
Die zurückgetretene Vorsitzende des DSV im Evangelischen Dekanat Vogelsberg Sylvia Bräuning im PortraitGetragen von tiefem Glauben
ALSFELD (ol). Nach elf prägenden Jahren hat Sylvia Bräuning, Vorsitzende des Dekanatssynodalvorstands (DSV) im Evangelischen Dekanat Vogelsberg, ihr Amt niedergelegt. Die ehrenamtliche Präses, die ihren Lebensmittelpunkt nach Limburg verlegt, stand für eine offene, demokratische und glaubensstarke Leitungskultur. Ihr Wirken war stets geprägt von Gerechtigkeitssinn, Beharrlichkeit und tiefem Glauben – Eigenschaften, die sie und das Dekanat nachhaltig verbunden haben.
Der DSV ist der Dekanatssynodalvorstand, also das Leitungsgremium eines Dekanats. Besetzt ist es paritätisch mit Haupt- und Ehrenamtlichen, wobei eine ehrenamtliche Person die oder der Vorsitzende ist. In etwa vergleichbar ist diese Position mit der des Landrats auf kommunaler Ebene. Nicht unwichtig also, und daher ist es auch von Interesse, wenn eine solche Leitungsperson geht.
Wie zu lesen war, hat die Dekanatssynode des Evangelischen Dekanats Vogelsberg auf ihrer letzten Versammlung ihre bisherige Vorsitzende, auch Präses genannt, verabschiedet. Sylvia Bräuning nahm nach elf Jahren im Amt den Hut, da sie ihren Lebensmittelpunkt nach Limburg verlegt, heißt es in der Pressemitteilung des Evangelischen Dekanats Vogelsberg. Sie ging mit einem lachenden und einem – weil man nicht mehr hat – weinenden Auge, denn: Sie war gerne Präses, und das hat man in jedem Moment ihres Wirkens gemerkt.
Als sie im Jahr 2014 auf der Synode in Groß-Felda für das Amt im damaligen Dekanat Alsfeld kandidierte, war dieses schon eine ganze Zeit lang vakant. Ihr Vorgänger Horst Schopbach hatte große Spuren hinterlassen, die zunächst der Dekan Dr. Jürgen Sauer gemeinsam mit der stellvertretenden Präses Winfriede Fuhrmann auszufüllen versuchte. Doch die Doppelbelastung wurde schwerer und schwerer. Ohne jede Funktion in der Dekanatsleitung – Sylvia Bräuning war zu diesem Zeitpunkt lediglich Kirchenvorstandsmitglied und Synodale ihrer Gemeinde in Nieder-Ofleiden – entschloss sie sich, das Dekanat und die Arbeit des Synodalvorstands zu stärken: Sie kandidierte für das höchste Amt im Dekanat. „Ich habe schon sehr, sehr früh in unserer Gemeinde mitgearbeitet, Kindergottesdienste geleitet, im Kirchenvorstand gewirkt. Gerade in der letzten Position habe ich gemerkt, wie belastend Vakanzen für eine Einrichtung sind.
Andererseits hatte ich dort schon einiges gelernt über kirchliche Verwaltung. Also dachte ich: Frag einmal, ob du etwas tun kannst“, erinnert sich die 61-Jährige an ihre Anfangszeit.
Und die hatte es in sich, denn die kirchliche Verwaltung ist auf Leitungsebene kein Pappenstiel. Sich ehrenamtlich damit zu befassen, zeugt von einer großen und ehrlichen Bereitschaft, seiner Kirche etwas zu geben. Obwohl die gelernte Bankkauffrau keine Vorstellung davon hatte, was sie erwarten würde, warf sie ihren Hut in den Ring. Sie erinnert sich, dass ihr damals auch viel Skepsis entgegengebracht wurde. „Würde sie sich in die Verwaltung, die Finanzen und die Personalführung einarbeiten können? Würde sie die Sitzungen – sowohl im DSV als auch in der Synode – mit der nötigen Autorität und Verbindlichkeit leiten können?“ Das waren die Zweifel, die aus der Synode kamen. „Ich bin in den Dienst hineingewachsen“, sagt sie rückblickend und dankt sowohl dem damaligen Dekan Sauer als auch den beiden Verwaltungskräften Lisa Beyenbach und Traudl Richtberg für deren Geduld bei der Einarbeitung. Ihre Beharrlichkeit, Dinge zu verstehen und Zusammenhänge auch Außenstehenden begreiflich zu machen, ist legendär und wurde gerade auch zum Abschied viel gelobt. „Wenn ich es verstanden habe, dann haben es die anderen auch verstanden“; lautete ihr Credo, „und dann können auch alle guten Gewissens darüber abstimmen.“
Und so lernte sie die Mitarbeitenden kennen – für manche von ihnen war sie die Dienstvorgesetzte -., arbeitete sich in Sachverhalte ein und leitete fortan mit ihrer eigenen schwungvollen und witzigen Art die kleinen Sitzungen und die großen Synoden. Darauf hatte sie sich schon gefreut, denn genau das liebte sie an der KV-Arbeit. Bald sprach sich herum, dass die Kultur im Dekanat offener wurde, sehr demokratisch. Es wurde mehr diskutiert; lange Sitzungstage machten der Präses nichts aus. „Ich verfüge über einen großen Gerechtigkeitssinn und kann nicht über Themen hinweggehen, die noch nicht von allen verstanden und für sie gut zu entscheiden sind“; formuliert Bräuning einen Aspekt ihrer Arbeit.

Foto: Michaela Rojahn
Arbeitsmäßig ging es für sie – nach der langen Vakanz und weil sie viel dazulernen musste – direkt von Null auf über Hundert: „Und so ist es auch geblieben“, sagt sie und ist jetzt ganz froh, dass sie mehrere Gänge zurückschalten kann. Die Meinung der Ehrenamtlichen, also der Kirchenbasis, gerade bei weitreichenden Entscheidungen, war ihr stets wichtig. Und davon gab es viele in den vergangenen elf Jahren: Schon zum Zeitpunkt ihrer Wahl befand sich die Synode in einem – ungewollten – Fusionsprozess mit dem benachbarten Dekanat Vogelsberg. Eine Wahl, die Fusion zu vollziehen oder abzulehnen, gab es eher nicht, und so lag der Fokus auf der Durchführung: Die Fusion, die Namensfindung, der gemeinsame Dienstort – es gab vieles, was zu regeln war, und für Sylvia Bräuning war es stets wichtig, dass alle am Ende damit, wenn auch nicht begeistert, so doch zufrieden sein konnten. Nach der Fusion stellte sich Sylvia Bräuning erneut zur Wahl und wurde Präses des flächengrößten Dekanats der EKHN.
Kaum waren die beiden Dekanate fusioniert und auf dem Weg des Zusammenwachsens, startete die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ihren Zukunftsprozess „ekhn2030“, der bis heute andauert. Die Bildung von Nachbarschaftsräumen und Verkündigungsteams, die Fusion von Kirchengemeinden, die Neuorientierung der Verwaltung – auch hier gab und gibt es einiges für den DSV und die Synode jenseits des Tagesgeschäftes. Doch auch das musste bewältigt werden.
In ihrer Amtszeit war der Mittwoch stets der „Präses-Tag“. Dann fanden die wichtigen internen Besprechungen statt, dann sichtete sie die Mails, unterschrieb Anträge, war ansprechbar für die Mitarbeitenden. Auch außerhalb dieses Tages hat sie viel Zeit für und mit der Kirche verbracht: Gremienarbeit, KV-Besuche, Vertretung des Dekanats in besonderen Gottesdiensten und bei den verschiedensten Veranstaltungen. „Viele Sitzungen finden in Frankfurt oder Darmstadt statt, dann die DSV-Sitzungen und andere Termine: Ich hatte oft sehr lange Abende und war ja auch noch fast die ganze Zeit berufstätig.“ Darüber hinaus ist Sylvia Bräuning auch Lektorin geworden und hat viele Gottesdienste im Dekanat selbst gehalten. „Das hat mir stets große Freude gemacht“, sagt sie zum Abschied. Auch die vielen großen öffentlichen Angebote des Dekanats – Tag der Offenen Tür oder Jahresempfang – hat sie mit Begeisterung begleitet. Als große Herausforderung bezeichnet sie auch alle Veränderungen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, doch auch hier ist sie im Nachhinein dankbar und zufrieden:
„Wir haben gemeinsam alles gut bewältigt“, stellt sie fest und ist daher zuversichtlich, dass die Menschen in ihrem Dekanat dies auch weiterhin schaffen. Nun allerdings ohne sie.

Foto: Michaela Rojahn
„Ich musste kürzertreten und Entscheidungen für die Zukunft treffen“; begründet sie ihren Schritt. Im Ruhestand wird sie mit ihrer Schwester in Limburg wohnen und sich dort ein neues Umfeld suchen. Was sie prägt und trägt, ist ihr tiefer Glaube: „Mein Glaube hat mir mein Leben lang Halt gegeben.“ Dessen ist sie sich auch weiterhin gewiss. Jetzt will sie erst einmal ankommen in ihrem neuen Leben, in der neuen Wohnung, in der neuen Gemeinde. Das Dekanat Vogelsberg wird sie vermissen und umgekehrt dürfte das auch der Fall sein. Getragen und aufgehoben jedoch fühlt sich Sylvia Bräuning überall.
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