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Rauf auf 560 Prozent: Bürgermeister Paule verteidigt seinen zweiten Anlauf, die Grundsteuer zu erhöhen„Ich bin bei meiner Überzeugung geblieben“

ALSFELD (aep). Am Donnerstagabend brachte Bürgermeister Stephan Paule den Haushaltsplan für 2015 im Alsfelder Parlament ein – und dabei einen gar nicht alten Vorschlag, wie das Haushaltsdefizit, das Alsfeld seit vielen Jahren begleitet, vermieden werden kann: eine spürbare Anhebung der Grundsteuer auf 560 Prozent. Die Fraktionen ließen diesen erneuten Vorstoß erst einmal unkommentiert – bei Oberhessen-live gab es aber wohl kritische Kommentare. Auf Anfrage verteidigt Paule seinen erneuten Versuch.

 Mit der Idee hatte der Bürgermeister bereits im Frühjahr für Aufsehen gesorgt: Eine drastische Anhebung der Grundsteuer und moderate Anhebung der Gewerbesteuer könnten den Haushalt ausgleichen, wie vom Regierungspräsidium gefordert wird. Er scheiterte damit aber am Widerstand der SPD/ALA-Koalition, die eine höhere Gewerbesteuer durchsetzte. Nun der erneute Versuch. Warum? Ist die Idee nicht vom Tisch, nachdem sie einmal abgelehnt wurde – und nun prompt auf Kritik stößt? Danach befragt, antwortete Paule mit einer Stellungnahme, die wir hier im Wortlaut wiedergeben:

„Weiterhin die bessere Lösung“

„Die Verteilung Gewerbesteuer 399 und Grundsteuern 560 ist aus meiner Sicht weiterhin die bessere Lösung für Alsfeld und das aus einer Vielzahl von Gründen:

1. Der Einbruch der Gewerbesteuer hat gezeigt, dass diese Steuerart einen viele höheren Unsicherheitsfaktor besitzt als die Grundsteuer. Natürlich löst dies nicht das Problem eines plötzlichen Gewerbesteuereinbruchs von mehreren Millionen, aber insgesamt wird die Planungssicherheit deutlich erhöht. Und wenn sich das Ergebnis hierdurch auch nur leicht verbessert ist, ist auch dies ein wichtiger Schritt zur Konsolidierung der Finanzen unserer Stadt.

2. Auch das äußere Signal einer Gewerbesteuer von 425 Punkten, wie sie gegen meine Empfehlung im Frühjahr durchgesetzt wurde, hat nicht nur finanziell negative Auswirkungen. Sie ist auch ein negatives Signal für ansiedlungswillige Unternehmen. Bestehende Unternehmen, die an mehreren Standorten tätig sind, könnten hierdurch auch veranlasst werden, so viele Arbeitspätze wie möglich an die Standorte mit niedriger Gewerbesteuer zu verlagern, um in Alsfeld Steuern zu sparen, denn die Zerlegung der Unternehmensgewinne auf einzelne Standorte erfolgt nach der Beschäftigtenzahl.

3. Kritiker vergessen, dass auch Unternehmen Grundsteuern zahlen. Unternehmen, die aufgrund positiver Geschäftsaussichten investieren und gutes Geld verdienen, reduzieren z. B. durch die Investition ihren Gewinn und damit sinkt auch die Gewerbesteuer. Über die Grundsteuer wäre die Gemeinde aber auch an der Wertschöpfung durch die Neuinvestition beteiligt und das Unternehmen würde zum Steueraufkommen in diesem Bereich erheblich beitragen.

4. Auch mit einem Hebesatz von 560 Punkten lägen die Alsfelder Grundsteuern nicht annähernd so hoch wie in anderen Schutzschirmkommunen, wo für 2015 sogar Hebesätze von über 800 Punkten diskutiert werden. Sogar Lauterbach musste schon in 2014 auf 630 Punkte erhöhen. Das wird es in Alsfeld nicht geben.

5. Einzelne Privathaushalte werden von einer Festsetzung auf 560 Punkte (gegenüber zurzeit 485 Punkten) in der Regel mit weniger als 100 Euro mehr belastet (wie ich schon im Frühjahr erklärte).

Als Bürgermeister bin ich nicht rein politischen, sondern in allererster Linie Sach-Überlegungen unterworfen. Aus politischer Hinsicht wäre es immer am klügsten, überhaupt keine Veränderungen bei den Steuersätzen vorzuschlagen und wenn, dann nur nach unten. Aus sachlicher Sicht muss ich jedoch, genau wie im Frühjahr, die Meinung vertreten, dass eine dauerhafte Gesundung der Stadtfinanzen mit den von mir schon ursprünglich vorgeschlagenen Hebesätzen besser möglich ist. Aufgrund der Entwicklungen im laufenden Jahr hoffe ich auch, dass diejenigen, die im Mai diesem Vorschlag nicht gefolgt sind, den Sinn dieser Lösung erkennen: zum Wohle unserer Stadt und langfristig auch der Bürger die sich zurzeit darüber ärgern, dass ich beim Thema Hebesätze bei meiner Überzeugung geblieben bin.“

3 Gedanken zu “„Ich bin bei meiner Überzeugung geblieben“

  1. Ach ja, eins noch zu Punkt 3 des Herrn Paule : Natürlich müssen Unternehmen auch Grundsteuer zahlen, aber Sie können diese auch wieder als Betriebsausgabe absetzen. Im Klartext: Bei einem Einkommensteuersatz von z.B. 40% kosten 1000 € Grundsteuer einen Unternehmer nur 600 €, weil er ja dadurch, das er die Grundsteuer als Betriebsausgabe absetzen kann, 400 € weniger Einkommensteuer zahlt. Plus Soli und Kirchensteuer! Ist schon komisch, der Herr Bürgermeister ist Mitglied der Partei mit dem „C“ im Namen für christlich, kennt aber das 8. Gebot nicht.

  2. Hier ist auch wieder ganz klar erkennbar, wen der Bürgermeister belasten will, nämlich Hauseigentümer mit selbst genutztem Wohneigentum und Mieter. Zu deutsch die kleinen Leute. Großverdiener und Unternehmer sollen im Sinne der Partei des Bürgermeisters geschont werden. Ich nenne so etwas ein weiteres Beispiel für eine Umverteilung von unten nach oben, die jetzt schon auf kommunaler Ebene betrieben werden soll. Die Löhne in Deutschland sind lächerlich und die Kosten für Energie in jeder Form bald unbezahlbar und Spitze in Europa. Und Herr Paule hat nichts Besseres zu tun, wie erneut an der Steuerschraube zu drehen.
    Übrigens: Die Gewerbesteuer möchte er gerne auf 399 Prozentpunkte senken, weil bis zu einem Hebesatz von 400% grundsätzlich durch die Anrechnung auf die Einkommensteuer wieder eine vollständige Entlastung der Unternehmen erreicht wird. Wenn der Haushalt konsolidiert werden soll, dann gefälligst von allen und nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.

  3. „5. Einzelne Privathaushalte werden von einer Festsetzung auf 560 Punkte (gegenüber zurzeit 485 Punkten) in der Regel mit weniger als 100 Euro mehr belastet (wie ich schon im Frühjahr erklärte).“

    Das sind nach Adam Riese und Eva Zwerg immerhin 25 € im Quartal MEHR als bislang.
    Die Ausgaben „läppern“ sich – insgesamt, also leider nicht nur hierfür! Mal hier ein Zehner, dort ein Fünfer … und Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist!
    Wenn ich zB jetzt womöglich noch rauchen oder Alk trinken oder „alle Nase lang“ Essen gehen würde oder irgendwelche Vergnügungen erleben wollte, dann bräuchte (bzw könnte) ich mir keine Lebensmittel oder Hygieneartikel mehr (zu) kaufen und überdies viel Phantasie, wie ich mir am besten das Geld „aus den Rippen schnitzen“ könnte

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