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Vortragsreihe zum Schweitzer-JubiläumsjahrVom Urwaldkrankenhaus zum Renommierobjekt mit Zukunftsproblemen

ALSFELD (ol). Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltungen zu Albert Schweitzers 150. Geburtstag und 60. Todestag hat die Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld den Vorsitzenden des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene, Dr. Roland Wolf, zu einem Vortrag begrüßt. Wolf spannte einen historischen Bogen von den Anfängen des Spitals 1913 über den Ausbau der Anlage und das Wirken Schweitzers bis hin zu den Herausforderungen der Gegenwart. Die Schule überreichte zudem einen Spendenscheck über mehr als 1300 Euro für das Spital und die Bildungsarbeit des Schweitzer-Zentrums.

Mit einer Veranstaltungsreihe zu Ehren ihres Namensgebers begeht in diesem Jahr die Albert-Schweitzer-Schule die Jahrestage anlässlich des 150. Geburtstages und 60. Todestages des Arztes, Theologen und Musikers. Vor kurzem legte Dr. Roland Wolf, Vorsitzender des Deutschen Hilfsvereins für das Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene e.V., den Schwerpunkt seines Vortrages auf das Wirken Albert Schweitzers als Begründer des Krankenhauses in Lambarene, auf die Entwicklung des Spitals und die Perspektiven in der Gegenwart, so heißt es in der Pressemitteilung der ASS.

Schulleiter Christian Bolduan freute sich sichtlich, mit dem Studiendirektor i. R. einen versierten Afrika-Kenner in der Aula der Schule in der Schillerstraße zu begrüßen, einen der mehrfach im Jahr nach Gabun reist, um sich vor Ort ein Bild zu machen und mit den Menschen in und um das Spital ins Gespräch zu kommen. Für die Schule sei es wichtig, die vielen Facetten Albert Schweitzers in die Wahrnehmung ihrer Schülerinnen und Schüler zu rücken, so Bolduan, der neben einigen Gästen aus der Schülerschaft auch viele Lehrkräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie andere Interessierte im Publikum willkommen hieß. Einen großen Scheck gab es vorab: Die Schule hatte mit den vorhergehenden Veranstaltungen (einen Vortrag und ein Konzert) mehr als 1300 Euro eingenommen, die nun dem Spital in Gabun und der Bildungsarbeit der „Stiftung Deutsches-Albert-Schweitzer-Zentrum“ zugutekommen.

In seinem Vortrag ging der Experte zunächst auf die Gründung des Spitals ein: 1913 reiste der Arzt mit seiner Frau Helene im Auftrag der evangelischen Missionsgesellschaft nach Gabun – nicht als Missionar, wie Wolf betonte, denn dafür hatte ihn die Missionsgesellschaft nicht zugelassen. Er gründete dort ein kleines Krankenhaus, wobei er sich von Anfang an auch als Baumeister betätigen musste, da zunächst keine Gebäude außer einem Wohnhaus vorhanden waren und später immer neue dazukamen – später auch auf eigenem Grund und Boden. Bis zum Ende seines Wirkens hatte Albert Schweitzer 85 Gebäude errichtet, so Wolf, und zwar auf die traditionelle Bauweise und nicht selten gemeinsam mit geheilten Patienten. Mit vielen Bildern aus allen Epochen des Wirkens Albert Schweitzers unterstützte Wolf seinen Vortrag: Weggefährten wurden gewürdigt, Aufgaben im Krankenhaus und auf den Baustellen skizziert, auch einen Exkurs in die Zeit nach dem 1. Weltkrieg, als das Ehepaar Schweitzer als Kriegsgefangene nach Europa zurückkehren musste, hatte Wolf dabei. Somit spannte er inhaltlich einen weiten Bogen.

Foto: Traudi Schlitt

1924 reiste Schweitzer – dieses Mal ohne seine Frau und die 1919 geborene Tochter Rhena – zurück nach Gabun. Nicht nur war es ihm gelungen, mit Hilfe seines ersten Buches und verschiedener Konzerte und Vorträge Schulden bei der Mission zu tilgen, sondern er konnte auch die vorhandenen Gebäude sanieren und neue errichten – die er im Übrigen dem Klima und dem Sonnenstand anpasste. Auch hier setzte der vielseitig begabte Gelehrte Akzente. Bald erschuf er auf eigenem Grund und Boden sein „Schweitzer-Universum“, wie Wolf es nannte: Der Platz auf dem Gelände der Mission reichte nicht mehr aus, und die Kolonialverwaltung überließ ihm achtzig Hektar Land. Der Umzug in das neue Krankenhaus mit Einrichtungen und Gebäuden, u.a. einem Operationssaal, erfolgte im Januar 1927. Schweitzer wirkte dort bis zu seinem Tod im Jahre 1965. Da jeder Patient einen Begleiter mitbringen musste, entstand ein richtiges Spitaldorf. Inzwischen kamen Pflegerinnen und Ärzte aus Europa in das damals schon sehr renommierte Krankenhaus, und so konnte Schweitzer sich nun verstärkt anderen Aufgaben widmen: Er schrieb, beschaffte mit Vorträgen und Reisen Geld und entwickelte sein Spital immer weiter. Schweitzer hielt auch Andachten, die für die Einheimischen übersetzt wurden. Neben verschiedenen Anekdoten aus dem Leben und Wirken Albert Schweitzers ging Roland Wolf auch auf dessen legendäre Tierliebe ein: Bilder von Katzen und Äffchen in der Nähe des Arztes gibt es viele, Pelikane auf seinem Gelände am Fluss hatten Namen – auch diese Facette Albert Schweitzers reihte sich ein in ein gesamtes Bild, das der Redner von ihm zeichnete.

Nach Schweitzers Tod ging der Betrieb in dem seit 1927 stetig erweiterten Spital zunächst weiter. Doch die Einrichtungen waren immer weniger zeitgemäß, sodass ab 1975 mit dem Bau eines neuen Krankenhauses auf einem von Schweitzers Tochter Rhena erworbenen Nachbargrundstück begonnen wurde. Am 14. Januar 1979 wurden die ersten Gebäude eingeweiht und zwei Jahre später das neue Spital in Betrieb genommen. Das ehemalige Spital von 1927 wurde in den Jahren 2001-2006 renoviert und beinhaltet auf seinem Gelände heute auch eine Gedenkstätte und das Grab Albert-Schweitzers.

Dr. Roland Wolf richtete seinen Blick auch auf die Gegenwart des Spitals, das nun zwar immer noch ein privates Krankenhaus ist, sich aber in das inzwischen entstandene Gesundheitssystem in Gabun einfügt. Noch immer können viele Menschen in dem afrikanischen Land sich eine Behandlung nicht leisten, noch immer ist das Albert-Schweitzer-Spital gerade für diese Menschen eine wichtige Anlaufstelle. Trägerin des Albert-Schweitzer-Spitals ist heute eine Stiftung, die neben den Eigeneinnahmen aus dem Spitalbetrieb vom Staat Gabun und nationalen Hilfsvereinen finanziert wird. Als besonderes Projekt stellte Wolf den mobilen Mutter-Kind-Dienst vor, zu dem auch Impfungen von Kindern und Informationen über Gesundheit und Ernährung gehören und für den Mitarbeiter des Krankenhauses in umliegende Siedlungen fahren. Das Spital in Lambarene sei ein „Spital für alle“, erklärte Wolf. Obwohl es nach wie ein renommiertes Krankenhaus sei, das viele Mediziner aus aller Welt anlocke, sei die Finanzierung zunehmend schwierig, da Frankreich und die Schweiz sich als Kooperationspartner zurückgezogen hätten. Auch der Staat Gabun sei mit seinen Zahlungen nicht zuverlässig. Der Hilfsverein selbst spendet jährlich bis zu 200.000 Euro nach Lambarene, u.a. werden hiervon medizinische Fachkräfte bezahlt. Umso wichtiger ist es für den Vereinsvorsitzenden und seine Mitstreiter im Hilfsverein, dieses bedeutende Werk immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und mit der Ethik seines Gründers Albert Schweitzer zu verknüpfen.

Als letzte Veranstaltung im Jubiläumsjahr bietet die Albert-Schweitzer-Schule am Montag, den 15. Dezember, um 19.30 einen Vortrag des stellvertretenden Schulleiters Thomas Weidemann zur Geschichte der Namensgebung der Schule an.

Foto: Traudi Schlitt

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