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Eine Erfolgsgeschichte für alle: Fünf Jahre Sozialpraktikum an der Alexander-von-Humboldt-SchuleMit etwas Praxis die Welt freundlicher machen

LAUTERBACH (ol). In der Schule lernt man Lesen, Schreiben, Rechnen – viel theoretisches Wissen. Doch nicht allein die Theorie, auch das Tun ist wichtig. Diesem Grundsatz folgt die Alexander-von-Humboldt-Schule in vielen Unterrichts- und Lebensbereichen. Ein besonders gelungenes Beispiel für das Sammeln von Erfahrungen ist das Sozialpraktikum, das das Lauterbacher Gymnasium nun bereits im fünften Jahr seinen Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 9 anbietet.

 

Mit großem Erfolg: Von anfangs 30 Teilnehmern ist die Anzahl der Jugendlichen, die anstelle von Religions- und Ethikunterricht im Klassenraum ihren Horizont ein Schulhalbjahr lang in Altenheimen, Kindergärten, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung oder anderen Institutionen erweitern wollen, auf 120 angestiegen.

Mehr als 40 Kooperationspartner konnte die AvH dafür im Lauf der Jahre gewinnen – auch ein Verdienst der beiden Koordinatoren André Tolksdorf und Karsten Krämer, die mit jeder Menge Herzblut an diesem Projekt hängen. Und so wundert es auch nicht, als Krämer zur Verleihung der Zertifikate an die ersten 100 Schülerinnen und Schüler aus diesem Jahrgang voller Stolz auf deren Engagement zeigte, das allein auf freiwilliger Basis zustande komme. „Ihr geht raus, fühlt und erlebt“, freute sich der Fachbereichsleiter, „und ihr erfahrt, was es außerhalb eurer Lebenswelt noch gibt – auch an schwierigen Dingen wie Krankheit oder Behinderung.“

Nicht nur die Schüler selbst, sondern auch die Schule profitiere von diesen Erfahrungen: Ein Sozialpraktikum mache die jungen Menschen offener, empathischer, motivierender und auch vermittelnder, wenn es in der Schule zu Problemen komme, betonte Krämer. Nicht zuletzt würden heute auch im Berufsleben solche Fähigkeiten mehr gefragt denn je – ein Sozialpraktikum biete daher auch Zukunftsperspektiven. Krämer unterstrich in seiner Ansprache darüber hinaus die Bedeutung der Kooperationspartner: „Ohne die Einrichtungen, die unsere Schüler aufnehmen, würde das alles nicht gehen.“ Der anhaltende Applaus der Jugendlichen und ihrer Lehrkräfte unterstrich diese Bedeutung eindrücklich. Obwohl so wichtig, solle das Sozialpraktikum an der AvH nicht verpflichtend werden, so Krämer abschließend, da genau in dieser Freiwilligkeit auch die besondere Bedeutung stecke – nicht zuletzt für die Menschen, die davon profitierten.

Und das sind ganz verschiedene, wie Santo Capuano, Peter Lang, Dennis Möller, Fine Glitsch und Julia Koch stellvertretend für ihre Mitschüler erläuterten. Sie arbeiteten mit behinderten Menschen in der Lebensgemeinschaft Altenschlirf, haben alte Menschen im Seniorenheim betreut, absolvierten ihr Praktikum in Kindergärten und halfen bei der Caritas in der Flüchtlingsarbeit. Ihre Plätze haben sich die Jugendlichen selbst ausgewählt und sich darum beworben und damit bereits zu Anfang bewiesen, dass sie Verantwortung für sich und andere übernehmen können.

Dabei ist es keineswegs selbstverständlich, dass ein 14-Jähriger über die Dauer eines halben Jahres hinweg zwei Stunden wöchentlich mit behinderten Menschen in der Gärtnerei arbeitet, ein 15-Jähriger sich mit einem alten Mann anfreundet, ihm vorliest und mit ihm bastelt, oder ein anderer sich im Kindergarten mit Kleinstkindern tummelt. Dabei haben sie alle viel gelernt: Wie tief die Zuneigung ist, die Menschen mit Behinderung einem anderen entgegenbringen, der es gut mit ihnen meint. Wie schön es ist, wenn im Altenheim schon jemand fragt, wann man wiederkommt. Wie wichtig für einen aus seiner Heimat geflohenen Menschen kleine Selbstverständlichkeiten wie ein freundliches Wort oder ein Stück Kuchen sind.

Kein Wunder, dass sie alle ihren nachrückenden Mitschülern die Teilnahme am Sozialpraktikum uneingeschränkt empfehlen. „Es ist eine tolle und eine wichtige Erfahrung“, sind sie sich einig, und ein wenig stolz auf ihre Schule, die als einzige in der Region ein solches Praktikum kontinuierlich anbietet, sind sie auch. Das freut natürlich die beteiligten Lehrkräfte. In diesem Jahr nahmen neben dem Ethikkurs von André Tolksdorf noch die Religionskurse von Donald Stitz und Frank Schmidt an dem Angebot teil. Die Kursnoten der Praktikanten setzen sich nach einem solchen halben Jahr aus dem Praktikumsbericht und den Eindrücken der Lehrkräfte zusammen, die sich auch vor Ort ein Bild machen.

Auch die Kooperationspartner bewerten die Arbeit der Schülerinnen und Schüler. „Die Einrichtungen rund um Lauterbach und um die Wohnorte unserer Schüler sind für uns wichtige Partner“, betont Initiator und Koordinator Tolksdorf. Händeringend sucht er weitere Institutionen, die Praktikumsplätze für die engagierten Gymnasiasten zur Verfügung stellen können. „Wir sind auch sehr flexibel und stellen uns auf die Einrichtungen ein“, unterstreicht Tolksdorf den Einsatz der Schülerinnen und Schüler. So kann ein Praktikum, beispielsweise in einer Kita, deren Öffnungszeiten naturgemäß häufig mit den Unterrichtszeiten kollidieren, auch in den Ferien am Stück absolviert werden.

Mit der Einführung des Sozialpraktikums vor fünf Jahren wollte die AvH auf den sozialen Wandel in der Gesellschaft reagieren, erläutert Tolksdorf rückblickend. Er und Krämer entwickelten ein Konzept, das im Lauf der Jahre weiter ausgefeilt wurde und um viele praktische Anregungen ergänzt wurde. Heute freuen sich die beiden Lehrkräfte, dass andere Schulen ihr Konzept nachfragen und das Praktikum auch in der Schülerschaft so gut angenommen wird. Warum die Schule so sehr dahintersteht, erklärt André Tolksdorf in einem einzigen Satz: „Es macht die Welt ein wenig freundlicher und liebenswerter.“

(bildunterschrift gruppe)
Eine strahlende Fünf zum fünfjährigen Bestehen des Sozialpraktikums bildeten Lehrer und Schülerinnen und Schüler auf dem Schulhof der AvH.

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