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Die Lauterbacher Abiturientin Lena Harres im Praktikum bei MdL Eva GoldbachLandtagsalltag zwischen finanzlastig und menschlich

GIESSEN/LAUTERBACH (ol). Die Abiturientin Lena Harres aus Lauterbach und der Oberstufenschüler Luca Manns aus Gießen haben zwei Wochen Praktikum bei der Grünen-Landtagsabgeordneten Eva Goldbach sowohl im Wahlkreisbüro als auch im Hessischen Landtag absolviert. Über ihre Erfahrungen im Laufe der Plenarwoche haben sie Berichte verfasst, sowie mehrere Politiker interviewt. „Mittendrin“:  Lena Harres berichtet über ihre Erfahrungen mit der Abgeordneten Eva Goldbach sowie im Alltag des Landtags. Sie schreibt:


“Für mich persönlich hat sich durch das Praktikum gezeigt, wie eng die Politik, die in Wiesbaden gemacht wird, doch mit unser aller Leben und Alltag verknüpft ist. 
Zwei Wochen lang habe ich die Landtagsabgeordnete Eva Goldbach der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen in ihrem Alltag begleitet und somit Einblick in das parlamentarische System des hessischen Landtags bekommen.

Die erste Woche war geprägt von haufenweise neuen Informationen und Input. Der Montag begann noch ganz easy im Wahlkreisbüro, in dem immer eine super lockere Stimmung herrscht, die auch durch Evas Mitarbeiterin Cori kräftig angeheizt wird.
 Am Dienstag fuhren Eva und ich dann zusammen nach Wiesbaden. Das heitere bis hektische Treiben auf dem Hof und im Gebäude ließ schon ahnen, dass man sich hier in einer ganz anderen Welt befand, als „Zuhause auf dem Land“.
 Eva hatte mich zwar auf der Autofahrt ein wenig vorbereitet auf die aktuellen Themen der Woche, trotzdem war ich dann von der etwa fünf Zentimeter dicken Tagesordnung in der Fraktionssitzung einigermaßen überrumpelt.

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Beeindruckt vom Pomp: Lena Harres im Landtag.

 

Trotz der Tatsache, dass ich inhaltlich erst einmal null Komma gar nicht informiert war, lichtete sich das Chaos im Laufe der Sitzung und der Ausschüsse, in die ich Eva begleitet habe. Das brandaktuelle Thema „Kommunaler Finanzausgleich (KFA)“ begleitete uns beispielsweise im Haushaltsauschuss, in dem diesmal außer Regierungsfraktionen und Opposition auch Vertreter kommunaler Spitzenverbände reichlich Redebedarf zeigten. Die Verpflichtung des Landes Hessen, den Kommunen ausreichend Geldmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu sichern, wird natürlich von allen drei Beteiligten unterschiedlich betrachtet.

Die kommunalen Vertreter bemängelten beispielsweise, dass die Berechnungen zur Höhe der Zahlungen nur auf der Grundlage der „Ist“- Situation berechnet werden. Abgesehen von in der Sache klar entgegengesetzten Interessen, die auch hemmungslos und teilweise in harschem und zynischem Ton zur Sprache kamen, gab es zu den laufenden Gesprächen und Verhandlungen auch Lob von beiden Seiten. Das lockerte die Stimmung doch erheblich und zeigte auch das Ziel, eine gemeinsame zufriedenstellende Lösung zu finden.

Im Petitionsausschuss am Donnerstag ging es um ganz andere Themen. Hier wurde mir bewusst, dass die Politik in Wiesbaden sich auch mit dem Schicksal einzelner Menschen intensiv befasst. 
Speziell die Bittschriften unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge, die trotz rechtlich eindeutiger Lage Asyl gewährt bekommen wollen, zeigen Möglichkeiten der Humanisierung des oft hart und unmenschlich wirkenden Asylverfahrens.
In der Härtefallkommission kann allein aus humanitären Gründen der Aufenthalt in Deutschland und somit eine sichere und lebenswerte Zukunft für die Migranten gewährleistet werden.
 Diese Woche war also auf der einen Seite sehr finanzlastig, selbst der Finanzminister Dr. Thomas Schäfer erklärte, er habe die Präsentation zum Thema KFA an diesem Tag schon acht Mal vorgetragen. Auf der anderen Seite wurde mir auch bewusst, wie vor allem in der Asyl- und Integrationspolitik einfach Menschlichkeit auch eine Rolle spielt und bei der Bewertung mit einfließt.

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Coole Stimmung: LenaHarres mit der Mitarbeiterin Corinna Offene im Wahlkreisbüro der Abgeordneten.

 

Ein weiteres Highlight war die Landesmitgliederversammlung der Grünen am darauffolgenden Samstag in Fulda. Alle Mitglieder der Partei hatten dort die Möglichkeit, ihren Unmut oder auch ihre Freude über bestimmte Entwicklungen deutlich zu machen. Nach neun Monaten Regierungsbeteiligung gab es von den Ministern und den Abgeordneten in der Fraktion viel Gutes zu berichten. Tarek Al Wazir freute sich über die bisherige 100-prozentige Koalitionsvertragstreue. Obwohl die Grünen und die CDU natürlich sehr unterschiedlich seien, sei sozusagen „alles im Grünen Bereich“

.
Sehr amüsant fand ich den Beitrag eines jüngeren Mitglieds, der den Mistkäfer als Vergleich mit der Partei-Politik anführte: Dieser sei ja wunderschön und verdiene seinen Namen deshalb nicht. Aber es sei es auch eine nicht zu leugnende Tatsache, dass er eben immer noch Mist vor sich herschiebe. Beispielsweise in Bezug auf die Entsalzung der Werra oder dem Bau des Terminal 3 am Frankfurter Flughafen gäbe es noch viel Mist, den die Grünen vor sich herschieben würden. Das solle man beim Namen nennen.

In der folgenden Plenarwoche saßen fast alle Mitglieder der Fraktionen und auch die Minister in der Vollversammlung des Parlaments und debattierten sehr lebhaft miteinander. Hier wurde für mich deutlich, dass es nicht nur um die Kritik in der Sache geht, sondern rein ums Prinzip, eben um seiner Rolle gerecht zu werden. Für den objektiven Betrachter ist es oft schwierig, sich ein stimmiges Bild zur Situation zu machen. Da fehlt eben auch das inhaltliche Wissen zu den sehr spezifischen Themen, wie zum Beispiel „der Neuregelung des Gebührenrechts im Bereich der Hygiene bei der Gewinnung von Frischfleisch.“

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Zu Windkraft: „Nicht den Fehler begehen, Naturschutz zu vernachlässigen“

Auszüge aus einem Interview mit Tarek Al-Wazir und Priska Hinz

Tarek Al- Wazir, Vizeministerpräsident und Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung 
Priska Hinz, Umweltministerin

TOP 1: Regieren mit der CDU

Wie schaffen die Grünen es, mit der CDU, die ja früher eher ein Feindbild darstellte, ohne wirklich große Streitpunkte zu regieren?

T. Al-Wazir: Ganz viel Kommunikation nach innen, Absprachen, Aussprachen..
Wir sprechen nach außen nicht schlecht übereinander – im Gegensatz zu der Großen Koalition im Bund. Es wundert auch viele, dass zwei ganz unterschiedliche Parteien mit vielen verschiedenen Vorstellungen so gut zusammenarbeiten. Trotzdem bemühen wir uns, in der Sache zu guten Lösungen zu kommen. 
Die Gefahr oder zumindest die Problematik ist ja hierbei, dass nach außen hin klar werden muss, was „grün“ ist und was „schwarz“. Es soll kein „Einheitsbrei“ entstehen und die Ziele und Erfolge der Grünen sollen klar als solche erkennbar sind. Deshalb geht es jetzt erstmal um die Abarbeitung des Koalitionsvertrags.

Frau Hinz, wie kann man sich bei Ihnen den Wechsel vom Bundestag in das hessische Parlament vorstellen? Wurden Sie angerufen und gefragt, ob Sie nicht Lust auf einen Ministerposten hätten?

P. Hinz: Ich habe die Koalitionsverhandlungen mitgeführt, deshalb war ich zu diesem Zeitpunkt in Hessen. In der Verhandlungsgruppe hat sich dann, nachdem der Ressortzuschnitt klar war, herauskristallisiert, wer für diese Ämter vorgeschlagen werden würde. Entschieden hat schließlich der Landesvorstand. Ich habe das gerne angenommen.

TOP 2: Energiewende/ Ökologie

Das Thema „Energiewende“ bzw. Windkraft wird von der Opposition als unökonomisch und unökologisch betrachtet. Naturschutz und Tierschutz würde vernachlässigt, die Bürger vor Ort beschweren sich über eine „Verschandelung“ der Landschaft.

T. Al- Wazir: Die Energiewende ist erst einmal schon dadurch eine große Chance, dass wir Wertschöpfung im Land behalten und weniger Geld ausgeben für den Import von Öl, Kohle und Gas.
Auch ökologisch ist es eine Riesen-Chance, weil Atomkraftwerke abgebaut werden können. Dabei muss man natürlich dafür sorgen, Strukturen zur alternativen Energie-Gewinnung aufzubauen.
Hier haben wir auch als Industrienation eine Vorreiterrolle: Wenn wir das schaffen, werden sich andere ein Beispiel daran nehmen. Vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels sind erneuerbare Energien unabdingbar.
 Natürlich darf man nicht den Fehler begehen, Naturschutz zu vernachlässigen, deshalb gibt es bei jedem Windkraftprojekt auch Ausschlussgründe. Es werden Vogelzählungen gemacht, es werden Gutachten erstellt, man schaut über eine Vegetationsperiode hinweg, ob es Punkte gibt, die den Bau des Windrads unmöglich machen. Wenn man aber den Willen hat, Naturschutz und Windkraft zu vereinen, dann geht das auch. Wenn man allerdings den Naturschutz nur vorschiebt, weil man das Windrad nicht will, dann können wir diese Leute nie überzeugen, egal was wir machen.
Über die Jahre hinweg werden wir wahrscheinlich eine Art „Normalisierung“ bei den Menschen und ihrer Meinung zur Windkraft erleben. Wenn das Landschaftsbild sich verändert, sind die Menschen erstmal skeptisch, nach einer gewissen Zeit gehört es einfach dazu und die Gemeinden haben dann vielleicht sogar ein Windrad im Stadtlogo!

P. Hinz: In meinem Ministerium genehmigen wir derzeit nur nach dem Emissionsschutz-Gesetz neue Anlagen und ich sage ganz deutlich, dass es bei dieser Thematik zwei Seiten der Medaille gibt: Zum einen den Klimaschutz – wir wollen keine Atomenergie oder Strom aus die Umwelt verpestenden Kohlekraftwerken – und in einem Land wie Hessen ist es am besten, dabei auf Windkraft zu setzten. Auf der anderen Seite ist klar: Wir müssen dabei immer umsichtig handeln. Deshalb geht jeder Genehmigung eine Prüfung durch ein Gutachten voraus, in dem wir uns auch mit Fragen wie dem Schutz von Fledermäusen oder des Roten Milans beschäftigen.

Aber da, wo es möglich ist, sollen auf zwei Prozent der Landesfläche Windräder errichtet werden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass 98 % nicht bebaut werden. Auf den Höhenlagen wird es sicher eine Verdichtung geben, und weil dort vor allem Wälder existieren, werden dort Maßnahmen nötig. Als waldreichstes Bundesland kommen wir mit diesen sehr zurückhaltenden Eingriffen allerdings gut zurecht. Und einen letzten Vorteil möchte ich dabei noch benennen: Man kann Windenergie, sofern irgendwann einmal eine bessere Technologie entwickelt werden sollte, rückstandslos wieder abbauen. Das können wir von Atomenergie gar nicht sagen. Auch die Kohleenergie mit dem Unter-Tage-Bau kann dabei nicht mithalten, weil sie nebenher unsere Klimaschutzziele vollkommen ruiniert. Im Bereich der Solarenergie kann man sicher noch mehr tun, muss aber auch bekennen, dass in einem Land wie Hessen die Windenergie größere Chancen mit sich bringt.

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