Wirtschaft6

Immer mehr Läden schließen in der Ohmstadt – Homberger Gewerbeverein will mit einer Aktion wach rütteln: Schaufenster werden verhängtSchwarze Tücher führen das Sterben vor Augen

HOMBERG/OHM. Gerade am heutigen Dienstag kam wieder in den Nachrichten: Der Online-Handel legt zu, macht inzwischen zwölf Prozent des Gesamthandels aus – und das hören Einzelhändler nicht gerne, die ihre Waren zum Anfassen anbieten. Sie leiden zunehmend Not. In Homberg/Ohm ist die Not jetzt so groß, dass die Geschäftsinhaber der Frankfurter Straße eine drastische Aktion starten: Sie verhüllen ab morgen für Tage ihre Schaufenster mit schwarzem Stoff und einem Plakat. Es ist ein Appell an die Kundschaft.

Die Frankfurter Straße ist Hombergs Einkaufsstraße in der Altstadt: Auf mehreren Hundert Meter Länge reihen sich die Läden und Cafés am Hang zu Füßen des Schlosses auf, unterbrochen nur vom Rathaus. Doch die Reihen lichten sich, wissen auch Ulrike Sowa und Stephanie Viehl, zwei Einzelhändlerinnen, die sich an der Aktion beteiligen. Erstere betreibt einen kleinen Buchladen, Stephanie Viehl ein Schuhgeschäft. Beide gehören zu den Aktiven im Homberger Gewerbeverein, der in den letzten Jahren durch Auflösungserscheinungen von sich reden machte. Die Folge einer wahren Depressionsstimmung über der Frankfurter Straße.

Kein Wunder: Die Reihe der Schließungen auch alteingesessener Geschäfte wurde immer länger. Haushwaltswaren Geibel, Schuhhaus Perpedes, der Raumausstatter Bieger, Elektro Ringsdorf, Kinderbekleidung Peppino, Schlecker – das sind nicht alle. In einigen Fällen wurde das Geschäft altersbedingt aufgegeben. Aber: „Die Inhaber finden keine Nachfolger“, erklärt Ulrike Sowa. Woher denn auch, meint sie: Das Geschäft wird immer schwieriger.

Groll über den „Beratungsklau“

Einen Grund sehen die beiden im Internet-Angebot und einem gedankenlosen Kunden-Verhalten, gegen das Einzelhändler sich vergeblich mit Aktionen anstemmen. Zum Beispiel mit ihrem Spieleabend, erklärt die Buchhändlerin. Jahrelang habe sie dazu eingeladen, doch Spiele verkaufte sie dadurch nicht mehr. Aber ihre Kunden seien enttäuscht gewesen, als sie damit aufhörte – ohne zu verstehen, dass die Händlerin die Aktion nicht nur zum eigenen Vergnügen veranstaltete, sondern gerne dazu auch mal ein Spiel mehr verkauft hätte.

Ulrike Sowa grollt mit dem verbreiteten „Beratungsklau“: wenn Kunden bei ihr Spiele anschauen, sich vorführen und sogar auspacken lassen – aber dann die Ware im Internet kaufen, weil sie dort billiger sei. „Bei mir heißt es dann: Das muss ich mir noch überlegen!“

Auch Stephanie Viehl kennt ähnliches Verhalten. Sie übernahm den Generationenbetrieb Seibel, und sie stellte bei Recherchen fest: „Wenn ich immer mal im Internet schaue, dann sehe ich, dass die Schuhe gar nicht immer billiger sind.“ Aber im Online-Angebot gibt es eine Sorte Schuhe gleich in zehn verschiedenen Ausführungen. „So viele kann ich nicht vorrätig haben.“ Aber bei ihr kann man die Ware anprobieren.

Aktionen und Feste fruchteten nicht

Ware probieren und sich beraten lassen, kann man entlang der ganzen Frankfurter Straße. Aber auch trotz der Neugestaltung des Straßenzuges vor Jahren erleben die Geschäftsinhaber dort keinen Stopp der Erosion – aller Feste und Aktionen zum Trotz. Dabei erinnern Stephanie Viehl und Ulrike Sowa gerne an das Kinderfest, das bis vor wenigen Jahren sommertags rund um Rathaus stattfand. „Da kamen Besucher auch von weit her!“, betont die Buchhändlerin. Das Angebot reichte von Streetdance bis zum verkaufsoffenen Sonntag. Indes: Waren die Stände erst wieder abgebaut, nutzten die Autofahrer die Frankfurter Straße vor allem nur noch zum Durchbrausen – manchmal mit viel Tempo, setzt sie hinzu.

Dabei äußern die beiden Aktivistinnen sich auch selbstkritisch: Lange Zeit habe der Gewerbeverein es vielleicht zu ruhig angehen lassen. Aber der depressiven Phase folge gerade neuer Schwung: „Wir sind in einer Aufrüttel-Phase“, sagt Stephanie Viehl. Sie gehört neben dem Textilhändler Michael Metz als Vorsitzendem und dem Metzger Wolfgang Danzeisen zu dem dreiköpfigen Vorstand, der den Gewerbeverein neu beleben möchte.

Motto: „Denk weiter Kauf um die Ecke“

Dazu zählt auch die Aktion, die morgen früh beginnen soll: Bis Sonntag werden alle Schaufenster zugehängt und bekommen ein Plakat: „Denk weiter Kauf um die Ecke“, steht darauf und soll der Kundschaft verdeutlichen: Der heimische Handel ist mehr als ein anonymes Warenangebot, erläutert Stephanie Viehl.“Das ist offenbar vielen Leuten nicht bewusst.“ Die heimischen Geschäfte bieten Beratung, Vorführung – beleben dazu die Innenstadt, halten die Häuser in Schuss, „und wir bieten auch Arbeitsplätze mit gerechter Bezahlung!“ Und zwar in der Nähe.

Betroffen sind 35 Geschäfte an der Frankfurter Straße inklusive Café und Imbiss: Optiker, Apotheken, Schreibwaren- und Buchgeschäfte, der Friseur, das Modegeschäft. Schwarze Schaufenster sollen vor Augen führen, was passiert, wenn nur noch vom Sofa aus bestellt wird. „Dann tut sich hier nichts mehr!“

Diesmal aber bleibt die düstere Szene nur bis zum Sonntag: Dann kommt das Schwarz ab, und die Schaufenster leuchten wie gewohnt.

von Axel Pries

 

6 Gedanken zu “Schwarze Tücher führen das Sterben vor Augen

  1. Auch wir tätigen so gut es geht unsere Einkäufe in Homberg und ich bin dabei auch gerne bereit, etwas mehr dafür zu bezahlen. Ich gerate in Homberg als Käufer aber bei vielen Produkten schnell an Grenzen, wenn ich bzgl. Auswahl nicht unbedingt nehmen will, was gerade da ist. Dies meine ich auch NICHT als Vorwurf an den Einzelhandel. Man kauft eben z. B. nicht irgend einen Anzug oder irgend ein Hemd, sondern lieber die Marke, die Qualität, die Paßform und die Größe, die dem eigenen Wunsch am genauesten entspricht.

    Der „Missbrauch der Beratung“ erfolgt ja mittlerweile sogar teilweise umgekehrt zu Gunsten der heimischen Betriebe: Wir haben uns kürzlich bei einem der großen Elektro-Discounter bzgl. aktuellen Spülmaschinen (durchaus gut) beraten lassen und uns diese Geräte vor Ort angesehen, um uns jetzt einen Homberger Betrieb zu suchen, der uns evtl. dieses Gerät verkauft.

  2. Vielen Dank für die Rückmeldungen natürlich auch für die kritischen, wir wollen ja ins Gespräch mit Ihnen kommen.

    Geld ist mittlerweile bei vielen knapp, deshalb 2 kurze Gedanken dazu: Aufgrund von preisaggressiver Werbung haben einige große Firmen inzwischen ein billig-Image, wenn man aber die Produkte vergleicht, die nicht gerade im „Super-Sonder-Angebot“ sind, sind die kleinen Fachgeschäfte häufig nicht teurer oder sogar billiger.
    Zum zweiten Gedanken schlage ich vor, dass Sie sich auf der Startseite von buylocal.de das Video ansehen, welches die Bedeutung von kleinen Geschäften vor Ort sehr gut erklärt. Wenn Ihr Geld vor Ort kreist, bekommen Sie etwas davon zurück, auch wenn Sie das vielleicht nicht wahrnehmen. Höhere Gewerbesteuereinnahmen verhindern vieleicht die nächste Eintrittspreiserhöhung im Schwimmbad oder ermöglichen eine vergünstigte kulturelle Veranstaltung. Auch viele Vereine sind auf die Unterstützung der kleinen Geschäfte vor Ort angewiesen (Werbung, Sachspenden für Tombola, etc.), hat Ihr Verein nicht auch schon davon profitiert?

    @Ex-Plondine:
    Es sollte keine „alte Gewohnheit“ sein, dort zu kaufen, wo man anprobiert oder sich beraten lässt. Verkäufer/innen opfern nämlich nicht ihre Zeit, sondern sie erbringen eine Dienstleistung, die über den Verkaufspreis mitbezahlt wird und die Sie nur bezahlen brauchen, wenn Sie am Ende das Produkt auch haben wollen. Wenn Sie das Produkt nach Beratung und Anprobe zB im Internet bestellen, weil es da ein paar Euro günstiger ist, dann ist es deshalb billiger, weil die Dienstleistung „Anprobe“ und „Beratung“ woanders erbracht wurde.

    In Ihrem Kommentar sind einige weitere Punkte enthalten, die ich bzw. wir vom Gewerbeverein gerne persönlich, natürlich bei einer Tasse Kaffee, die es bei uns auch gibt, besprechen würden. Wäre schön, wenn Sie sich melden. Vielen Dank.

    @dieter bach:
    Vielen Dank für die sehr positive Rückmeldung. Ich hoffe diejenigen, die so denken, werden bald wieder mehr!

    Michael Metz
    (Gewerbeverein + Modehaus Metz, Homberg)

  3. Das Übel an der Wurzel war die Umstellung von DM auf EURO. Die Menschen haben immer weniger Geld zur Verfügung und die Steuern werden immer mehr. Z.B. Grundsteuer, wo gleich der Betrag verdoppelt wird oder andere Gebühren, wo von heute auf morgen einfach das Doppelte abkassiert wird.
    Das dadurch jeder gezwungen ist jeden EURO dreimal herumzudrehen und auf die Preise geschaut wird dürfte doch kar sein!
    – Das sich kleine Läden nicht halten können ist eine Entwicklung, die im Kapitalismus und in Zeiten des Internets nicht mehr aufzuhalten ist, das dürfte doch jeden kalr sein.
    – Es wird in Zukunft immer weniger Geschäfte geben, aber dafür nur noch große „Supermärkte“!
    – Eine Alternative ist, das die kleinen Geschäfte als Wohnungen umgebaut werden, oder das daraus Büroräume entstehn.

  4. Ein Geschäft ist eben ein Geschäft sonst wird es bald zu einem Konkurs.
    Vor allem sollte sich die Politik heraushalten bei dem was in Homberg noch unbedingt gebraucht wird oder nicht. Weitere Steuergelder mit der Gießkanne (Touristenbüro)zu verplempern macht keinen Sinn.
    Wenn die Bürger nicht hingehen verläuft sich alles im Sand wie beim Café Jux!

    Wir Bürger lassen uns sowieso nicht bevormunden wo und bei wem wir kaufen!

    Die Misere kommt doch daher, dass wir seit der Euroumstellung kein höheres Realeinkommen zur Verfügung haben.
    Daran ist in erster Linie die Politik und auch die in unserer Gemeinde schuld,die jetzt die Grundsteuer wegen hoher Ausgaben für gefällige Gutachten erhöht.
    Natürlich werden die Steuerhebesätze mit Lauterbach verglichen und bis zu dem von Frankfurt ist ja noch viel Luft.
    Als Mieter sind die Gebühren für daß Niederschlagswasser auch ein Griff in unseren Geldbeutel.
    Der Gewerbeverein i.A.ist da hilflos und zu spät dran.
    Wir müssen in erster Linie sehen, daß wir alle Möglichkeiten nutzen um über die Runden zu kommen.
    Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

  5. Ja, Schwarze Tücher, warum gerade jetzt und nicht schon viel früher.
    Ich als Homberger kaufe alle meine Sachen in der unserer Stadt.
    Sei es Bücher, Schuhe, Eelkrogeräte, etc.
    Ich habe eine tolle Beratung, bei Großgeräten werden mir die Sachen
    Nachhause geliefert angeschlossen, die Verpackung wird mitgenommen.
    Brauchen wir da Bestellungen über das Inernet, ich sage Nein.
    Jedenfalls nicht in diesen Ausmaß. Was die Preise angeht, spare ich nichts. Bei jeder Bestellung werden Versankosten fällig, bei nicht gefallen alles wieder einpacken zur Post laufen oder fahren, in der Schlange stehen, weil so viele Personen über das Internet bestellen.
    Mir ist dies alles viel zu Umständlich, von den Umweltkriterien ganz zu
    schweigen, auf den Autobahnen Kilometrlange LKW, s die das Gerümpel
    Hin und Her fahren.
    Ich wünsche mir, das wir alle Einwenig umdenken sollten.

  6. Generell ist es ja so, dass die Leute immer weniger Geld haben und deshalb mitunter gezwungen sind, ihre Sachen, die sie früher im Laden gekauft haben, online zu bestellen und so ihr Geld zu sparen. Natürlich würde ich es auch schöner finden, wenn man wieder zu den „alten Gewohnheiten“ zurückfindet und sich lieber die Schuhe im Laden kauft, indem man sie auch anprobiert hat oder das Geld im Geschäft zu lassen, das seine Zeit für die Beratung geopfert hat. Aber es macht eben einen riesigen Unterschied, ob ich zum Beispiel für einen Fernseher in einem kleinen Laden in Homberg 799 Euro bezahle oder bei einem großen Anbieter online noch mal 200 Euro weniger. Natürlich kann der große Anbieter günstiger anbieten, weil er andere Mengen abnimmt und der kleine Ladenbesitzer schaut dabei dumm in die Wäsche. Wie oben schon erwähnt: Die Leute haben immer weniger Geld oder schauen ängstlich in die Zukunft und versuchen zu sparen – da hat die Medaille eben zwei Seiten. Ich habe auch ein neues Gewerbe und würde mich unglaublich freuen, wenn ich damit einen kleinen Laden aufmachen könnte, aber gerade wenn man horrende Ladenmieten bezahlen muss, die vielleicht gut für die Steuer sind, kommt man auch in den Zwang, das erst mal alles verdienen zu müssen. Wer würde dieses Risiko bei dem jetzigen Ladensterben noch eingehen? Gerade wenn eine Einkaufsstraße durch die ganzen geschlossenen Läden für die Menschen immer unattraktiver wird? So wird es mein Angebot eben nur im Internet geben und auch wenn ich das jetzt ungern schreibe: Die Zukunft wird für Kleinläden düster aussehen, wenn sie sich nicht darum bemühen/mit der Zeit gehen und ihr Angebot auch im Internet anbieten, gerade dann, wenn es nicht um Lebensmittel geht oder Läden, die man täglich besuchen muss. Manches stirbt eben aus und die Tradition zum Shoppen gehen im altmodischen Sinn leider auch. Und dabei darf man nicht vergessen, dass es ja auch BEQUEM ist, von zu Hause aus einkaufen zu gehen. Gemütlich, im Schlamperlook, ohne ewige Wartezeiten an der Kasse, ohne Parkstress- und kosten, mit einer Tasse Kaffee…..

Comments are closed.

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren