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Am Tag der offenen Tür bei der STI Group in Lauterbach durften die Besucher der traditionellen Gautschfeier beiwohnenEiskaltes Wasser und drei Schläge auf den Hintern

LAUTERBACH (cdl). Wenn es um die Schwarze Kunst geht, dann hat das nichts mit schwarzer Magie zu tun, sondern bezeichnet den Beruf des Drucktechnikers. Nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung verlangt eine uralte Tradition aus dem 16. Jahrhundert das sogenannte Gautschen der Absolventen. Bei der STI Group in Lauterbach pflegt man die Tradition und somit mussten sich am Samstagvormittag am Tag der offenen Tür gleich sechs Junge Leute von der STI Group, dem Verlag + Druck Linus Wittich, dem team digital sowie der JD Druck der Zeremonie unterziehen.

In diesem Jahr wohnten der Zeremonie weit über tausend Besucher bei, denn die STI Group hatte gleichzeitig zum Tag der offenen Tür eingeladen, um der Bevölkerung das neue Offset-Druckzentrum vorzustellen. Trotz schlechten Wetters strömten die Besucher am Morgen an den Lauterbacher Unternehmensstandort und nutzten die Gelegenheit an einer Werksbesichtigung teilzunehmen. Bis zu 800 Leute sollen nach ersten Angaben gleichzeitig in den Maschinenhallen unterwegs gewesen sein.

Gautschfeier

Bevor es mit der Gautschfeier losging, stellten (v.l.) Werksleiter Michael Busold, Pressesprecherin Claudia Rivinius und Geschäftsführer Michael Apel das „Strumpf-Spiel“ vor.

Highlight des Tages war die Gautschfeier

Aber gegen 11.30 Uhr änderte sich das zwischenzeitlich schlagartig, denn die traditionelle Gautschfeier wollte schließlich niemand verpassen und so füllte sich der Werkshof zusehends. In historischen Gewändern betrat der Gautschmeister gemeinsam mit dem ersten und zweiten Packer sowie dem Schwammhalter die zur Bühne umfunktionierte Laderampe.

Der Gautschmeister verlas von einer Papyrusrolle das Ritual und informierte dabei die Besucher darüber, was sie bei der Gautschfeier erwartet. Die ausgelernten Lehrlinge werden in einem mit Wasser befüllten Holzfass symbolisch von Druckerschwärze und schlechten Taten befreit, so die Kurzfassung. Dokumentiert wurde die Freisprechung der Auszubildenden anschließend durch die Überreichung des Gautschbriefs.

Dann folgte das Spektakel. Einziger Trost für die sechs jungen Leute war, dass auch die vielen Zuschauer nass wurden, weil es zu regnen begann.

Gautschfeier

Die sechs jungen Leute wussten bereits seit Wochen, was auf sie zukommt.

Die traditionelle Gautschfeier hat sich im Laufe der Zeit leicht verändert

Vor einigen Jahren noch wurde das Gautschen noch nicht angekündigt und die Lehrlinge hatten die Aufgabe vor den Packern zu fliehen. „Das hat früher zu amüsanten Jagdszenen quer durch das Unternehmen geführt“, berichtet ein ehemaliger Auszubildender. Bei der offiziellen Zeremonie am Samstag hatten die Lehrlinge dazu nicht die Möglichkeit und die versuchte Flucht wurde schauspielerisch aufgeführt.

Der Eingefangene wurde dann wiederum nach altem Brauch zum Stuhl mit nassen Schwämmen getragen. Es folgte das Überschütten mit mehreren Eimern voll mit eiskaltem Wasser und dem anschließenden Bad in der eiskalten Tonne. Direkt im Anschluss muss ein Bierkrug in einem Zug gelehrt werden, bevor der fertig Ausgebildete drei Schläge auf den Hintern bekommt. „Die Härte der Schläge wird nach den Leistungen und dem Benehmen während der Lehrlingszeit bemessen“, erklärt ein ehemaliger Auszubildender. Er habe sogar einmal erlebt, wie der Stock durch den Schlag zerbrochen sei.

Am heutigen Tag war das nicht der Fall, was wohl auf sehr gute Leistungen der frisch Ausgebildeten schließen lässt. Außerdem müssen sich seit gut und gerne 15 Jahren auch die Mediengestalter dem Gautschen unterziehen und so wurden die beiden jungen Damen mit einem Klaps auf den Hintern bedacht.

Gautschfeier

Die Ausholbewegung ließ nichts Gutes erahnen.

Wer seinen Gautschbrief verliert muss die Gautschfeier wiederholen

Den Gautschbrief sollte man gut aufbewahren, denn wenn man ihn bei einem Arbeitsplatzwechsel nicht vorlegen kann, muss man sich erneut der Zeremonie unterziehen. Daher musste ein weiterer Mitarbeiter, der seinen Gautschbrief nicht vorzeigen konnte, nochmals gegautscht werden. Er nahm es aber mit großem Humor und hatte sichtlich Spaß daran.

Doch bei einer traditionellen Gautschfeier wird man nicht nur nass und muss frieren, sondern muss gleichzeitig tief in die Tasche greifen. „Es gehört ebenfalls zum Brauch, dass die ausgelernten von ihrem kompletten ersten Monatsgehalt eine Feier veranstalten müssen“, berichtet ein Ehemaliger. Die Feier verlaufe oft sehr ausschweifend, da ein gehöriges Budget zur Verfügung steht. Wann und wo sie stattfindet, wurde nicht überliefert.

Im Anschluss ging der Tag der offenen Tür munter weiter. Die Jüngsten hatten die Hüpfburg fest im Griff und an den Essensständen bildeten sich lange Schlangen. Die Führungen durch das neue Offset-Druckzentrum gingen nahtlos weiter. Dort konnten die Besucher die neue Druckmaschine in Aktion erleben. Gedruckt wurde das „Strumpf-Spiel“, das alle Besucher mit nach Hause nehmen konnten.

Die Bildergalerie zur Gautschfeier und vom Tag der offenen Tür

 

 

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