes blieb jedoch Albert Schweitzer – eine Option, der sich letztlich auch der Kreistag bei dem die Entscheidungskompetenz lag, anschloss und dem Hessischen Minister für Erziehung und Volksbildung vorschlug. Als alles schon in trockenen Tüchern schien, warf der Alsfelder Historiker Dr. Herbert Jäkel einen weiteren Namen in den Ring: Er plädierte für den Rechtsphilosophen Rudolf Stammler als großen Sohn der Stadt. Landrat Dr. Mildner zeigte zwar Verständnis für Jäkels Anregung, erklärte die Diskussion um den Schulnamen aber für beendet. Und so wurde Im Erlass des Hessischen Kultusministers vom 15. Mai 1956 die Namensgebung offiziell festgelegt: Ab dem 1.Juni 1956 hieß das Alsfelder Gymnasium „Albert-Schweitzer-Schule Alsfeld“.

Zwischenzeitlich war die Schulleiterstelle neu besetzt worden – vielleicht, so mutmaßte Weidemann, sei es deshalb versäumt worden, den potentiellen Namensgeber frühzeitig zu kontaktieren. Dr. Max Schulz, der neue Direktor, schrieb demnach erst im November 1956 einen Brief nach Lambarene und teilte Albert Schweitzer mit, dass die Alsfelder Schule nach ihm benannt war. Ein herzlicher und wertschätzender kurzer Briefwechsel war die Folge: Albert Schweitzer freute sich – und das handschriftlich – dass die Schule seinen Namen trägt. Thomas Weidemann abschließend: „Aus heutiger Sicht kann man diese Entscheidung nur begrüßen: Sie gab der Schule nicht nur einen prägnanten Namen, sondern auch ein Programm im besten Sinne – nämlich den Geist Albert Schweitzers als Vorbild.“

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