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Whatsapp, Facebook und Instagram: Jugendliche und ihr Umgang mit den digitalen Medien – positiv oder negativ?Gefällt mir (nicht)? Jugendliche und digitale Medien

ALSFELD (ls). Whatsapp, Instagram, Snapchat, Facebook und Twitter: Das Internet, und ganz besonders die sozialen Medien sind heute aus dem Leben der Menschen fast gar nicht mehr wegzudenken. Immer und überall ist man erreichbar. Jeder weiß, von wann bis wann der andere wo im Urlaub ist, oder mit wem man gerade zusammen unterwegs ist. Von allem werden Selfies gemacht und mit knapp 500 der engsten Freunde geteilt. Der Gebrauch des Internets, von Smartphones und von sozialen Medien ist mittlerweile zur Normalität geworden, dass selbst Kleinkinder besser mit dem Smartphone umgehen können als Erwachsene. Ist das noch normal?

In der heutigen Zeit ist es nicht mehr ungewöhnlich, wenn sich sogar Kleinkinder besser mit den Funktionen des Smartphones auskennen, als ein Erwachsener – und das noch bevor sie überhaupt lesen und schreiben können, geschweige denn wirklich wissen, was sie da tun. Manchmal können die Kinder nicht mal richtig laufen, halten aber schon das Smartphone der Eltern in der Hand. Wenn man noch in einer Zeit aufgewachsen ist, in der das kein übliches Bild war, kann es schon mal schwerfallen, dafür Verständnis aufzubringen.

Wo man früher noch draußen war und Fangen oder Verstecken gespielt oder Buden gebaut hat, sitzt die Jugend von heute nebeneinander und spielen Handyspiele. Kommunikation – Fehlanzeige. Selbst bei jungen Erwachsenen sieht man es immer häufiger, dass die verbale Kommunikation zu wünschen übrig lässt. Die mediale Kommunikation hingegen ist stärker als je zuvor.

Man verlinkt sich, drückt durch Smilies seine Gefühle aus und anstatt sich mit seinem Gegenüber zu unterhalten werden Bilder gemacht und Whatsapp-Nachrichten versendet. Traurig, aber auch beeindruckend, was die moderne Technik mittlerweile kann – und vieles ist um einiges einfacher geworden, als es früher einmal war. Deshalb sind auch viele Erwachsene von ihrem Smartphone regelrecht besessen und legen es kaum noch aus der Hand: die Vorbilder unserer Kinder. Ja, Erwachsene sind manchmal noch schlimmer.

Müssen Kinder schon mit sozialen und digitalen Medien umgehen können?

Ob die frühe Internetnutzung der Kinder wirklich noch normal ist und welche Gefahren das Internet für sie birgt, darüber wird momentan viel diskutiert. Müssen Kindergartenkinder schon mit einem Smartphone umgehen können? Müssen Grundschulkinder schon ein Tablet zum Schreiben benutzen, bevor sie überhaupt selbst richtig schreiben können? Und vor allem: wie sollen Eltern mit den modernen Medien umgehen? Fragen über Fragen – und bei jeder Frage scheiden sich die Geister.

Während es auf der einen Seite die strikten Gegner der digitalen Medien gibt, stehen auf der anderen Seite diejenigen, die versuchen, sie auch in den Alltag von Kindern zu integrieren. Kontrolliertes Integrieren. Dazu veranstaltete das Kreisjugendparlament des Vogelsbergkreises vor zwei Wochen einen Informationsabend für Eltern. Thema: natürlich das Medienverhalten Jugendlicher und wie Eltern, die selbst ohne Internet aufgewachsen sind, hier einen kompetenten Umgang vermitteln sollen.

Befürworter: Kinder müssen mit digitalen Medien konfrontiert werden

Um Medienverhalten beurteilen zu können, muss verstanden werden, warum manche Nutzer ohne Rücksicht auf die eigene Privatsphäre, andere an ihrem Leben in sozialen Netzwerken wie Instagram, Facebook und Snapchat teilhaben lassen. Um problematisches Verhalten zu erkennen und authentisch zu beurteilen, müssen Phänomene wie Cybermobbing mit ihren Ursachen und Wirkungen realistisch eingeschätzt werden können. Referent Moritz Becker, Sozialpädagoge, Eltern-Medien-Trainer und selbst Vater, machte dabei den Eltern deutlich, dass sich das Internet nicht ändern wird, sondern nur noch erweitern. Um dabei Einfluss auf die Kinder zu haben, müssen diese mit der Zeit gehen, um ihnen im Umgang mit den Sozialen Medien den Rücken zu stärken.

Der Sozialpädagoge Moritz Becker bei seinem Vortrag vom Kreisjugendparlament „Jugendliche bei Whatsapp, Facebook und Instagram: Was geht uns das an?“. Foto: privat

Der Sozialpädagoge Moritz Becker bei seinem Vortrag  „Jugendliche bei Whatsapp, Facebook und Instagram:
Was geht uns das an?“ Foto: privat

Auch Peter Weißmüller, Leiter des Maus-Medienzentrums in Lauterbach lehnt die Neuen Medien nicht ab, sondern plädiert sogar für einen kontrollierten Gebrauch im Unterricht. In einem Interview sprach er darüber mit Oberhessen-Live.

Interview mit Peter Weißmüller vom Mauszentrum Lauterbach

Oberhessen-live: Herr Weißmüller, wie stehen Sie zu einem Mediengebrauch bei Kindern? Sind Sie dafür?

Überwiegend ja. Ich bin überwiegend dafür, dass die Neuen Medien – so heißt es immer noch im Schulbereich – eingesetzt werden, weil die Kinder nach Hause kommen und wissen, wie man E-Mails schreibt. Sie müssen einen Computer bedienen können, die bekommen heutzutage ja gar keine Lehrstelle mehr, wenn sie das nicht können. Das muss heute jeder. Jeder, der in einer normalen Firma arbeitet, muss technische Geräte bedienen, die softwaregestützt sind. Beispielsweise den normalen Schweißer, der nur mit der Hand arbeitet, den gibt es heutzutage kaum noch. Heute muss er eine CNC-Maschine bedienen können und dazu braucht er ein technisches Verständnis.

Oberhessen-live: Ab welchem Alter oder ab welcher Klasse sollten Kinder mit den Neuen Medien in Kontakt kommen?

Wir, also ich und das Mauszentrum, denken das man unbedingt spätestens ab dem 4. Schuljahr den Kindern das E-Mail schreiben beibringen sollte, das ordentliche Recherchieren im Internet und auch auf die Gefahren des Internets aufmerksam machen sollte. In der Regel ist es so, dass die Kinder sogar schon viel früher damit in Berührung kommen, nämlich zu Hause.

Da liegen die Handys und die Tablets und die PCs rum. Es gibt ja heute kaum noch einen Haushalt, der keinen Computer mit Internetanschluss hat. Das sehen wir jedes Mal an den Elternabenden. Und meistens haben die Eltern spätestens ab dem 3./4. Schuljahr keine Kontrolle mehr darüber, was für Sachen benutzt werden, wenn sie nicht gerade strikte Regeln eingeführt haben. Das machen aber die Wenigsten.

Oberhessen-live: Aber finden Sie nicht, dass die 3. Klasse zu früh ist, dass Kinder lernen mit beispielsweise Tablets umzugehen?

Es müssen nicht unbedingt Tablets sein, es reicht auch schon ein Computerraum. Aber Tablet ist eben das, was jetzt kommt. Zu Hause haben die Eltern nur noch Tablets oder Laptops liegen. Die Stand-PCs sterben zu Hause langsam aus. Da ist WLAN da und man hat ein Tablet oder einen Laptop im Wohnzimmer liegen. Wenn es häusliche Realität wird, dann kann man es auch in der Schule verwenden.

Man muss aber den Kindern den Unterschied beibringen zwischen einem Spielgerät, das zu Hause steht und einem Arbeitsgerät, das in der Schule steht. Wenn ich in der Schule mit einem Tablet, einem Laptop oder dem PC surfe, dann suche ich zielgerichtet irgendwas für den Unterricht oder suche Informationen und gehe nicht mal eben schnell auf spieleaffe.de oder auf Facebook oder suche Privatkram. Diese Abgrenzung muss geschult werden.

Oberhessen-live: Sollten Kinder nicht zunächst einmal das richtige Schreiben mit der Hand lernen, bevor sie sich an Tablets setzen?

Beide, wieder beides. Wenn ich ein Tablet benutze, dann benutze ich es ja nicht den ganzen Tag zum Notizen machen. Bei Tablet schon mal gar nicht – da habe ich ja nicht einmal so eine schöne Tastatur wie beim Laptop beispielsweise. Das heißt, ein Tablet benutzt man eher zum Recherchieren, zum Fotos schießen oder um ein kleines Video zu drehen oder zur Projektarbeit aber nicht zum Schreiben.

Oberhessen-live: Trotz allem ist es schwierig, wenn die Kinder nur über digitale Medien schreiben. Es handelt sich dabei mehr um kurze Nachrichten. Können Kinder dabei nicht das richtige Kommunizieren verlernen?

Sie sprechen mir damit hundertprozentig aus der Seele. Wenn wir das Internet-ABC nutzen, dann habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Kinder nur noch kurze Sätze schreiben – als wäre es eine Whatsapp Nachricht. Und genau das müssen die Lehrer den Schülern ab dem 3. Schuljahr beibringen, denn spätestens ab dem 5. Schuljahr fangen die Kinder mit Whatsapp an. Und da ist nicht die Frage, ob ich es einsetzen will oder ob ich mich damit beschäftigen soll, sondern ich muss mich damit beschäftigen, sonst erziehen sich die Schüler selber und werden zu Whatsapplern und werfen nur noch Bruchstücke durch die Gegend.

Das sind ja alles so Einsatznachrichten. Da schreibt niemand mehr zwei volle Sätze und wenn dann mit Abkürzungen und Smilies. Das ist ja keine Kommunikation mehr wie man sie eigentlich auf einem Blatt Papier oder aus einem Text haben will.

Oberhessen-live: Wenn man heute diese Möglichkeiten sieht – die hatte man früher gar nicht. Es ist heute so einfach.

Ja genau, das sage ich auch immer. Früher müsste man sich alles aus Bibliotheken beziehen und das hat ewig gedauert. Heute kann man seine Informationen aus dem Internet beziehen. Jemand der die Möglichkeiten des Internets kennt, der will es nicht mehr missen. Auf der anderen Seite hat das Internet auch negative Facetten, mit denen die Kinder lernen müssen umzugehen.

Gegner: Kinder sollten erst später mit digitalen Medien in Kontakt treten

Doch so wie es die Befürworter der Nutzung von digitalen Medien gibt, gibt es auch die Gegner. Die, für die digitale Medien bei Grundschulkindern nichts zu suchen haben. „Sie sollen schreiben, anfassen, die physische Welt kennenlernen. Mit den Fähigkeiten, die sich daraus entwickeln, können sie dann später von geschulten Lehrern langsam und systematisch an die digitale Welt herangeführt werden“, bestätigt ausgerechnet Prof. Dr. Gerald Lembke, Studiengangleiter für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Mannheim und Präsident des Bundesverbands für Medien und Marketing gegenüber der Süddeutschen Zeitung in einem Interview.

Auch er bestätigt dabei die Annahme, dass der Einsatz von digitalen Medien keinen positiven Lerneffekt für die Kinder habe. Selbst digitales Recherchieren ziehe er keinesfalls dem Recherchieren in Bibliotheken vor, da dabei meist nicht viel Relevantes im Gedächtnis bleibe und außerdem das klassische Recherchieren eine wichtige wissenschaftliche Arbeitsmethode ist.

Ein Thema, welches kaum mehr Kontroversen hervorrufen könnte. Soziale Medien ja? Soziale Medien nein? Eine grundsätzliche Ablehnung wird wohl im digitalen Zeitalter kaum noch durchführbar sein, weshalb Kinder mithilfe der Erwachsenen langsam herangeführt werden müssen – bevor es zu spät wird.

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