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Vogelsberger Naturschützer erkunden bedrohte WaldlandschaftenBUND-Exkursion in die Schwarzen Berge offenbart die Herausforderungen des Waldumbaus im Zeichen des Klimawandels

RHÖN (ol). Die Schwarzen Berge in der Rhön stehen vor erheblichen Herausforderungen aufgrund des Klimawandels. Während eine Exkursion des BUND-Kreisverbandes Vogelsberg unter Leitung von Förster Joachim Dahmer die Folgen für Eschen, Buchen und Fichten aufdeckte, beleuchteten die Teilnehmer verschiedene Ansätze für einen nachhaltigeren Waldumbau. Messungen an der Waldklimastation in Bad Brückenau zeigen eine beunruhigende Temperatursteigerung in der Region.

Etwas abgeschieden vom Touristen-Ansturm sind sie, die Schwarzen Berge in der Rhön. Aber gerade deshalb sind sie eine Reise wert, das fand die Reisegruppe des BUND Kreisverbandes. Geführt hatte sie Joachim Dahmer, seit 32 Jahren Förster in Bayern und gebürtiger Alsfelder. „Was wird aus unserem Wald im Klimawandel“ war das große Thema, in der Rhön ebenso aktuell wie im Vogelsberg, so heißt es in der Pressemitteilung des BUND Vogelsberg.

585 Meter hoch ist sie, die Mettermich nahe Schondra. Ihr Gipfel: ein eindrucksvoller Kegel aus Basalt-Blöcken. Wie Förster Dahmer berichtet, haben Menschen ihn bearbeitet: Drei massive Mauerringe sind heute noch zu erkennen. Die alten Kelten – vielleicht auch die Chatten – haben hier ein festungsartiges Monument hinterlassen. Den Teilnehmern wurde einiges an Geländegängigkeit abverlangt, der Aufstieg zum Gipfel führte über ausgedehnte und sehr steile Block-Schutt-Halden. „Der alte Wanderweg wird nicht mehr markiert“, so Förster Dahmer, „zu viele absterbende Eschen und Buchen.“

Der Grund: auf dem felsigen Boden sterben eben die Eschen und die Buchenaltbestände ab. Das Eschen-Triebsterben verursacht ein Pilz, mit Handelsware aus Asien eingeschleppt. Wie Dahmer erklärt ist dieser Pilz in Japan ein harmloser Zersetzer der Laubstreu: hier bei uns vernichtet er die schönsten alten Eschen. Die alten Buchen auf dem Basalt-Kopf tötet der Klimawandel. Lange Zeit überstanden sie Trockenzeiten, indem sie ihre Wurzeln durch die Klüfte im Basalt tief hinab trieben. Nun scheinen sie mit ihrer Überlebenskunst am Ende zu sein. In den extremen Trockenjahren der jüngsten Zeit sind – so die Annahme der Forstleute – diese wichtigen Wasser-Beschaffer abgerissen oder abgestorben.

Wie wird der Wald der Zukunft sein? Darum ging es den Naturschützern auch, als sie in den tieferen Lagen weitere Folgen des Klimawandels erlebten: großflächige Kahlflächen auf ehemaligen Fichten-Standorten. Eine sichere Prognose konnten weder der Förster vor Ort noch BUND-Biologe Dr. Dennhöfer liefern. Klar war die Ursache: Fichten schaffen es bei Trockenheit nicht, eindringende Borkenkäfer durch Harzabsonderung abzuwehren.

Auch wenn die Waldbesitzer befallene Bäume so rasch als möglich aus dem Bestand entfernen – die ausgedehnten Fichtenforsten werden vielerorts verschwinden. Zahlreiche, auch sehr unterschiedliche, Ansätze für hoffentlich nachhaltige und klimagerechte Folgebewirtschaftung konnten vor Ort besichtigt und diskutiert werden. Zum Beispiel die Anpflanzung von Douglasie oder Edelkastanie und Linde mit Elsbeere und Flatterulme. Oder die Einbringung von Schattbaumarten wie Buche oder Tanne in die noch lebenden Fichtenbestände.

Vor Ort besichtigt wurden auch unterschiedliche Förderprogramme, die von Kommunen und Privatwaldbesitzen stark nachgefragt werden. Beispiele sind flächenhafte Stilllegungen für 12 Jahre oder der Schutz von zahlreichen Biotop- und Totholzbäumen mit Höhlen und Spaltenquartieren auf der Mettermich, eine Maßnahme die besonders die Lauterbacher Fledermausexpertin Kathrin Jacob erfreute.

Nächste Station war die bayerische Waldklimastation Bad Brückenau am Kellerstein auf 820 Meter Höhe, in einem circa 140-jährigen Buchenbestand. Betrieben wird sie von der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. „Hände weg „war die Parole, nur der sachkundige Förster durfte – mit Handschuhen – einige Geräte öffnen. Hochsensible Messungen würden sonst durcheinandergebracht. Seit 1991 gibt es diese Waldklimastationen. Das Besondere: in einem lebendigen Wald werden die üblichen Wetter–Parameter gemessen, also Temperatur und Niederschlag. Gemessen wird aber auch, was die Bäume daraus machen. Wie viel Wasser läuft den Stamm der Buchen hinab in den Wurzelraum? Werden Schadstoffe unter dem Wurzelraum ausgetragen? Wann treiben die Bäume aus? Viele Dutzend Bäume umgürtet ein Maßband. Exakt registriert wird das jährliche Wachstum der Buchen, Eichen und Eschen. In unterschiedlichen Bodentiefen wird gemessen, wie viel Regenwasser diese Schicht erreicht. Erfasst werden auch die Luftschadstoffe und die Kohlendioxid-Ausgasung aus dem Waldboden. All diese Werte werden verglichen mit einer ähnlich ausgestatteten Messstation die nahebei auf einer Weide im Offenland existiert.

Die Messstation ist eingebunden in ein internationales Netz von Dauerbeobachtungsflächen. Die Überwachung von Umweltbelastungen und ihren Wirkungen auf die Wälder werden über Jahrzehnte hinweg vom Nordkap bis zu den Kanaren mit 800 solchen „Level II“ Flächen in 41 europäischen Ländern erfasst, mit bis zu 750.000 Messdaten pro Jahr. Die traurige Wahrheit: in der Wald Klimastation Rhön beträgt die Temperatursteigerung seit den neunziger Jahren bereits 1,5 Grad im Winter und 2,2 Grad im Sommer.

Zahlreiche Farbtupfer am Weg lockerten die hochinteressante Exkursion auf: wunderbar bunte Bergwiesen mit Trollblume, Schlangenknöterich, Wiesensalbei und Orchidee, neugierige Pferde und traumhafte Aussichten.

Fotos: BUND Vogelsberg

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