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66. Hersfelder Festspiele: Schauspiel der Extraklasse mit starken aktuellen BezügenFilmstars hautnah bei Wedels Festspielen

BAD HERSFELD. Es war die Überraschung des Tages: Motsi Mabuse gibt bei den Hersfelder Festspielen ihr Schauspieldebüt. Unauffällig saß die als Tänzerin bekannte Südafrikanerin auf der gestrigen Pressekonferenz zwischen den Gästen, bis Intendant Dieter Wedel sie als „Tituba“ in „Hexenjagd“ vorstellte – dann prasselte ein Blitzlichtgewitter auf das Jurymitglied der RTL-Show „Let’s dance“ nieder. Überhaupt: Es war ein großes Aufgebot an namhaften Schauspiel-Stars und Vertretern der regionalen und überregionalen Presse. Wenn Dieter Wedel ruft, kommen sie eben alle – der Wedel-Effekt.

So ist es nicht verwunderlich, dass Wedel – zum zweiten Mal Intendant der Hersfelder Festspiele – für die 66. Saison eine große Zahl von bekannten und erfolgreichen Schauspielern gewinnen konnte. Auch welche, die noch nie mit dem Regisseur zusammengearbeitet hatten, jetzt aber die Chance nutzen wollten, es endlich nachzuholen – beispielsweise der inzwischen 80-jährige Horst Jansen, der jedem mindestens aus der „Sesamstraße“ ein Begriff sein dürfte. Aber auch André Hennicke, vielleicht nicht so bekannt, der aber – so Wedel – konzentriert und kraftvoll seine Rollen ausfüllt, so dass er mit besonderer Qualität immer wieder überzeuge.

Zog die Blicke auf sich, als er den Raum betrat: Intendant Dieter Wedel.

Zog die Blicke auf sich, als er den Raum betrat: Intendant Dr. Dieter Wedel. Alle Fotos: Anja Kierblewski

Der 73-jährige Wedel und sein Stellvertreter, Regisseur und künstlerische Leiter Joern Hinkel stellten in der Pressekonferenz im Hotel „Am Kurpark“ ein Teil des Ensembles vor: Die aus dem Fernsehen als Tierärztin Dr. Mertens bekannte Elisabeth Lanz, Opernsänger und Moderator Gunther Emmerlich, Robert Joseph Bartl – bekannt aus „Polizeiruf 110“ oder „Hubert und Staller“ – und Journalistin und Schauspielerin Franziska Reichenbacher, die einst durch die Ziehung der Lottozahlen in der ARD bekannt wurde. Wenn auch nicht vor Ort, aber dennoch im Ensemble dabei sind renommierte Schauspieler wie der Charakterdarsteller Richy Müller, Ilja Richter, Jasmin Tabatabai, Christian Nickel, Hans-Peter Hallwachs, Getraud Jesserer und Brigitte Grothum. Und auch ein Wiedersehen mit Rudolf Krause, Markus Majowski und Ulrich Bähnk sowie Justus und Mathieu Carrière wird es geben.

Das Gewicht der Festspiele liegt auf dem Schauspiel

Wedel legt nicht ohne Grund Wert auf solch ein Staraufgebot. „Das Gewicht dieser Festspiele liegt auf dem Schauspiel – das hier ist ein großes Schauspielfestival“, und hält sich auch nicht damit zurück, seinen Wunsch zu äußern, das Hersfelder „Spektakel“ so zu etablieren, wie es die Richard-Wagners-Opernfestspiele in Bayreuth sind. So sucht er beispielsweise trotz der großen Musical-Tradition der Stadt für das erstmals in Hersfeld gespielte Musical „My Fair Lady“ keine Sänger und Musicaldarsteller sondern Schauspieler, die auch singen und tanzen können – wie Ilja Richter und Gunter Emmerich. Wer allerdings die Hauptrolle der Elisa übernehme, sei noch nicht klar. „Es stehen zwei gute Schauspielerinnen zur Diskussion, der Regisseur und ich müssen uns nur noch einigen.“

Sympathisch und publikumsnah präsentiert sich Elisabeth Lanz vor und außer Sicht der Kameras.

Sympathisch und publikumsnah präsentiert sich Elisabeth Lanz vor und außer Sicht der Kameras.

Fest steht allerdings das Stück, das zur Premiere am 24. Juni des bundesweit bedeutenden Freilicht-Theaterfestivals gespielt wird: Arthur Millers Klassiker „Hexenjagd“. Ein Stück, das sich mit einem zeitlosen Thema beschäftigt, für das sich Star-Intendant Dieter Wedel, der selbst Regie führen wird, allerdings die Erlaubnis eingeholt hat, es umschreiben zu dürfen – denn es sei aktueller denn je. Täglich erlebe man in den sozialen Netzwerken sogenannte „shitstorms“, die seiner Meinung nach nichts anderes als moderne Hexenjagden seien. Neid und Missgunst führten on- und offline zu Hetze und Verunglimpfungen. Die Mechanismen einer Hexenjagd, die psychologischen Grundlagen und die Rollen seien daher übertragbar. Daher gibt Wedel seiner modernen Inszenierung den Untertitel „…und morgen sind vielleicht Sie dran!“

Mit einbezogen wird bei diesem Thriller und politischen Stück die Krypta der alten Stiftsruine. Zwar ist diese während der Festspiele verbaut, Wedel wird aber bereits im Vorfeld dort Filmszenen im Stil der 30er Jahre drehen, die dann während der Aufführung eingespielt werden – zur Überraschung der Darsteller, die davon auch erst während der Pressekonferenz erfuhren. „Ich möchte die Spielorte erweitern“, gibt er als Grund an, und: „Die Zuschauer, die in den hinteren Reihen sitzen, können die Schauspieler dann auch mal in Groß sehen.“ Denn, so ist sich der Intendant sicher, die Menschen würden zu den Festspielen kommen, um die aus Funk und Fernsehen bekannte Schauspieler auch mal live zu sehen.

Gelebte Intergration: Henkels Inszinierung von „Krabat“

Die Stücke, die Wedel für diese Saison – die vom 24. Juni bis 28. August, vierzehn Tage länger als bisher, dauert – aufführt, sind mit Bedacht gewählt. Sie seien wie ein Schwamm, der die Gegenwart aufsaugt. „Sie erzählen von Nachbarn und Menschen, die man bisher nicht verstehen konnte.“

So verwundert es auch nicht, dass der künstlerische Festspielleiter Joern Hinkel das preisgekrönte Jugendbuch von Otfried Preußler „Krabat“ inszeniert – mit vielen jungen Menschen, teilweise auch Flüchtlingen, die sowohl auf der Bühne als auch hinter den Kulissen mitwirken. „Während der Proben hören wir von ihren Geschichten und es kann sein, dass sie in ihrer Landessprache auch etwas auf der Bühne zum Besten geben“, so der Regisseur. Der Mitvierziger skizziert kurz den Inhalt des Stückes, in dem es um Verführbarkeit geht – schwarze Magie, Gruppendynamik und den Teufel, so dass das Stück trotz der aktuellen Flüchtlingssituation auch Verbindung zu Goethes Klassiker „Faust“ aufnimmt.

Regiesseur Joern Hinkel bezieht in seinem Stück "Krabat" viele junge Menschen mit ein - auch Kinder und Jugendliche, die in Deutschland eine neue Heimat suchen.

Regisseur Joern Hinkel bezieht in seinem Stück „Krabat“ viele junge Menschen mit ein – auch Kinder und Jugendliche, die in Deutschland eine neue Heimat suchen.

Sieben neue Stücke gibt es in der diesjährigen Festspielsaison zu sehen, zwei Stücke – das Vorjahresmusical „Cabaret“ und Hinkels „Sommernachts-Träumereien“ – werden wieder aufgenommen. „Letztes Jahr war die Nachfrage so groß, dass wir nicht mehr genügend Tickets hatten“, erklärt Wedel die Entscheidung. Apropos Tickets: 110.000 Stück wollen die Verantwortlichen dieses Jahr verkaufen. Denn der Rekordetat von 7,1 Millionen Euro muss wieder eingespielt werden – trotz erhöhten Förderungen von Bund und Land. Doch Wedel ist zuversichtlich, denn bereits drei Monate vor der Eröffnung gibt es ausverkaufte Vorstellungen.

Erweiterte Schauplätze sowie Opern, Konzerte und Lesungen

Abgerundet wird das große Programm auf der Bühne der Stiftsruine – die übrigens deutschlandweit die einzige Open-Air-Festival-Bühne ist, bei der die Zuschauer bei schlechtem Wetter im Trockenen sitzen – durch Aufführungen im nebenan stehenden Theaterzelt und dem Schloss Eichenhof. Im Theaterzelt wird das Grimm-Märchen „Die Goldene Gans“ gezeigt und von Franziska Reichenbacher nacherzählt. Im Schloss Eichenhof wird die französische Komödie „Unsere Frauen“ gezeigt, in der es ein Wiedersehen mit Charakter-Mime Mathieu Carriére gibt. Neu dort im Programm „Laurel & Hardy“, besser bekannt als „Dick & Doof“. Mit diesem Stück hat Tom McGrath dem größten Komiker-Duo der Filmgeschichte ein heiter-melancholisches Denkmal gesetzt – ein Portrait eines Künstlerpaares, das bis heute durch seine charmante Komik, seinen Slapstick und eigensinnigen Dialogwitz begeistert und berührt.

Als der Anruf ihrer Agentin kam, dass Dieter Wedel sie als Schauspielerin engagieren wollte, glaubte sie, sie werde veräppelt. Ihre pulsierende Lebensfreude, ihr sympathisches "Radebrechen" und Präsenz haben gereicht - auch ohne Probeaufnahmen - um die Rolle der Tituba in "Hexenjagd" zu bekommen.

Als der Anruf ihrer Agentin kam, dass Dieter Wedel sie als Schauspielerin engagieren wollte, glaubte sie, sie werde veräppelt. Ihre pulsierende Lebensfreude, ihr sympathisches „Radebrechen“ und Präsenz haben gereicht – auch ohne Probeaufnahmen – um die Rolle der Tituba in „Hexenjagd“ zu bekommen.

Bereits in der vergangenen Saison kündigte sich an, dass in 2016 auch Opern- und Klassikkonzerte mit auf dem Programm stehen werden. Geplant sind nun zwei Aufführungen von „Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi mit grandiosen Solisten, dem neu gegründeten Hessischen Konzert und Festspielchor mit rund 100 Mitgliedern und dem Karlsbader Sinfonieorchester. Dirigiert werden diese von Ulrich Manfred Metzger. Zum ersten Mal in der Stiftsruine, gleichzeitig aber auch auf seiner Abschiedstournee ist Tenor René Kollo. Der aus einer Berliner Musikdynastie stammende Sänger wurde insbesondere durch seine Partien in den Wagner-Opern bekannt.

Mit Spannung erwartet werden dürfen auch „gute Freunde“ von Wedel und den engagierten Schauspielern, die an den verschiedenen Spielorten der Ruine Lesungen halten werden. Mehr wollte Wedel noch nicht verraten. „Begleiten Sie uns wohlwollend“ – bat er um Zugewandtheit. Dabei hatte er nicht nur die Presse im Blick, sondern richtete seinen Wunsch auch an die vielen Sponsoren und Förderer, wie den „Freundeskreis Stiftsruine“ oder den neue Förderern, die sich in der Mainmetropole unter dem Engagement von der ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth zusammengefunden haben.

Anja Kierblewski

 

Ein Teil des Ensembles der Spielsaison 2016: Horst Janson, Bgm. Thomas Fehling, Motsi Mabuse, Gunter Emmerlich, Dieter Wedel, Robert Joseph Bartl, Elisabeth Lanz, Franziska Reichenbacher und André Heinnicke (v.l.)

Ein Teil des Ensembles der Spielsaison 2016: Horst Janson, Bgm. Thomas Fehling, Motsi Mabuse, Gunter Emmerlich, Dieter Wedel, Robert Joseph Bartl, Elisabeth Lanz, Franziska Reichenbacher und André Heinnicke (v.l.)

Presserummel: Bundesweit über 60 Medienvertreter von Film, Funk und Print waren der Einladung zur Pressekonferenz ins Hotel "Am Kurpark" nach Hersfeld gefolgt.

Presserummel: Bundesweit über 60 Medienvertreter von Film, Funk und Print waren der Einladung zur Pressekonferenz ins Hotel „Am Kurpark“ nach Hersfeld gefolgt.

Hersfelder Festspiele (1 von 31)

Am Anfang unentdeckt im Publikum: Tänzerin Motsi Mabuse.

Zufällig wiedergetroffen: Die gebürtige Alsfelder Sonja Fouraté geb. Horchler twitterte für den Hessischen Rundfunk fleißig direkt aus der Pressekonferenz.

Zufällig wiedergetroffen: Die gebürtige Alsfelderin Sonja Fouraté geb. Horchler twitterte für den Hessischen Rundfunk fleißig direkt aus der Pressekonferenz.

Schauspielerin Elisabeth Lanz mit Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling.

Schauspielerin Elisabeth Lanz mit Hersfelds Bürgermeister Thomas Fehling.

Bürgermeister Thomas Fehling übernahm die Begrüßung und dankte bei der Gelegenheit nicht nur den Schauspielern für ihr Engagement, sondern auch den vielen Sponsoren und Förderern der Hersfelder Festspiele.

Bürgermeister Thomas Fehling übernahm die Begrüßung und dankte bei der Gelegenheit nicht nur den Schauspielern für ihr Engagement, sondern auch den vielen Sponsoren und Förderern der Hersfelder Festspiele.

Horst Janson - der 80-Jährigen ist vielen bekannt als "Bastian" aus der Sesamstraße.

Horst Janson – der 80-Jährige ist vielen bekannt als „Bastian“ aus der Sesamstraße.

Elisabeth Lanz - dem Fernsehpublikum bekannt aus der Erfolgsserie "Tierärztin Dr. Mertens" gibt ein wenig Preis, was sie über ihre Rolle denkt... und warum sie so gerne wieder in Hersfeld spielt.

Elisabeth Lanz – dem Fernsehpublikum bekannt aus der Erfolgsserie „Tierärztin Dr. Mertens“ gibt ein wenig Preis, was sie über ihre Rolle denkt… und warum sie so gerne wieder in Hersfeld spielt.

Mal am Rande Platz genommen haben Dieter Wedel und Bürgermeister Thomas Fehling, als Regisseur Joern Hinkel die Moderation übernahm.

Mal am Rande Platz genommen haben Dieter Wedel und Bürgermeister Thomas Fehling, als Regisseur Joern Hinkel die Moderation übernahm.

Horst Janson wollte immer schon mit Dieter Wedel zusammen arbeiten - jetzt hat er die Gelegenheit dazu.

Horst Janson wollte immer schon mit Dieter Wedel zusammen arbeiten – jetzt hat er die Gelegenheit dazu.

Dr. Dieter Wedel - im zweiten Jahr Intendant der Hersfelder Festspiele - kam ein wenig ins Plaudern... und erzählte die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben.

Dr. Dieter Wedel – im zweiten Jahr Intendant der Hersfelder Festspiele – kam ein wenig ins Plaudern… und erzählte die eine oder andere Anekdote aus seinem Leben.

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