„JazzSalon“: Fern ab von Etiketten zu starken, eigenen Stücken„Get groovy, Alsfeld!“
ALSFELD (ol). Am Samstag, den 20. September, um 18 Uhr tritt das Ensemble „JazzSalon“ erstmals in Alsfeld auf – im Rahmen der Alsfelder Kulturtage in der Aula der Stadtschule. Das Trio, bestehend aus Ev Machui, Andreas Müller und Michael Will, präsentiert eine Mischung aus eigenen jazzigen Chansons, Liedern von Hildegard Knef, französischen Chansons und Jazzstandards. Zwei der drei Musiker haben persönliche Wurzeln im Vogelsberg, wodurch das Konzert auch eine Rückkehr zu alten Erinnerungen wird. Karten sind für 10 Euro im Buchladen Lesenswert erhältlich.
„Frau Chason trifft die Herren Jazz“ – so könnte man das musikalische Ereignis beschreiben, das am 20. September im Rahmen der Alsfelder Kulturtage um 18 Uhr auf der Bühne der Aula der Stadtschule zum Leben erwacht: „Enter the Jazz Salon and get groovy!“ mit dem Ensemble „JazzSalon“, so heißt es in der Pressemitteilung der Alsfelder Kulturtage.
Es ist eine Premiere, dass die drei Musiker, die quer durch die Republik ihr Publikum begeistern, in Alsfeld auftreten. Dabei haben zwei von ihnen Vogelsberger Wurzel: Ev Machui und Andreas Müller.
Ev Machui ist geborene Nieder-Gemünderin, wohnte lange Jahre in Gießen und ist nun seit fast 20 Jahren Frankfurterin. Neben ihrem Engagement bei „JazzSalon“ singt sie noch 20er-Jahre-Programme mit Vitaliy Baran und schreibt eine Konzertkolumne für das Journal Frankfurt. Die anmutige Frau ist in einem musikalischen Elternhaus groß geworden und genoss schon als ganz kleines Mädchen ihre Ballettstunden bei der Alsfelder Lehrerin Klein-Gröck. „Später habe ich dort tatsächlich auch Steppunterricht bekommen – zu Swingmusik – so dass ich auch da schon sehr früh jazzige Musik kennengelernt habe und sehr mochte.“
Virtuose Andreas Müller ist in seiner Jugend mit seinen Eltern und seinen zwei jüngeren Brüdern nach Alsfeld gezogen und hat sich vor allen in den Erlen – im Grünen, am Teich und im Schwimmbad – wohl gefühlt. 1991 hat er an der Albert-Schweitzer-Schule sein Abitur gemacht und anschließend „gegenüber“ in der Kindertagesstätte in der Krebsbach seinen Zivildienst absolviert. Die ersten musikalischen Auftritte hatte er mit seiner Band „Neues Lied“.
Michael Will, der dritte im Bunde, kommt aus Rosbach-Rodheim. Dort hat er auch seine ersten Banderfahrungen gemacht: Blockflötenkreis und anschließend Posaunenchor! Mit 15 hat er die Posaune allerdings gegen einen E-Bass getauscht und nach ausgiebigem Experimentieren die Krautrockband „Uncle Brain“ mitgegründet, die heute noch ein Geheimtipp unter Venylliebhabern ist. Im Laufe der Zeit fand er für sich jedoch den Jazz immer interessanter, und mit Ende 30 zog es ihn sogar nochmal zu einem Jazzstudium in der Frankfurter Musikwerkstatt.
Ihr werdet während der Alsfelder Kulturtage das erste Mal hier in der Region auftreten. Wie ist das für euch, wo ihr doch an Alsfeld persönliche Erinnerungen habt und vielleicht den einen oder anderen trefft, den ihr von früher kennt?
Machui: „Ich würde mich tatsächlich sehr freuen, alte Bekannte, Nachbarn, Freunde und Freundinnen zu treffen und bin gespannt, wie unsere Musik ankommen wird. Da wir bislang noch nie im Vogelsberg gespielt haben, ist es ja für einige eine gute Chance, uns in echt zu erleben.“
Gibt es besonderen Momente oder Orte aus eurer Jugend in Alsfeld oder dem Vogelsbergkreis, die euch heute noch inspirieren – vielleicht sogar musikalisch?
Machui: „Mich hat das Homberger Schwimmbad zum Song „Arschbombenjohnny“ inspiriert und ich war tatsächlich fast ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht im Alsfelder Schwimmbad auftreten, von dem ich schon immer mal was Gutes gehört habe …“ (lach)
Was war der Impuls, gemeinsam Musik zu machen?
Machui: „Tatsächlich ein Hausfest in der Gießener Wilhelmstraße. Zu der Zeit war der Pianist unseres Trios nach China gezogen und Andi wohnte nebenan. Michi kannte ihn bereits von anderen musikalischen Projekten und so lag es nah, meinen Nachbarn anzuhauen, …. Das Ganze lief so gut, dass wir dann – obwohl ich kurz drauf nach Frankfurt zog, zu einem Trio wurden … seitdem spielen wir zusammen, seit 2008. Was für ein Glück!“
Als Trio seid ihr aufeinander angewiesen wie in einem Gespräch – wie habt ihr eure musikalische Chemie und eigenen Nische gefunden?
Machui: „Die war von Anfang an da! Die Liebe zum Jazz, zum Improvisieren, hatten wir alle. Dazu kam die Bereitschaft, sich mit auch mit deutschen Künstlern und Künstlerinnen wie Hilde Knef oder Manfred Krug zu beschäftigen, was „Eigenes“ daraus zu arrangieren und nach und nach zu entdecken, wie toll es ist, ganz eigene jazzige Chansons zu entwickeln. Wir sind kein Jazztrio im klassischen Sinne, sondern haben eine Nische besetzt, im Grunde trifft „Frau Chanson“ auf die Herren Jazz, so kann jeder seine eigenen Stärken wunderbar einbringen…“
Müller: „Unser besonderes Format – die Besetzung mit Kontrabass, Klavier und Gesang – ermöglicht große Flexibilität und musikalische Kommunikation. Dabei hören wir sehr gut aufeinander und gehen aufeinander ein.“
Was schätzt ihr jeweils am musikalischen Stil oder der Persönlichkeit der anderen beiden besonders?
Müller: „An Michi schätze ich seine Ruhe und Gelassenheit als Person, sowie zusätzlich seine Präzision in der Musik und große Variabilität. An Ev natürlich ihre Ausstrahlung und Persönlichkeit, als Musikerin natürlich ihre wunderbare Stimme.“
Will: „Andreas hat ein unglaubliches Gespür für die Struktur und die musikalischen Feinheiten sowohl bei der Erarbeitung der Stücke als auch auf der Bühne. Es ist mir eine große Ehre nun schon seit über 30 Jahren in verschiedenen Projekten mit ihm zusammen arbeiten zu dürfen. Ev hat sich in der langen Zeit mit uns beiden gesanglich toll entwickelt und wird auch immer noch immer besser. Voll schön, dass erleben zu können. Aber auch ihre Texte, ihre souveräne Life-Moderation sind klasse. Mit am schönsten ist aber auch der menschliche Kontakt. Bei den Proben wird immer erst mal ganz viel von allem Möglichen gequatscht und wir treffen uns auch sonst gerne.“
Seid ihr alle hauptberuflich Musiker, oder wie bringt ihr Musik und Berufs-/Familienleben unter einen Hut?
Müller: „Alleine von der Musik leben zu können, ist in den heutigen Zeiten immer schwieriger. Sehr viele sehr gut ausgebildete Musikerinnen und Musiker konkurrieren um immer weniger werdende Jobs in Orchestern und anderen Musikberufen. Die Zeiten von KI haben gerade erst angebrochen und entwickeln sich rasant. Auch das Musikbusiness wird diese Veränderungen spüren. Wir sind froh, dass wir neben der Musik auch andere Jobs haben, und uns trotzdem Zeit für das gemeinsame Musikmachen bleibt, welches wir sozusagen auf semiprofessionellem Niveau betreiben.“
Was bedeutet es dennoch, trotzdem mit vollem Einsatz auf der Bühne zu stehen?
Müller: „Darüber könnte man diskutieren. Ich behaupte: Als Musiker gibt man auf der Bühne möglichst immer vollen Einsatz.“
Wie beeinflusst euer Alltag eure Musik? Fließen Erlebnisse aus den Berufsleben oder Privaten in euere selbst komponierten Stücke ein?
Machui: „Klar … man kennt und beobachtet Menschen, erfährt Geschichten, und das findet sich dann auch mal in Songtexten wieder.“
Müller: „Oh ja. Das ist ein großes Feld. Das in anderen Bereichen Erlebte inspiriert das musikalische Schaffen. Genauso auch umgekehrt formuliert: Im musikalischen Ausdruck spiegelt sich auch in Eindrücke aus anderen Alltagsbereichen.
Welche musikalischen Einflüsse oder Künstler haben euren Stil besonders geprägt und wie viel spiegelt sich im aktuellen Programm wider?
Machui: „Mich auf jeden Fall Sängerinnen wie Hilde Knef, Lotte Lenya, Billy Holiday und Ella Fitzgerald, die „alten“ Diven, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man ChansonJazz macht … Lust, auf deutsch zu singen bekam ich sicher durch die Musik von Manfred Krug, Lisa Bassenge und Bernd Begemann. Da Hilde Knef im Dezember ihren 100 Geburtstag feiern würde, stehen Songs von ihr gerade etwas im Fokus.“
Müller: „Bei mir sind es Bill Evans, Brad Mehldau als Pianisten, aber auch Michel Legrand, Antonio Carlos Jobim als Songwriter. Oder kennt ihr Fred Hersch?“
Welche Stücke aus eurem Repertoire liegen euch besonders am Herzen und warum?
Müller: „Ganz klar die eigenen Stücke! Jedes ist ein Unikat mit einer individuellen Entstehungsgeschichte. Der Prozess von der ersten Idee, einer Melodie oder einer Textzeile, bis zum fertigen Song mit Formteilen, Melodien, Harmonien, Textstruktur und Rhythmik ist unglaublich spannend!“
Machui: „Eins, das einer Nachbarin gewidmet ist, die nicht mehr da ist… Oder unsere Ode an das Brentanoschwimmbad in Rödelheim. Besonders ist, dass das auch Stücke sind, wo wir oft im Nachgang vom Publikum gesagt bekommen, dass diese sie sehr berührt hätten.“
Wie entstehen eure eigenen Stücke? Bringt jemand Ideen mit oder entwickelt ihr alles gemeinsam im Probenraum?
Machui: „Bisher gab es oft eine Komposition von Andreas und ich habe dazu getextet. Oder ich hatte einen Text und wir haben zu dritt im Proberaum an der Musik gefeilt … oder wir „wurschteln“ von Anfang an zu Dritt an einem Song rum.“
Wieviel Freiraum lasst ihr euch bei euren Arrangements? Ist jedes Konzert anders?
Müller: „Alle unsere Songs spielen sich im unglaublich weiten Spannungsfeld zwischen Freiheit und Arrangement ab. Sich dort gegenseitig zu finden ist die Herausforderung und gleichzeitig der große Spaß bei der Sache.“
Will: „Die vielen Soli sind natürlich immer wieder neu und anders inspiriert, insbesondere im Wechselspiel zwischen Piano und Kontrabass.“
Jazz gilt als frei, aber auch anspruchsvoll – wie würdet ihr euren Zugang Genre beschreiben? Was bedeutet Jazz für euch ganz persönlich – abseits aller Etiketten?
Müller: „Genau das richtige Schlagwort: keine Etiketten! Das ist wichtig, wenn man nicht auf abgetretenen Pfaden landen will. Durch unsere Inspirationen landen wir immer wieder auf neuem musikalischem Terrain. Wir sind selber manchmal von uns überrascht. Ein Zeichen von Lebendigkeit.“
Will: „Der Jazz ist für mich auch ein Ausdruck der Freiheit im Denken. Sein Ursprung liegt ja zum großen Teil in der Emanzipation der amerikanischen Schwarzen-Community. Auch heute noch geht es hier im tieferen Sinne um individuelle Charaktere, die in der Gruppe ein gemeinsames Ganzes entwickeln. Das ist auch ein Stück gelebte Demokratie im Kleinen und jedes Mal auf’s Neue ein Feiern der Kultur des Menschseins an sich.Nicht ganz von ungefähr war der Jazz in Deutschland ja mal verboten. Grade habe ich eine Gegendemo zum Christopher Street Day von ein paar Vorgestrigen erleben müssen. Der Kulturkampf findet kein Ende…“
Improvisation gehört zum Jazz wie das Atmen. Wie funktioniert euer Zusammenspiel auf der Bühne – plant ihr viel oder lebt ihr im Moment?
Müller: „Beides. Das Geplante verschafft Ausgangspunkte und Zwischenstationen, wie auf einer gemeinsamen Wanderung. Die Improvisation ist wie ein Gespräch, in dem sich die Dialogpartner frei unterhalten, anstatt sich vorgefertigte Texte vorzulesen.“
Wie nehmt ihr die Jazzszene heute war – gerade im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne?
Müller: „Die Jazzszene ist lebendig wie eh und je. Indiz dafür sind die so vielfältigen Verschmelzungen zwischen Jazzelementen und anderen Stilistiken.“
Will: „Vom Publikum her sehe ich leider oft eine gewisse Vergreisung, aber es gibt total viele neue Talente, die schon in unglaublich jungen Jahren hammermäßig spielen und dabei ihren eigenen Stil entwickeln. Man braucht sich also um die Zukunft des Jazz wenig Sorgen zu machen.“
Wenn ihr einem jungen Menschen Jazz nahebringen wolltet, womit würdet ihr anfangen?
Müller: „Die Initialzündung kommt immer durch das Hören und eigene Erleben. Ob ein Livekonzert im Jazzclub oder eine gute Jazzplatte, eine Bigband, ein Jazzchor oder ein Avantgarde-Konzert – der Jazz hat vielfältige Ausprägungen, die einen begeistern können.“
Will: „Zum Beispiel mit diversem „Jazz for Kids“ von vielen verschiedenen Musikern, oder mit dem Aufzeigen der Originalgrooves, die im HipHop häufig aus dem Jazz entliehen und ziemlich cool neu gedacht werden. Man denke nur an „Cantaloupe Island“ von Herbie Hancock.“
Was dürfen wir bei eurem Auftritt in Alsfeld erwarten?
Machui: „Wir werden eine bunte Mischung mitbringen: eigene jazzige Chansons, Stücke von Hilde Knef, französische Chansons und ein paar Jazzstandards.“
Gibt es Überraschungen oder Experimente?
Müller: „Oh ja! Aber darüber wird noch nichts verraten…“
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