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Monika und Michael Hölscher gaben ein Buch über frühere Gasthäuser herausGeschichten rund um historische Alsfelder Tresen

ALSFELD (aep). Es gab eine Zeit, da zählte die kleine Stadt Alsfeld mehr als 50 Lokale in ihren Straßen: vom kleinen Kneipchen bis zum mondänen Tanzsaal. Und gerade die kleinen Lokale „um die Ecke“ – heute meist längst vergessen – waren berühmt für ihre Anekdoten, von denen alteingesessene Alsfelder gerne erzählen. Zwei, die das nun wieder tun, sind die Geschwister Monika und Michael Hölscher. Sie haben ein Buch herausgebracht, das die historische Seite „Alsfelder Gastlichkeit“ lebendig werden lässt: vom „Kappellche“ bis zum „Filou“.

Auf 128 Seiten und mit mehr als 130 Bildern erzählen die Geschwister Hölscher von Jahrzehnten etwa ab den 1950-er Jahren, in denen Gasthäuser noch Selbstgänger waren und in fast jeder Gasse zum Verweilen luden. Das Buch ist das Ergebnis des Anfang diesen Jahres gestarteten Aufrufs an die Alsfelder, für solch ein Projekt alte Bilder und Postkarten bereit zu stellen (Oberhessen-live berichtete). Denn nur die zeugen noch von mancher alten Kneipe, die einst Treffpunkt von Stammtisch-Gruppen oder auch Jugendlichen war. Nur: Wo sind die alten Bilder?

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Treffpunkt in der Schwabenröder Straße: das kleine Lokal von Marie Kreit – gesprochen Mariä Kreit. Bei ihr kehrten auch die Fußballer vom SV 06 gerne mal ein.

Das Schwierigste war tatsächlich, so erzählen die Hölschers nun zum Erscheinen des Buches, Leute zu finden, die noch sichtbare Erinnerungen irgendwo aufbewahren. „Wir haben unendlich viel telefoniert“, erklärt Michael Hölscher. Es gab nach dem Aufruf viele Hinweise, aber viele potenzielle Zeitzeugen oder deren Nachfahren leben gar nicht mehr in Alsfeld. Fast 30 Leute hätten sie angesprochen, und siehe da: „Die waren durch die Bank bereitwillig, uns zu helfen.“ Manche Angesprochene waren sogar ein bisschen stolz, dass sie noch etwas zu dem Buch beitragen konnten und ließen sich telefonisch überreden, ihre raren Fotos per Post zu schicken. Gut 700 Stück sammelten die beiden Historiker und suchten die besten für das Buch heraus.

Wo einst Fußballer des SV 06 gerne einkehrten

Da waren dann viele Schätze bei, Dokumente, die an längst vergessene Lokalitäten erinnern. Wer kennt denn heute noch die Gastwirtschaft Kreit in der Schwabenröder Straße neben dem SAG-Gebäude? Ein paar Jahre lang aber in den fünfziger Jahren gingen auch gerne die Alsfelder Fußballer zu Marie Kreit, wenn die „Tribüne“ nicht geöffnet hatte. Von der Straße aus war dieses Lokal gar nicht zu erkennen: Der Eingang befand sich auf der Rückseite. Eher unscheinbar waren auch die kleinen Lokale, die an Metzgereien angeschlossen waren – aber doch Anziehungspunkt vieler Stammgäste. Die als Bierlokal noch erhaltene „Lang Stubb“ erlangte sogar Kult-Charakter, bevor es das Wort gab.

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Der Buchhändler als Kneipenwirt: Helmar Bünnecke (r.) war in den 70-er Jahren Mitbetreiber der Columbus-Bar – hier beim Tresenplausch.

Im Alsfelder Bewusstsein irgendwie unvergessen ist aber auch die Columbus-Bar in der Marburger Straße: eine Bar, die länger als die Bier-Wirtschaften geöffnet hatte. Bei der Erinnerung gerät Monika Hölscher ins Schwärmen: „Damals war ich gerade 19 Jahre alt und ganz aufgeregt, als ich zum ersten Mal in die Columbus-Bar ging. Das war etwas Besonderes!“ Etwas Besonderes war vielleicht auch einer der Mitbetreiber Helmar Bünnecke, der allgemein eigentlich als Buchhändler besser bekannt ist. Heute ist in den Räumen ein Friseur-Salon unter gekommen.

„Scharfe Ecke“: einst ein Jugendlokal

Manchem heutigen Mitsechziger ist vielleicht auch noch die „Scharfe Ecke“ in der Hersfelder Straße eine Erinnerung: Hinter einem Bild vom dem einstigen Jugendlokal der Sechziger und Siebziger waren die Hölschers lange her: „Das wollten wir unbedingt haben!“  Wunderlichs Eispavillon und Deutsches Haus dürfen als Eckpfeiler Alsfelder Gastwirtschaftshistorie natürlich nicht fehlen – aber erinnert sich noch jemand an das Casino-Restaurant? Es befand sich im zweiten Stockwerk des 1972 eröffneten Kaufhauses Briel – später Kerber und als Modehaus Zinner in der Alicestraße abgerissen. Viele nie veröffentlichte Fotos erzählen Geschichten dieser bekannten wie schon lange vergessener Lokale – auf einigen mit bekannten Gesichtern. Peter Frankenfeld war offensichtlich mal in Alsfeld, ebenso Uwe Seeler.

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Beherbergte früher das Casino-Restaurant: das Kaufhaus Briel, hier kurz nach der Eröffnung 1972.

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Einst bei Jugendlichen beliebt: die „Zur Scharfen Ecke“ in der Hersfelder Straße. Später gab es in dem Haus ein anderes, ebenfalls nicht mehr existentes Lokal mit Kultcharakter: Danys Irish Pub.

Aber nicht nur die Bilder berichten: „Die Leute haben uns dazu auch viele Anekdoten erzählt“, freut sich Monika Hölscher. Und auch die gehören in das Buch. Den Schluss bildet ein „Abgesang“ auf ein abgeschlossenes, aber noch frisches Kapital Alsfelder Lokalitäten-Geschichte: die des Kultlokals „Filou“, das Ostern vergangenes Jahr schließen musste. Auf einem Bild sieht man auch die Betreiber Antje Klee und Peter Knabl – noch ein wenig jünger.

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Erinnerung an bessere Zeiten: Die inzwischen abgerissene „Tribünen“-Gaststätte des SV 06 Alsfeld in der Rambach.

Erschienen ist das in einer Auflage von 700 Exemplaren gedruckte Buch „Alsfelder Gastlichkeit“ im Sutton Verlag und kostet 19.99 Euro. Am Freitag, 18. September, ab 18.00 Uhr stellen Monika und Michael Hölscher es im Freiwilligenzentrum vor.

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Jüngstes Kapital einer abgeschlossenen Alsfelder Kult-Kneipengeschichte: das Filou, an das unter anderem dieses Bild von Antje Klee und Peter Knabl erinnert.

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