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Landrat hat Verständnis für Streben nach Erhalt der Geburtenstation – „Aber wir müssen die Fakten zur Kenntnis nehmen“Görig: „Niemand hat sich die Entscheidung leicht gemacht“

ALSFELD (ol). Nach der sehr breit getragenen Entscheidung des Hauptausschusses am vergangenen Mittwoch, eine neue Hauptabteilung Geburtshilfe im Kreiskrankenhaus nicht anzustreben, meldet sich erneut Landrat Manfred Görig zu Wort, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der kreiseigenen Krankenhaus-GmbH ist. „Niemand hat sich die Entscheidung leicht gemacht“, hebt Görig nach der Entscheidung von CDU, SPD, FW und AfD im Hauptausschuss des Kreistages hervor. Das Nein sei jedoch klar und eindeutig.

Der Landrat hält diese Entscheidung für sachgerecht und realistisch. Nicht, weil er etwas gegen eine Geburtshilfe in Alsfeld hätte. Im Gegenteil: Sein Eintreten für diese Belegabteilung sei seit seinem Amtsantritt nachweisbar. Nun werde zum Jahresende auch keine Abteilung geschlossen – weder von der Geschäftsführung, noch vom Träger oder von ihm als Landrat. „Die Belegärzte haben für sich eine Entscheidung getroffen und sie anschließend dem Träger mitgeteilt“, berichtet Görig.

Auch wenn der Landrat die Entscheidung der Ärzte bedauere, könne er sie doch nachvollziehen. Die nun erfolgte klare Entscheidung, keine neue Hauptabteilung anzustreben, sei vor allem realistisch vor dem Hintergrund des detailliert durchgerechneten Expertengutachtens, dessen Werthaltigkeit er nicht anzweifle.

Verständnis für das Streben nach Erhalt

„Ich habe Verständnis für das Ansinnen, die Geburtshilfeabteilung unbedingt zu erhalten“, sagt Görig. „Aber verantwortliche Politiker haben auch die Pflicht, erstens realistisch zu sein und zweitens den Bürgerinnen und Bürgern keine unhaltbaren Versprechungen zu machen“, so der Landrat. Man dürfe in der emotionalen Debatte die Fakten nicht ignorieren.

Ohne zur Verfügung stehende Ärzte machen Alternativen keinen Sinn.Landrat Görig zu der aktuellen Situation

Neben der notwendigen Genehmigung einer 25-Betten-Abteilung gehe es insbesondere um die notwendigen Fachärzte für eine neue Abteilung. „Wenn es die nicht gibt, macht die Debatte über eine neue Abteilung oder sonstige alternative Lösungen gar keinen Sinn“, sagt Görig. Er hält es für „utopisch“ in der jetzigen Situation zu glauben, man könne acht, sieben oder auch nur sechs Fachärzte auf einmal in Kürze für eine neue Abteilung gewinnen. Immerhin seien alle Frauenärzte im Kreis einzeln befragt worden – „und alle haben abgesagt“, berichtet der Landrat.

Alles steht und fällt mit den Ärzten

Nachdem sich die Belegärzte von der Geburtshilfe zurückziehen, sei klar geworden: „Dieser Teil der Abteilung ist nicht zu halten!“ Mit dem Prinzip Hoffnung hatte die Koalition aus CDU und SPD noch vor wenigen Monaten festgelegt, das Defizit der Geburtsstation für weitere fünf Jahre verlässlich abzudecken. „Aber all das Geld nützt nichts, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen, die Ärzte nicht mehr wollen und überdies die meisten Vogelsberger Mütter – bereits jetzt – mit den Füßen abstimmen und außerhalb des Vogelsbergkreises entbinden.“

Bereits 2008 habe es erhebliche Probleme gegeben, im Alsfelder Belegarzt-Team einen Kollegen zu ersetzen. Das allein zeige schon die Schwierigkeit. Manfred Görig nennt ein weiteres Beispiel: Im Dezember 2015 habe man es nur noch mit größter Anstrengung geschafft, Ersatz für eine im Team erforderliche Hebamme zu finden.

Keine brauchbaren finanziellen Mittel

Erneut verweist der Landrat darauf, dass sich unter seiner Führung der Landkreis als Eigentümer seit 2013 darum gekümmert habe, sowohl das Krankenhaus als Ganzes als auch die Geburtshilfe im Speziellen zu stabilisieren. 10,6 Millionen Euro aus dem Kreishalt hätten den laufenden Betrieb gesichert. Pro Jahr seien 700.000 Euro für Geburtshilfe und Gynäkologie geflossen.

Vom Land sei keine Hilfe zu erwarten. „Es gibt kein brauchbares finanzielles Instrument, das den ländlichen Krankenhäusern hilft“, bedauert Görig. Gleiches gelte für den Bund. Gemeinsam mit den Krankenkassen sei die Strategie klar auf Konzentration ausgerichtet. Der Druck auf die kleineren Häuser werde sich noch erhöhen, prognostiziert der Vogelsberger Landrat.

Zur Wahrheit, die man akzeptieren müsse, gehöre auch: 2015 gab es 778 Geburten von Vogelsberger Müttern. Aber nur 250 dieser Vogelsbergerinnen seien nach Alsfeld zum Entbinden gegangen. Landrat Görig erinnert daran, dass bereits seit 2008 die Geburtshilfe in Lauterbach und Schotten geschlossen sei – bei damals ähnlichen Strukturproblemen wie jetzt auch in Alsfeld.

Trotz dieser bedauerlichen Verschlechterung in der Versorgungsdichte könne festgestellt werden: Ein Rückgang der Geburten hat nicht stattgefunden. Ganz im Gegenteil: im Vogelsbergkreis gibt es hessenweit den größten Anstieg, was wirklich ein Grund zur Freude sei.

Kreiskrankenhaus trotz allem auf stabilen Kurs

Die Bilanz des Kreiskrankenhauses entwickle sich – vor allem wegen der hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – klar ins Positive, so Landrat Görig. „Wir befinden uns seit zwei Jahren deutlich auf einem Aufholkurs.“

Jetzt sei es Aufgabe von Aufsichtsrat und Geschäftsführung, die Weiterführung der Gynäkologischen Abteilung langfristig zu sichern und zu diesem Zweck mit den Ärzten zu verhandeln. Auch die Sicherstellung der Notfallversorgung habe er „fest im Blick“, so Görig abschließend. „Unser Kreiskrankenhaus ist auf einem stabilen Kurs – darauf können sich sowohl die Bürgerinnen und Bürger als auch die Beschäftigten verlassen.“

 

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