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Knapp 60 Menschen informierten sich über den bevorstehenden Windkraftausbau im Alsfelder StadtgebietKaum Interesse an Bürgerversammlung Windkraft

ALSFELD (cdl). Es war nicht viel mehr als ein laues Lüftchen: Das Bürgerinteresse zum Bau geplanter Windkraftanlagen auf dem Alsfelder Stadtgebiet war verschwindend gering. Rund 60 Bürger waren am Donnerstagabend in die Stadthalle gekommen, um sich über die Bauvorhaben im Genehmigungsverfahren zu informieren.

Vor allen Dingen Lokalpolitiker wohnten der Veranstaltung bei, sodass sich nur wenige weitere Interessierte auf den Weg gemacht hatten.

„Man darf die Zukunft der Energieversorgung nicht außer Acht lassen“, so der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Frank Jungk bei seiner Begrüßung. Es gebe viele gute Argumente für die Windkraft, jedoch müsse man sich in jedem einzelnen Fall um den Einfluss einer Anlage auf Mensch und Natur Gedanken machen.

Bürgermeister Stephan Paule informierte zunächst über den aktuellen Stand. In Alsfeld habe man am 12. Dezember 2012 einen eigenen Flächennutzungsplan mit Vorrangstandorten ausgewiesen. Es habe immer schon Bestrebungen gegeben den Windkraftausbau zu lenken, ihn aber nicht auszuschließen. Der Vorschlag der Stadt sei damals abgewiesen worden und schließlich sei das Ganze in einem Mediationsergebnis gemündet. Die Windkraftanlagen sollten an fünf ausgewiesenen Stellen im Stadtgebiet konzentriert werden. An drei Standorten seien gerade die Genehmigungsverfahren im Gange. Die Bauanträge seien gestellt, jedoch seien noch keine Baugenehmigungen erteilt. Dennoch müsse man davon ausgehen, dass dort gebaut wird.

„Heute sind alle Seiten vertreten, genauso soll es sein. Wir wollen schließlich gemeinsam in den Austausch treten“, bekundete Paule beim Blick in die Stadthalle und machte einige bekannte Fürsprecher und Widersacher aus.

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Dr. Ivo Gerhard, Martin Schultheis, Stephan Paule, Manfred Bender, Frau Hermann, Michael Schneller und Harald Müller informierten über die Windkraftanlagen in Planung.

Der grobe Ablauf eines Genehmigungsverfahrens

Manfred Bender vom Regierungspräsidium Gießen (RP) skizzierte, wie ein Genehmigungsverfahren bei den Behörden abläuft. Wenn keine Umweltgefahren wie Lärm, Schattenwurf oder andere öffentlich Planungen entgegenstehen, finde das Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung statt. Das sei gesetzlich so vorgegeben und man müsse genehmigen, wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien. „Dagegen können die Bürger im Prinzip nichts machen“, so Bender.

Falls es Gründe zur Öffentlichkeitsbeteiligung gebe, könne ein Verfahren sieben Monate lang dauern. Ab einer Anzahl von drei Anlagen würde das komplette Verfahren als ein Windpark betrachtet. Das könne sogar mehrere Projektierer betreffen, wenn ihre Anlagen in Nähe zueinander entstehen sollen. Die Aufgabe des RP sei die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Es gebe bei der Behörde keine Extrempositionen. Weder boxe man eine Genehmigung mit aller Macht durch noch versuche man die Anlagen überall zu verhindern.

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Grün sind die aktuell bestehenden Windvorrangflächen. Rot markierte sind zurückgenommene Gebiete. Grafik: RP Gießen

Planungen bereits weit fortgeschritten

Dr. Ivo Gerhards vom RP Gießen stellte den regionalplanerischen Hintergrund vor und berichtete über den aktuellen Stand der jeweiligen Genehmigungsverfahren. Am 9. November wird der Teilregionalplan verabschiedet. Bei vielen Dingen gebe noch keine rechtlich bindende Wirkung. Über die aktuelle Flächenkulisse mit Alsfeld und insbesondere Schwalmtal würde ab kommenden Montag intensiv in den Ausschüssen beraten. „Heute werden sicherlich auch Bürger aus Schwalmtal da sein“, so Dr. Gerhards. Für die Ortschaft Rainrod sei eine Sichtfeldanalyse ausgehend vom Kirchturm im Ortskern gemacht worden. Wenn man sich dort einmal um die eigene Achse drehe, seien in nordwestliche Richtung 55 Grad und auf der anderen Seite etwa in einem Blickfeld von 20 Grad die möglichen Anlagen zu sehen.

Beim Windpark Romrod sei der Antrag im Oktober 2015 eingegangen und mittlerweile lägen 26 von 29 Stellungnahmen vor. Daher sei bereits alles weitgehend geregelt. Im Oktober oder im November werde eine Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit fallen. Fischbach sei hingegen ein Sonderfall, weil dort die Stadt Alsfeld eine gesonderte Trinkwasservereinbarung mit dem Projektierer treffen müsse.

Im Fall der geplanten Windenergieanlagen am Homberg habe ein sehr komplexes Verfahren aufgrund der Naturschutzbestimmungen vorgelegen. Daher habe der Projektierer die drei kritischen Anlagen zunächst aus dem Verfahren herausgenommen und einen Genehmigungsantrag für die vier unkritischen Anlagen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gestellt. Daher könnten die unkritischen Anlagen wahrscheinlich noch im Jahr 2016 genehmigt werden.

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Die Sichtfeldanalyse ausgehend vom Rainröder Kirchturm.

Beim Windpark Romrod/Zell sind alle Einwände bekannt

Harald Müller von Turbo Wind GmbH berichtete über die Planungen für den Windpark Romrod/Zell. Insgesamt fünf Anlagen sollen entstehen. Drei davon auf dem Gebiet der Stadt Romrod und zwei auf dem Alsfelder Stadtgebiet. Er hatte eindeutige Visualisierungen mitgebracht und zeigte ganz ungeschönt, wie man später die Anlagen sehen wird. Ob aus Liederbach, von der Hessenhalle und insbesondere vom Zeller Bahnhof. Das Unternehmen rechne damit, noch im Jahr 2016 mit dem Bau beginnen zu können und die Anlagen im Laufe des Jahres 2017 in Betrieb zu nehmen.

Gerd Ochs von der Bürgerinitiative „Schöner Ausblick“ war vom verhinderten Zeller Udo Kornmann gebeten worden, konkrete Nachfragen zu stellen. Laut Kornmann gebe es zwei Rotmilane in unmittelbarer Nähe, die Erdbebenmessstation liege nur zwei Kilometer entfernt, müsste aber mindestens fünf Kilometer entfernt liegen, sein eigener Hof sei nur 600 Meter von einer Anlage entfernt und für den Ort Zell bestehe die Gefahr der Umzingelung, ließ Kornmann als Privatmann übermitteln.

Alle Einwände von Kornmann sind bereits bekannt, versicherte Müller. Bei den Rotmilanen könne man nicht verneinen, dass die Vögel dort fliegen. Ausschlaggebend seien jedoch die Horste und Brutstätten der Tiere. Die Erdbebenmessstation müsse eventuell verlegt werden und der Projektierer müsse dann wahrscheinlich für die Kosten aufkommen. Alle Abstände zur Bebauung würden den Richtlinien des Genehmigungsverfahrens entsprechen. „Die Punkte sind uns alle bekannt und wir müssen sie berücksichtigten“, machte Müller deutlich. Außerdem stellte Müller eine Bürgerbeteiligung an zwei Anlagen in Aussicht. Darüber habe man bereits im Vorfeld mit der Energiegenossenschaft Vogelsberg gesprochen. Jedoch könne man dazu nichts Konkretes sagen, bevor nicht abschließend feststehe, ob alle fünf Anlagen gebaut werden können.

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Harald Müller machte das Bauvorhaben Windpark Romrod/Zell transparent.

Windpark Homberg sorgt für Verärgerung

Der Projektentwickler der Firma WSB Michael Schneller stellte die geplanten Windkraftanlagen am Homberg vor. Auch die Anlagen bei Fischbach werde das Unternehmen errichten. Dort stehe man kurz vor dem Abschluss und erwarte eine Genehmigung bis Ende September. Beim Standort Homberg hoffe das Unternehmen, die Genehmigung noch bis Ende des Jahres für vier Anlagen zu bekommen. Am Homberg habe man zum Bau sehr gute Verkehrsbedingungen und müsse nur runter von der Autobahn und könne im Anschluss bereits gut ausgebaute Forstwege nutzen. Wie auch sein Kollege hatte Schneller Visualisierungen mitgebracht. Im Gegensatz zu den wenige Minuten zuvor zu sehenden Fotomontagen war auf den Bildern der Firma WSB ziemlich wenig zu erkennen.

Das monierte auch umgehend der Altenburger Ortsvorsteher Ralf Kruse. „Schöner Bilder, aber warum sind die Bilder nicht an südlicher Stelle von Altenburg gemacht worden, da sehe ich drei Monster“, fragte Kruse. Die Vorgaben sind im Verfahren entstanden, wir mussten dort nicht visualisieren, so die Antwort von Schneller.

Windkraftanlage H7 Stein des Anstoßes

Ebenso wie zuvor Kruse monierten die beiden UWA-Mitglieder Rolf-Peter Stein und insbesondere Martin Räther, wie es denn sein könne, dass die Anlage H7 außerhalb des Gebietes der Mediation liege. Das Unternehmen verwies darauf, dass das im Rahmen der Abmachung durchaus möglich sei. „Sie haben die Mediationsvereinbarung unterschrieben, aber warum beantragen Sie Anlagen außerhalb der Mediation“, fragte Räther erneut. Die erneute Nachfrage wurde versucht, mit einer möglichen Bürgerbeteiligung zu beschwichtigen. Denn nur wenn alle sieben Anlagen errichtet würden, gebe es zwei Anlagen mit Beteiligung und momentan seien nur drei Anlagen sicher. „Bitte halten Sie sich an den Vertrag und versuchen es nicht durch die Hintertür“, forderte Räther.

Das RP versuchte zu beschwichtigen und macht deutlich, dass in diesem Fall noch Gesprächsbedarf bestehe und klärende Gespräche noch anstehen würden. Die Anlage sei bisher noch gar nicht genehmigt.

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Manfred Bender und Dr. Ivo Gerhards vom RP Gießen machten deutlich, dass sie gesetzlich Vorgaben erfüllen müssen.

Berechnetes Sichtfeld beträgt fünf Kilometer

Stefan Georg aus Rainrod wollte vom RP wissen, wie die Rechnung mit den 80 Grad rund um Rainrod zustande kommt. Er wohne nur 100 Meter vom genannten Kirchturm entfernt und habe heute schon einen Blick auf 50 bis 60 Anlagen. Außerdem befürchtete er, falls alle Anlagen rund um Rainrod zustande kommen nachts eine richtige Lichtorgel. Dr. Gerhard erklärte, dass sich im Genehmigungsverfahren das Sichtfeld auf einen Radius von fünf Kilometern beschränke. Des Weiteren fragte Georg nach, wie es denn sein könne, dass man drei Anlagen aus dem Verfahren herausnehme, um die anderen vier schneller bauen zu können? „Da haben Sie recht. Der Antragsteller darf das. Das ist rechtlich so“, so Gerhards. Man wolle dort niemanden hinter das Licht führen, jedoch komme es zu keinem öffentlichen Verfahren. Die gesetzlichen Vorgaben würden das zulassen.

Wie verhält es sich dann mit sogenannten Summierungseffekten? Muss man Beschattungseffekte oder Schall nicht in der Gesamtheit betrachten, wollte Georg wissen. In der Tat spreche man von einer sogenannten Vorbelastung. Die Projektierer würden ein wenig Salami Taktik betreiben. Wer zuerst mit dem Bau an die Reihe komme, habe einen Vorteil, denn für alle nachfolgenden Projekte blieben nur noch die Restrichtwerte, bestätigten die Vertreter vom RP.

Zu hohe Konzentration an Windkraftanlagen bemängelt

Jürgen von Dörnberg wendete ein, dass man beim Bau von bereits bestehenden Windkraftanlagen rund um die Burg Herzberg den Aspekt des Denkmalschutzes vernachlässigt habe. Auf seine Eingaben, die er an das RP geschrieben habe, habe er nie eine Antwort bekommen. Mittlerweile würden rund um die Burg 35 Windräder im direkten Sichtfeld stehen. Er wünsche sich eine klare Aussage, dass dort keine weiteren Anlagen mehr entstehen sollen. Bender antwortete ihm, dass sich die Behörde sehr wohl an die Vorgaben des Denkmalschutzes gehalten habe und neun von elf Anlagen genehmiungsfähig waren. Es sei alles berücksichtigt worden und man habe sich damals auch vor Ort ein Bild gemacht. „Ich weiß, dass Ihnen die Antwort nicht gefällt“, so Bender. „Bei mir auf der Burg habe ich niemanden von der Behörde gesehen“, entgegnete von Dörnberg.

Roland Ermel aus Zell bekräftigte, dass er sich die Mühe gemacht habe und alle sichtbaren Anlagen rund um sein Haus gezählt habe. Von Zell aus seien 116 Windkraftanlagen zu sehen. Woanders würden durch die produzierte Energie Arbeitsplätze entstehen. Aber vor Ort leide der Tourismus und es werde immer hässlicher. Er selbst unterstütze die Windkraft, jedoch seien es mittlerweile zu viele Anlagen in der Region.

„Dem Kommentar kann ich einiges abgewinnen, eine bessere Verteilung wäre wünschenswert“, antwortete Paule. Die Stadt habe sich selbst im Jahr 2012 für den Windkraftstandort Alsfeld eingesetzt. Um die gewünschten Standorte zu bekommen, habe man den unliebsamen Kompromiss mit Elbenrod und Fischbach eingehen müssen. Denn die Stadt habe sich dagegen entschieden eingesetzt. „Wir mussten die Kröte Fischbach und Elbenrod Nord schlucken. Dafür haben wir die drei gewünschten Flächen bekommen.“

Ein Gedanke zu “Kaum Interesse an Bürgerversammlung Windkraft

  1. Warum ist kein Interesse? Weil alles eine abgekartete Sache ist ohne eine wirkliche Bürgerbeteiligung. Jeder der Einwände erhebt wird niedergemacht, oder es wird gesagt „die gesetzlichen Bestimmungen“ wer macht das Gesetz? Die Lobbyisten bestimmen die sogenannten Volksvertreter beschließen.Die dann nichts mehr vor der der nächsten Wahl wissen wollen.
    Sagen sie mir mal welche Bürgerbeteitigung ein Windrad verhindert hat?

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