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MEINUNG zur Haushaltsdebatte: Bürgermeisters Beharrlichkeit und Reflexe der SPDMehr Argumentation statt Parteipolitik, bitte!

MEINUNG ALSFELD. Die Schlacht ist eröffnet. Knapp zwei Wochen, nachdem Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule den Haushaltsplan für 2015 im Parlament einbrachte und dabei erneut seine Vorstellungen für einen Ausgleich durch eine größere Grundsteueranhebung ins Spiel brachte, hat die SPD reagiert – mit der erwarteten, bissigen Absage. Was den Bürgermeister zu einer sofortigen Antwort veranlasste – der auf der Website der SPD sofort eine Erwiderung folgte. Auffällig dabei: Die SPD kritisiert mit den üblichen Reizworten, ohne konkret zu werden oder Alternativen zu nenen und zeigt ein ziemlich kurzes Gedächtnis. Ein Kommentar.

 

Man muss sicherlich nicht sofort der Meinung von Bürgermeister Paule sein, wenn es um die Gestaltung eines Haushaltsplans geht. Paule hat sich bereits im Frühjahr mit seinem Vorschlag auf unpopuläres Terrain vorgewagt, den vom Land geforderten Haushaltsausgleich vor allem über stark gestiegene Hebesätze für die Grundsteuer zu finanzieren. Nebenbei hat er auch eine moderat angehobene Gewerbesteuer gefordert. Konkret: Grundsteuer B rauf von 380 auf 560 Prozent, Gewerbesteuer von 390 auf 399. Mit diesen zusätzlichen 1,3 Millionen Euro sollte der Haushalt für dieses Jahr ausgeglichen werden.

Der Plan scheiterte am Veto der SPD/ALA-Mehrheit. Die setzte ihre eigene Vorstellung durch – ebenfalls mit Steueranhebungen. Grundsteuer: von 380 auf 485 Prozentpunkte, Gewerbesteuer von  390 auf 425. Auch damit ließ sich das so viele Jahre grassierende Defizit ausgleichen. Dann geschah aber etwas Unvorhergesehenes: Die Gewerbesteuer brach ein, gleich um 2,5 Millionen Euro. Das warf im Grunde beide Modelle über den Haufen – das von SPD/ALA, das stärker auf Gewerbesteuer setzt, aber auch gleich um 180.000 Euro mehr.

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Der auf Grundsteuern setzt: Bürgermeister Paule bei der Einbringung des Haushalts 2014 im Frühjahr.

 

Ein halbes Jahr später der zweite Versuch

Und nun das: Nur ein halbes Jahr nach dem Scheitern seines ersten Plans kommt Bürgermeister Paule mit dem Haushaltsentwurf für 2015 wieder mit den stark steigenden Grundsteuern – getreu dem berühmten Luther-Wort: „Hier stehe ich und kann nicht anders!“ Nur die Grundsteuern, so seine Begründung, seien zuverlässig genug, um dauerhaft das Loch zu stopfen, das Alsfeld mit sich herumschleppt. Und die Stadt könne es sich nicht leisten, ansiedlungsfreudigen Firmen ein falsches Signal zu bieten. Bei SPD und ALA dürften ob solcher Unverfrorenheit erst die Kinnlade herunter und dann das Taschenmesser aufgeklappt sein. Genauso liest sich denn auch, was Swen Bastian und Florian Sauermann in ihrer Stellungnahme auf der Website verbreiten. „Eine Kampfansage an die Kleinen Leute“ nennen sie die bürgermeisterlichen Pläne und schieben geübte, rhetorische Floskeln rund um soziale Besorgnis nach, gepaart mit Mahnungen zu mehr Einsparungen – mit der einen oder anderen rhetorischen Ungenauigkeit.

Tatsache ist: Es mutet schon nach einem Husarenstück oder einfach Sturheit beim Bürgermeister an, einen abgelehnten Plan nur ein halbes Jahr später demselben Fraktionen noch einmal vorzulegen, die ihn ablehnten. Ist es aber nicht automatisch. Denn zwischenzeitlich ist passiert, was jede Kommune fürchtet: ein Einbruch bei der Gewerbesteuer. Wer ein paar Jahre das Auf und Ab dieser von Wirtschaftsbetrieben zu erbringenden Steuer in Städten und Gemeinden verfolgt, der bemerkt: Auch gewiefte Kämmerer liegen in der Vorausschätzung meist daneben – und zwar dem jeweiligen Trend folgend. Verheißt der positive Entwicklung, ist der Haushalt meist zu optimistisch angelegt – und anders herum. Es muss korrigiert werden – manchmal noch Jahre später, weil es bei größeren Unternehmen Jahre dauern kann, bis der Wert für die Zahlung endgültig feststeht. Dann muss noch einmal korrigiert werden. Mit einem Wort: So wichtig die Gewerbesteuer ist, sie ist auch ein unzuverlässig Ding. Wohl der Gemeinde, die über Substanz verfügt, die Schwankungen hinzunehmen.

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Nur im Haupt- und Finanzausschuss auf derselben Tischseite: SPD-Fraktionsvorsitzender Swen Bastian und Bürgermeister Paule. Fotos: Archiv/aep

 

Alsfeld gehört aus zwei Gründen nicht dazu. Erstens: Die Stadt war viele Jahre pleite – und zwar mit SPD-Bürgermeistern (was nicht unbedingt eine Wertung sein soll – aber eine Erinnerung für die Verfasser der aktuellen Stellungnahme). Zweitens: Sie steht als Schutzschirmgemeinde unter der besonderen Aufsicht des Landes. Alsfeld muss jetzt nicht den Willen zum Haushaltsausgleich zeigen  – die Stadt muss es tatsächlich tun.

An der Stelle hilft nicht weiter, was der SPD-Vorsitzende Florian Sauermann mit dem Fraktionsvorsitzenden Swen Bastian dem Rathauschef an Rhetorik entgegenschleudern: „Kampfansage“, „unsozial“, fehlende „echte Einsparungen“, gemischt mit ein paar Halbwahrheiten zum Haushalt und mit Verhältniszahlen, die die eigentliche Dimension des Ganzen gar nicht darstellen. Beispiel: die monierten 10.000 Euro zursätzlich für Öffentlichkeitsarbeit. Dass die an anderer Stelle abgezogen wurden, wird nicht erwähnt. Bürgermeister Paule hatte schon bei seinem ersten Vorstoß mit Beispielwerten dargestellt, was die drastisch anmutende Grundsteuer-Anhebung in der Realität bedeute: neun bis 20 Euro monatlich für einen Haushalt/ein Haus. In Internet-Verträgen: eine Viertel bis halbe Flatrate, von denen manche Familien mehrere bestellt haben. Mehr nicht.

Betrachtet man diesen absoluten Wert noch von der aktuellen SPD/ALA-Steuerwarte aus, die ja ebenfalls eine Erhöhung darstellt, verkommt er wirklich zur Marginalie. Dafür ist die Stadt handlungsfähig, kann sich Schwimmbäder, Kinder- und Jugendbetreuung, Bücherei, Straßen, Brandschutz, Dorfgemeinschaftshäuser, Feste – all das leisten, was sich die Einwohner wünschen. Zuverlässig. Diese Grundsteuer wird übrigens auch von denen aufgebracht, die die größten Gebäude und Grundstücke in der Stadt haben: die Gewerbebetriebe. Jene Gewerbebetriebe ganz nebenbei – keine fernen Banken und Konzerne – in denen Alsfelder ihre Jobs haben.

Wenn die SPD in ihrer Stellungnahme zusätzlich auch noch neue Einsparungen fordert, um das Haushaltsdefizit ohne Steueranhebungen auszugleichen, muss man sich fragen, wo die Genossen eigentlich die letzten 25 Jahre waren, als SPD-Bürgermeister die Macht im Rathaus inne hatten. Da fiel auch kein Stein der Weisen vom Himmel, da wurde stets vor „Kahlschlag“ gewarnt.

Deshalb sticht die Idee von Stephan Paule so verblüffend heraus: Wenn alle ein bisschen zusammenlegen, wird die Stadt wieder flott. Haben Herr Diestelmann, Herr Becker je an so etwas gedacht, als die Not groß war?  Als Idee der SPD wäre es ein Akt der Solidarität gewesen. Darauf muss man kommen – das muss man sich erst einmal trauen.

Und dann dieselbe Idee im selben Jahr noch einmal vorbringen: Das kann man auch als mutige Beharrlichkeit bezeichnen – wie von Politikern oft gefordert wird. In jedem Fall verdient der Vorschlag angesichts der sommerlichen Entwicklung der Finanzen mehr Betrachtung als den reflexartig rhetorischen Gegenschlag der SPD, der wieder nur eine Motivation vermuten lässt: parteipolitische Abgrenzung. Wenn alle Fraktionen so denken, kann man die nun folgenden Beratungen in den Ausschüssen eigentlich auf die Abstimmung abkürzen: Das Ergebnis steht fest.

Axel Pries

Die Stellungnahmen von SPD und Bürgermeister im Original

Zur Info: Die Stellungnahme der SPD ist auf der Website der Alsfelder Sozialdemkkraten nachzulesen – auch gleich mit der neuerlichen Erwiderung auf Paules Erwiderung.

Die Pressemitteilung das Bürgermeisters als Antwort:

„Kein Verständnis für Polemik und Halbwahrheiten“ bei der aktuellen Alsfelder Haushaltsberatung hat Bürgermeister Stephan Paule. Zuletzt hatten ihm die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Alsfelder SPD, Florian Sauermann und Swen Bastian, in einem Pressebericht vorgeworfen, die „Unwahrheit“ gesagt zu haben.

Paule habe zwar Verständnis dafür, dass bei den beiden SPD-Frontmännern, in der Hitze der politischen Auseinandersetzung, auch mal „die Nerven blank liegen“ und man es mit der Wahrheit nicht so genau nehme, aber eine falschen Anschuldigung, wie sie jüngst von den Herren Bastian und Sauermann vorgebracht wurde, dürfe nicht unwidersprochen stehen bleiben.

Die SPD hatte in einem Pressebericht zum Thema Grundsteuer wörtlich behauptet:  „Schon vor der deutlichen Erhöhung der Grundsteuer im vergangenen Jahr hätten 428 Grundsteuerpflichtige in Alsfeld, privat und gewerblich, den Zahlungen nicht mehr nachkommen können“. Dabei hatten sich die beiden SPD-Vorsitzenden auf eine schriftliche Antwort des Bürgermeisters auf eine SPD-Anfrage aus dem Frühjahr berufen.

Offenbar habe die SPD-Spitze das Papier aber nicht vollständig verstanden oder man wolle es aus politischen Gründen nicht verstehen, erklärte Paule: „Am 6. Mai 2014 habe ich den Stadtverordneten mitgeteilt, dass vom 01.01.2009 bis zum 31.12.2013 insgesamt 428 Mal die Grundsteuerschuld von privaten und gewerblichen Grundstücken nicht fristgerecht beglichen wurde.“ Es handle sich somit nicht, wie von der SPD behauptet, um das vergangene Jahr, sondern um einen Zeitraum von vier Jahren.

Es sei überdies reine Spekulation, wenn die SPD behaupte, alle 428 hätten „den Zahlungen nicht mehr nachkommen können“. Über den Grund der Rückstände in allen 428 Fällen könne niemand, außer den Betroffenen, eine definitive Aussage machen. In den 428 Fällen sind sowohl Fälle enthalten, in denen die Betroffenen tatsächlich nicht zahlen konnten als auch Fälle in denen die fristgerechte Zahlung vergessen wurde, z. B. weil keine gültige Einzugsermächtigung vorlag.

Auch beim Streit in der Sache, appellierte Paule an alle politischen Akteure Alsfelds, stets fair zu bleiben und nicht absichtlich mit Falschinformationen zu arbeiten. Paule erneuerte nochmals sein Gesprächsangebot an alle politischen Kräfte, um zu einer gemeinsamen Linie beim Haushalt zu kommen.“

5 Gedanken zu “Mehr Argumentation statt Parteipolitik, bitte!

  1. Vielen Dank an einige Kommentatoren! Ich weis gar nicht wann ich zuletzt so schallend gelacht habe wie eben als ich die Zeilen der beiden Finanz- und Rechtsgenies gelesen habe!!! Ok der eine war sparsam, da brannte wenigstens nachmittags ab 16.30 Uhr kein Licht mehr im Rathaus!

  2. Wenn man obige Komentare liest, kann es einem Alsfelder Bürger schlecht werden

  3. Es ist schon ziemlich skurril, dass Axel Pries den Vorschlag des amtierenden Bürgermeisters in den Himmel lobt. Durch eine derart enorme Erhöhung der Grundsteuer wird das Wohnen und damit das Leben in Alsfeld nicht unbeträchtlich verteuert. Wie soll diese geplante Grundsteuererhöhung mit der Tatsache in Einklang gebracht werden, dass die Immobilienpreise in Alsfeld (insbesondere in den Stadtteilen) seit Jahren eine steile Abwärtsentwicklung zeigen? Mit einer solch kontraproduktiven Maßnahme wird der Immobilienpreisverfall nur zusätzlich beschleunigt.
    Und im Zusammenhang mit einer derartigen massiven Erhöhung der Grundsteuer von Mut zu sprechen, finde ich auch deplatziert: Selbstverständlich hätten meine Amtsgänger und meine Wenigkeit ebenfalls eine solche Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung vorschlagen können. Dies haben wir aber aus Rücksicht vor den damit einhergehenden Belastungen der Bürgerinnen und Bürger nicht getan.
    Anstelle eine derartige Erhöhung vorzuschlagen und damit die Vorgaben aus Wiesbaden als quasi „gottgegeben“ zu akzeptieren, hat sich die Kommunalpolitik in meiner Amtszeit lieber darauf konzentriert, im Wege einer erfolgreichen Klage gegen das Land Hessen zu beweisen, dass die Verteilung der Gelder an die einzelnen Kommunen verfassungswidrig ist.
    Nun mag jeder Leser selbst beurteilen, welche Variante mutiger ist.

  4. Sehr geehrter Herr Pries!

    Entgegen ihrer Vermutung haben auch SPD-Bürgermeister(von 1969 bis 2013 im Amt) den Vorschlag einer Grundsteuererhöhung zur Einnahmeverbesserung in ihrer Zeit schon gemacht und auch umgesetzt.Ebenso die Anhebung der Gewerbesteuer.
    Diese Erhöhungen haben jeweils nur kurze Zeit zur Verbesserung der Haushaltssituation beigetragen und waren recht bald wieder aufgezehrt, weil der allgemeinen kommunale Finanzrahmen weder gestern noch heute die Stadt in die Lage eines dauerhaften Finanzausgleichs versetzten wird.
    Und damals gab es keine Hilfe eines sog. „Kommunalen Schutzschirms“.
    Der Gewerbesteuereinbruch 2014 im städtischen Haushalt kam nicht aus dem Ungefähren, sondern war definitiv schon bei der Etatisierung vorauszusehen, da man die vermeintliche Steigerung auf der Grundlage von erhöhten Vorauszahlungen haushaltsmäßig etatisiert hat. Es waren keine „Bilanzbereinigungen“, die den Einbruch verursachten, sondern unter Beachtung des kaufmännischen Vorsichtsprinzips hätten sie gar nicht so hoch angesetzt werden dürfen.
    Aber um den „Erfolg“ eines ausgeglichen Haushalts vorspiegeln zu können, mußte man sich Millionen in die Einnahme schreiben , um dann später mit der Ausrede der „Bilanzbereinigun“ doch wieder einen Jahresabschluß mit großem Defizit (trotz Schutzschirmgelder) entschuldigen zu können.
    Und auch eine weitere Erhöhung der Grundsteuer- wie augenblicklich in fast allen defizitären Kommunen (zweidrittel bis dreiviertel aller Kommunen bundesweit und nicht nur das „arme „Alsfeld) als letzter Strohhalm Mode geworden- wird durch die Zinsen, die für weitere Investitionen gezahlt werden müssen, wieder aufgefressen.
    Und was dann?
    Weiter so?
    Herbert Diestelmann

  5. Fakt ist, das hier wieder nur der kleine Mann geschröpft werden soll, auch ganz im Sinne von Paules Partei. Sicher müssen die Gewerbebetriebe auch Grundsteuer zahlen, aber sie können diese auch als Betriebsausgabe absetzen, sparen also entsprechend ihrem Einkommensteuersatzes dadurch Einkommensteuer. Bei einem Einkommensteuersatz von 40% kosten 1000 Euro Grundsteuer also nur 600,- Euro, die vom Gewerbetreibenden über die Kostenkalkulation auch noch an seine Kunden weitergegeben werden. Der Hauseigentümer, der sein Haus selbst nutzt, kann nichts absetzen. Der Vermieter kann die Grundsteuer über die Nebenkosten an seine Mieter weitergeben. Nur 9 bis 20 Euro mehr ist also kein Argument, weil wir Arbeitnehmer ja überall geschröpft werden. Wir dürfen für die Industrie die EEG-Umlage bezahlen,das ist den Konzernen ja laut Gabriel nicht zuzumuten, aber uns! Jede kleine Gehaltserhöhung wird von der kalten Progression aufgefressen, die ja ganz gewollt nicht abgemildert wird. Aber unsere Kosten für Energie, Benzin Gas etc. haben sich in den letzten Jahren verdoppelt. Nur unsere Einkommen nicht. Es ist eine beispiellose Umverteilung von unten nach oben im Gange, jetzt auch schon auf kommunaler Ebene.

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