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Gewinner des Jugend-Literaturpreises der OVAG beim Lektoren-Workshop„In vier Tagen mehr gelernt als in einem Jahr“

VOGELSBERGKREIS/BAD KISSINGEN (ol).  „Zwei Stunden für einen Satz, zwei Stunden durchgelacht.“ Diese Worte der 17-jährigen Lina Thiede aus Gießen treffen recht gut die Atmosphäre, die den viertägigen Workshop der Gewinner des 11. Jugend-Literaturpreises der OVAG in Bad Kissingen bestimmt hat. Recht nüchtern – im Gegensatz zu ihrer phantasievollen Sprache – beschrieb es Clara Nell (19 Jahre) aus Bad Nauheim: „In vier Tagen mehr gelernt als in einem Jahr.“ Dabei war auch Caroline Benz aus Feldatal, Schülerin an der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld.

Mehr gelernt – das ist mit Sicherheit zu verdanken der einfühlsamen wie akribischen Arbeit der fünf Lektoren, darunter Erfolgsschriftsteller wie Vea Kaiser und Feridun Zaimoglu. Zur Vorgehensweise sagte Uschi Flacke, Verfasserin von mittlerweile fünfzig Büchern: „Voraussetzung für ein gutes Lektorat ist, dass wir die Autoren ernst nehmen, dass wir ihnen auf Augenhöhe begegnen.“

Das zahlte sich aus. „Ich hätte nie gedacht, dass man sich so intensiv mit einem Text auseinandersetzen kann“, sagte Kim Schäfer (16) aus Karben, die in ihrem Werk „72 Stunden“ eine Frau beschreibt, die kurz davor ist, Selbstmord zu begehen. „Womit ich auch nicht gerechnet hätte: Dass man sich so individuell mit meiner Geschichte auseinandersetzt.“

Für die meisten der 24 Preisträger aus der Wetterau, dem Vogelsberg und dem Landkreis Gießen, war dies gewiss das erste Mal, dass sie mit professioneller Kritik konfrontiert wurden. Dazu Feridun Zaimoglu: „Es gibt nichts Feigeres, als falsches lob.“ Mit anderen Worten: In der großen Runde, in der jeder seinen Text vortragen musste, wie auch in den kleinen Lektorengruppen, galt das offene, ehrliche Wort. Andreas Matlé, von der Öffentlichkeitsarbeit der OVAG, an die Teilnehmer: „Das fällt nicht jedem einfach, denn jeder hat Herzblut in seine Geschichte fließen lassen. Versucht also euren Text so nüchtern wie möglich zu betrachten – und nehmt die Kritik nie persönlich.“

Dann ging es los, mit Rasenmäher und feinmechanischem Werkzeug: Schiefe Bilder, Dopplungen und Wiederholungen, logische und sachliche Fehler, schlechtes Deutsch, holprige Passagen und für viele überraschende Effekte; wie beispielsweise ein Satz wirkt, wenn man nur ein Wort umstellt. Was der Atmosphäre sicherlich dienlich war: „Selten hatten wir solch diskussionsfreudige Teilnehmer“, lobte Lektorin Martina Walenta. „Außerdem war das Vorgehen sehr entspannt. So haben die Preisträger auch noch dabei gelernt, dass sie über die Texte der anderen disktutiert und an Verbesserungen mitgearbeitet haben.“

Wer sich durch den Wörter-Dschungel geschlagen hatte, der durfte ab ins improvisierte Studio von Hörbuch-Profi Stefan Erbe (Butzbach), bei dem jeder seinen Text nach eingehendem Training einsprach. Begeistert davon war Anna Schmidt (19) aus Nidda: „Unglaublich, wieviel mir das Sprechtraining gebracht hat. Ich habe damit noch einmal eine ganz andere Sichtweise auf meine Geschichte gewonnen.“

Mit einem Augenzwinkern kommentierte Katharina Clauss (18) aus Lauterbach, die mit einem fulminanten modernen Märchen gewonnen hatte, ihre gewonnene Erfahrung: „Wenn Du eine gute Geschichte zu einer sehr guten machen willst, koche sie zirka eine Stunde bei mittlerer Temperatur ein, damit die falschen Wörter verschwinden.“

Zu lesen und zu hören gibt es die lektorierten Geschichten der Preisträger ab den 28. Januar wenn das Buch „Gesammelte Werke“ erscheint. Bestellungen für zwölf Euro unter Telefon 06031 68 48 1153.

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