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Wallenrod wehrt sich gegen Biogas-Anlage – Ausschusssitzung als BürgerversammlungDas Biogas erzeugt vor allem Gegenwind

MAAR/WALLENROD  (aep). Biogas aus Wallenrod oder nicht? Das wird eine schwierige Entscheidung für das Lauterbacher Stadtparlament. Es gibt einen potenten Bauinteressenten – aber es gibt auch energischen Widerstand im Dorf. Das wurde am Mittwochabend deutlich, als gleich drei Ausschüsse sich mit dem Thema befassten, und man dazu auf das DGH in Maar ausgewichen war: Gut 80 Zuhörer verfolgten die Vorträge der Investoren – und hatten viele kritische Einwände gegen die „Monster-Biogasanlage“. Die Meinungen stehen sich diametral gegenüber.

Gewissermaßen einig zeigte man sich zwischen der planenden Firma Schmack, dem Ortsbeirat und der ablehnenden Bürgerinitiative lediglich darin, dass die geplante Anlage für verstärkten Lastwagenverkehr im Dorf sorgen wird. Das befürchten Anwohner, das räumte der Schmack-Projektleiter Frank Stumpf ein. Aber ansonsten herrschten schon grundsätzlich unterschiedliche Ansichten gegenüber, zum Beispiel um die Frage, ob anfallende Gärreste denn nun schädlich sind. Oder ob überhaupt genügend Rohstoff in der Region vorhanden ist.

Ablehnende Stellungnahmen waren dem Abend vorausgegangen, der als Sitzung für den Haupt- und Finanzausschuss, den Wirtschaft- und den Umweltausschuss angesetzt war, aber in der Art einer Bürgerversammlung stattfand. Der Wallenröder Ortsbeirat lehnt das Projekt, im Dorf bildete sich eine Bürgerinitiative, die Sturm dagegen läuft.

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Lehnt die Biogas-Anlage ab: der stellvertretende Ortsvorsteher Erwin Nahrgang. „Falscher Standort!“

Andersherum: Energiewende mit sicherer Erzeugung, Wertschöpfung vor Ort, Investitionen, Arbeitsplätze. Mit diesen Schlagworten versuchten die beiden Vertreter der Firma Schmack, zugehörig zur Vissmann-Gruppe, Publikum und Parlamentariern, das Projekt am Mittwochabend schmackhaft zu machen. Geplant sei, so stellte Frank Stumpf vor, eine direkt einspeisende Biogas-Anlage, die nach einer Aufbereitung Erdgas für 63 Millionen Kilowattstunden pro Jahr erzeugen soll. Dafür habe man Wallenrod ausgesucht, weil das Dorf erstens am Rand und entfernt von Wohnhäusern über ein Industriegebiet verfügt, relativ nah an einer Erdgasleitung liegt und es im weiteren Umkreis keine weitere Biogasanlage gibt – und weil  in einem 15 Kilometer-Umkreis aber genügend Landwirte sowie extensiv bewirtschaftete Grünflächen vorhanden seien, die den Rohstoff für die Gasproduktion liefern könnten.

Denn die Anlage werde nicht mit Mais oder Getreide betrieben – was ein häufiger Kritikpunkt ist – sondern mit Reststoffen aus der Landwirtschaft und nicht benötigtem Grünschnitt, etwa Gülle, Pferdemist, Getreideausputz oder auch Kartoffelschalen nebst Heckenschnitt. Weil diese Rohstoffe schwerer zu verwerten seien, benötigt die Anlage allerdings grundsätzlich zwei Fermenter-Türme. Und weil sie als Direkteinspeiser mehr Aufwand bei der Gas-Aufbereitung betreiben muss, müssten es sogar vier sein, damit der Betrieb sich kostenmäßig trägt.

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Auch aus dem Publikum kamen kritische Fragen an die Firmenvertreter.

Eine Investition von 18 Millionen Euro

18 Millionen Euro wolle Schmack in die Anlage investieren, erläuterte Stumof und lockte: „Die Gewerbesteuer bleibt in der Kommune!“  Mit solchen Bauten verfüge das Unternehmen bereits über einige Erfahrung: Bundesweit habe Schmack bereits 30 der insgesamt vorhandenen 160 Biogas-Anlagen dieser Art errichtet. Insgesamt gebe es in Deutschland heute 8000 Biogas-Anlagen, die mit ihrem Gas-Anfall Wärme und Strom erzeugen. Sieben Prozent der deutschen Stromerzeugung kämen damit aus der Biomasse. Der Betrieb arbeite in einem Kreislauf, denn der Abfall aus den Fermentern, die Gärreste, könnten als Dünger wieder auf die Felder ausgebracht werden, von denen Landwirte sie als Rohstoff lieferten – 60.000 bis 70.000 Tonnen Rohstoff, den sie für sich gar nicht mehr bräuchten. Die Biogas-Anlage biete somit bäuerlichen Betrieben auch eine Einkommensoption. Letztlich, damit lockte der Kollege Arnold Multerer, sei auch eine Bürgerbeteiligung geplant, bei der Teilnehmer mit einer Festverzinsung von drei Prozent rechnen könnten. Und der Betrieb schaffe wenigstens sechs feste und zehn saisonale Arbeitsplätze.

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Die Bürgerinitiative protestierte vor der Tür des DGH.

Diesem Vortrag widersprach Wallenrods stellvertretender Ortsvorsteher Erwin Nahrgang vehement und erntete viel Beifall aus dem Publikum. Auch als Mitglied der Bürgerinitiative kritisierte er zum Beispiel gesteigerten Lastwagenverkehr im Dorf – schon jetzt seien zwölf Lkw stündlich gezählt worden – mit mehr Lärm und Dreck. Er kritisierte den Flächenbedarf der Anlage, stellte die Wirtschaftlichkeit in Frage und auch die Gretchenfrage: „Stehen in der Umgebung genügend Reststoffe zur Verfügung?“ Wallenröder Landwirte müssten immerhin oftmals weitere Strecken fahren, um Futter für ihre Tiere zu besorgen.Der Standort sei daher ungeeignet.

Dazu stellte er auch den Nutzen der Gärreste in Frage, die Frank Stumpf noch als Dünger gepriesen hatte. Das sei kein Dünger sondern eher ein Schadstoff, der aufwendig entsorgt werden müsse. Würde der Boden damit immer wieder gedüngt, führe das zu einem unzulässigen Nitrat-Eintrag – ein Argument, das der Schmack-Vertreter Stumpf von sich wies: Die Firma habe oft genug die Bedenkenlosigkeit nachweisen müssen. Stumpf entgegnete auch der Rohstoff-Frage vdeutlich: „Wir sind der Meinung, dass das Material vorhanden ist.“ Es heran zu schaffen, würde etwa 4000 Anfahrten pro Jahr bedeuten.

Karl-Peter Mütze: „Es fehlen alle Zahlen!“

Bei derart auseinander gehenden Meinungen war der Fachmann gefragt. Als ein fachkundiger Skeptiker äußerte sich dann Karl-Peter Mütze, Leiter der Abteilung „Landwirtschaft, Forsten, Naturschutz“ (LFN), in der Kreisverwaltung. Er sah in der Tat in der Rohstoff-Versorgung ein Problem – auch durch die engen Wege in der Gemarkung, die den Einsatz schwerer Lastwagen kaum zuließen. Das würde auch die Anzahl der Anfahrten erheblich vergrößern. Auch bei der Wirtschaftlichkeit kamen von ihm Bedenken – das seien alles Dinge, über die das Regierungspräsidium Gießen bei der Genehmigung entscheiden müsste. „Die wollen das haarklein aufgelistet haben.“  Letztlich stellte er vor allem fest: „Es fehlen alle Zahlen!“ Mit den Angaben, mit denen die Firma argumentiert, bekäme man bei einer Bank nicht einmal einen Kredit gewährt.

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„Es fehlen alle Zahlen!“ Karl-Peter Mütze bei seiner skeptischen Stellungnahme neben Lauterbachs Bürgermeister Rainer Hans Vollmöller.

Es fehle in der Darstellung zudem ein sicherer Betreiber, denn Schmack baut die Anlagen nur. „Sucht erst einmal einen Betreiber!“, rief er den Referenten zu. Dann könne man über Einzelheiten sprechen. Stumpf entgegnete trocken: „Die Wirtschaftlichkeit ist eine Sache des Investors.“

Sein Kollege Arnold Multerer stellte fest: „Wir sind ziemlich sicher, dass wir die Rohstoff-Situation gut einschätzen.“ Er nannte aber auch bereits einen Ausweg für Wallenrod: Es gebe noch andere Standortvorschläge in der Nähe. Ob es Wallenrod sein müsse, sei die Frage, „aber an dem Projekt halten wir fest.“

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