Krimi-Gottesdienst in Angersbach thematisiert häusliche GewaltWenn der Gottesdienst zum Tatort wird
ANGERSBACH (ol). Mit dem Kriminalfall „Wenn das Schweigen bricht – Az.: Mt 25/40“ verwandelte sich die Kirche in Angersbach Anfang November in einen Tatort. Unter der Regie von Tina Koller spielten Gemeindemitglieder ein Stück über häusliche Gewalt und das gefährliche Schweigen in der Gesellschaft. Pfarrerin Kerstin und Pfarrer Michael Gütgemann verbanden Theater, Predigt und Seelsorge zu einem eindrucksvollen Appell, nicht wegzusehen. Elvira Idt vom Polizeipräsidium informierte im Anschluss über Hilfsangebote.
Einen ungewöhnlichen Gottesdienst erlebten die Besucherinnen und Besucher Anfang November in der Kirche Angersbach: Statt Predigt und Lesung stand der Kriminalfall „Wenn das Schweigen bricht – Az.: Mt 25/40“ im Mittelpunkt. Doch hinter dem fiktiven Verbrechen verbarg sich ein bedrückend reales Thema: häusliche Gewalt, das berichtet das Evangelische Dekanat Vogelsberg in einer Pressemitteilung.
Das Stück, das von Mitgliedern der Kirchengemeinde unter der Regie von Tina Koller aufgeführt wurde, begann scheinbar harmlos: Ein engagierter Kommunalpolitiker wird geehrt, kurz darauf findet man ihn tot bei den Windrädern von Steinborn. Die Spur führt mitten hinein in eine Dorfgemeinschaft, in der jeder etwas gesehen oder gehört hat, aber niemand eingreifen wollte. Schließlich wird deutlich: Hinter der Fassade der „heilen Familie“ verbarg sich jahrelange Gewalt.
Die Geschichte endete nicht mit einem klassischen Täter-Opfer-Schema, sondern mit einem Blick auf das, was bleibt: Schuld, Schweigen, Scham. Und der Frage, wie man hinschauen und helfen kann. Das Pfarrer-Team Michael und Kerstin Gütgemann und das Ensemble verbanden Theater, Predigt und Seelsorge zu einem eindrücklichen Appell: Wegsehen schützt niemanden.

Foto: Susann Franke/Evangelisches Dekanat Vogelsberg
Nach dem szenischen Teil informierte Elvira Idt, die ehemalige Vertreterin des Polizeipräsidiums und der Fachstelle gegen häusliche Gewalt, über Zahlen und Hilfsangebote im Vogelsbergkreis. Im anschließenden Gebet und Segen wurde der Bogen zurück ins Vertrauen und in die Gemeinschaft geschlagen, ganz im Sinne des Aktenzeichens MT 25/40, das auf die Bibelstelle im Matthäus-Evangelium verweist: ‚Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.‘ Im Anschluss hatten die Gäste beim kleinen Umtrunk Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen und sich auszutauschen.
Die Kollekte des Abends kam dem Verein Hilfe für das verlassene Kind e. V. zugute, Träger des sich derzeit noch im Aufbau befindenden Frauenhauses im Vogelsberg-kreis. Hier soll ein sicherer Ort entstehen, an dem Frauen und Kinder Schutz und neuen Mut finden können.

Foto: Susann Franke/Evangelisches Dekanat Vogelsberg
Mit diesem Krimi-Gottesdienst gelang der Kirchengemeinde ein ungewöhnlicher, mutiger Zugang zu einem Thema, das oft verschwiegen wird. Die Reaktionen aus dem Publikum waren nachdenklich, bewegt und dankbar dafür, dass Kirche hinschaut, wo andere lieber schweigen.


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