Kultur0

Mittendrin bei der Buchmesse 2014: Jessica zwischen Ikea-Charme und WinterzauberWo es Inspiration förmlich rieselt

FRANKFURT. Man sagt, dass manche Menschen ihr Herz auf der Zunge tragen, andere hingegen tragen es zu Papier. Sie schreiben jedem von uns eine eigene kleine persönliche Welt – sie, das sind die verschiedensten Autoren. Jeder von ihnen weiß welch große Macht Worte haben können und nutzen dies geschickt aus um uns in spannende, traurige, fröhliche und vor allem auch mitreißende und ergreifende Geschichten zu entführen. Dahingehend gibt es keinen besseren Ort als die Frankfurter Buchmesse um sich wortwörtlich verzaubern zu lassen.

Hier, wo sich Druckerschwärze und Papier in den Seiten liegen und jedes Buch wie ein akkurates Geschenkpaket wirkt, muss man lediglich einen freien Kopf haben, denn hier rieselt es förmlich Inspiration. Zur Vorbeugung eines erhitzen Gemütes angesichts solch großer Menschenmassen , sorgt in diesem Jahr der Ehrengast, das coole Finnland.

 

Alle guten Dinge sind drei und so begeben wir uns zum dritten Mal zur Frankfurter Buchmesse. Man könnte meinen, Gewohnheit erzeugt Langeweile, doch unsere Motivation und Neugier überstrahlen das triste Regenwetter. Wir betreten das Gelände, treffen auf Freude aus Stuttgart und fahren wie eine kleine Reisegruppe per Laufband und Rolltreppe auf die Hallen zu – selbständig laufen müssen wir an diesem Tag sicherlich noch mehr als genug. Schon zu Anfang wird leider eine negative Entwicklung deutlich – die Menschen werden immer dreister. Auch wenn die Gänge immer breiter werden, hält es manch einer für nötig seine Ellbogen auszufahren.

Kühl, glänzend und weiß: Ikeagefühl

Sicherlich legitim, denn auf der Autobahn fährt man dem Vordermann tendenziell auch lieber hinten drauf, anstatt zu warten. Nichtsdestotrotz ist unser Immunsystem mittlerweile „buchmesseresistent“ und wir betreten euphorisch Halle um Halle. Wir treten in den Pavillon des Ehrengasts Finnland ein und sind zunächst ein wenig irritiert. Der Saal wird durch sechs kreisrunde Zonen gegliedert. Alles wirkt recht kühl, glänzend und weiß – Ikeagefühle kommen auf. Wir betreten die einzelnen Zonen und verwerfen unseren ersten Eindruck umgehend. Eine Zone besticht mit finnischen Kinderbuchfiguren, die sich durch große Deckeninstallationen, eine kleine Höhle oder Schiebebilder erkenntlich zeigen. Man fühlt sich sofort wohl. Ein nostalgischer, nordischer Hauch und viele Sitzmöglichkeiten laden zum Verweilen ein. Es gibt zwei Bühnen, auf denen gelesen und diskutiert wird. Getreu dem Motto „Finnland.Cool“ werden Schneeflocken an die Wände der Zonen projiziert. Ich fühle mich trotz der sommerlichen Temperaturen verzaubert und bekomme direkt Lust auf den Winter. In einer weiteren Zone sind finnische Bücher ausgestellt, die zum Schmökern aufrufen.

OL-Buchmesse2-1210

Astrid Hofferson alias Elisa Czaja.

 

Unsere Gruppe begibt sich weiter in Halle 3.0. Hier gibt Sach-, Kinder,- und Jugendbücher. Im Vorbeischlendern an dem Grüffelo, dem Maulwurf Pauli und Kinderbuchklassikern wird man ein wenig sentimental – liegt die stressfreie Kindheit doch gar nicht so weit zurück. Trotzdem lässt man sich gerne von derartiger Niedlichkeit mitreißen. Weniger niedlich, aber umso amüsanter sind die Star Wars Krieger, die durch die Halle schleichen. Mit ihren weißen glänzenden Rüstung erinnern sie mich schon fast an den Ikeacharme des Gastgeber Pavillons. Wir ergattern ein Bild mit Darth Vader und weiteren Charaktern und sind durchaus zufrieden.

Ein weiteres persönliches Schmankerl ist das Treffen von Tom Lehel. Mit seiner wilden Föhnfrisur und der skurrilen Sonnenbrille ist er in der Masse unverkennbar. Zugegeben, als Kind habe ich gerne Kika geguckt, und da ist es ein Handlung der Freude auf jemanden zu treffen, der aus Tabaluga tivi und dem Tanzalarm bekannt ist. Er wirkt ein wenig irritiert aber gleichsam freundlich und willigt auf ein Foto ein. Mit einem dicken Grinsen betreten wir Halle 5.0, in welcher zahlreiche internationale Verlage ausstellen. Vorbei an Bulgarien, Ungarn, Thailand, Saudi-Arabien und Mexiko lassen wir uns regelrecht auf eine kleine Weltreise mitnehmen. Jeder Stand ist einzigartig gestaltet und zeigt die Vorzüge seines Landes auf. Wir bleiben stehen und schmökern in großen Bildbänden, denn mit der Sprache sind wir häufig nicht vertraut.

Es gibt so unglaublich viele schöne Orte auf der Welt, die es zu Erkunden gilt und die Frankfurter Buchmesse ist ihr Ursprung. Allmählich verlieren wir gewollt die Orientierung, was angesichts der geographischen Verwirrung um uns herum nicht allzu schlimm ist. Wir durchlaufen diverse Gebiete ohne auf die Hallenbezeichnung zu achten. Wir genießen eine Kochshow, hören gelegentlich und kurzzeitig bei Vorlesungen zu und unterziehen uns, wieso auch immer, einem sogenannten Seminar von Samsung. Wobei letzteres dadurch untermauert werden muss, dass wir uns gelegentlich über die ganzen Fotos amüsiert haben, die während der Buchmesse auf dem Testsmartphone entstanden sind. Jedenfalls merkt man, dass auch die Messe Teil des technischen Fortschritts wird. Waren Tablets vor drei Jahren nahezu eine Seltenheit, stellt heute kaum ein Verleger ohne dieses anlockende Medium aus. Wir wissen nicht so recht was wir davon halten sollen und unterhalten uns stattdessen mit einem Fotografen, der uns ein wenig über seine Familie erzählt. Interessant, welch aufgeschlossene Menschen man hier trifft!

OL-Buchmesse3-1210

Kühl wie der Norden: die Finnlandhalle.

 

Im Außenbereich des Messegeländes sind wie jedes Jahr große Ansammlung von Cosplayern zu finden. Eins steht fest, diese Menschen polarisieren. Manche Unbeteiligten gucken skeptisch, gar schockiert, andere hingegen sind fasziniert. Ich zähle zu den Letzteren, da ich ihren Ehrgeiz und vor allem aber auch ihr Handwerk bewundere. Wie die zwei Jahre zuvor, verkörperte Elisa Czaja, Teil unserer Gruppe, auch dieses Jahr einen faszinierenden Charakter.

Astrid Hofferson alias Elisa Czaja

„Das Anfertigen des Kostüms der Astrid Hofferson aus „Drachenzähmen leicht gemacht 2“ hat ewig gedauert! Ich habe über fünf Wochen verteilt daran gearbeitet. Manche Arbeitsschritten gingen schneller, manche leider furchtbar langsam. Daher brauchte ich eine Menge Ausdauer. Manchmal hätte ich es beinah aufgegeben. Dennoch hätten meine Freunde das nicht zugelassen, da ich bis dato schon sehr viel Mühe und Nerven in das Kostüm gesteckt habe. Von der Planung und Recherche bis zum letzten Stich war alles eigene und vor allem aber harte Arbeit. Schien mir die Fertigstellung am Anfang des Projekts noch wie ein Traum, bin ich jetzt einfach nur stolz darauf“.

Die harte Arbeit ist alle Mühe wert gewesen.. Das Kostüm sieht nicht nur unglaublich detailgetreu aus, sondern sticht aus der Masse heraus. Viele Menschen kommen auf Elise zu, möchten Fotos machen und sprechen ihr ihre Anerkennung zu.

OL-Buchmesse4-1210

Der Reclam-Regenbogen.

 

Wieder angekommen im Innenbereich lässt sich unser Zustand mit einem Wort beschreiben: müde. Wir müssen die vielen Menschenmassen und die zahlreichen Eindrücke vorerst auf uns wirken lassen. Wir schleichen regelrecht durch die Hallen und wenden uns dem Reclam Verlag zu. Hier stehen Schillers, Goethes, Kafkas und andere bedeutsame Werke in einem Regenbogen aufgereiht. Behutsam blättern wir uns durch die Seite und merken dabei, wie sich uns die Augenlider förmlich schließen. Wir laufen der Müdigkeit entgegen und finden ein Buch, das sich „Jugendsprache“ schimpft.

Schockiert von „Swag“ , „babo“ und „Niveaulimbo“

Um ehrlich zu sein, kann ich meine Gefühlslage nicht recht bestimmen. Ich bin schockiert, belustigt und irritiert. Ich weiß nicht in welchem Umfeld die aufgelisteten Wörter ernsthaft fallen sollen. Jedenfalls bin ich noch nie auf einen Geburtstag gegangen und habe gesagt, dass dort der „Groove“ abgeht. Vielleicht habe ich einfach keinen „Swag“ , bin nicht „babo“ genug und tanze kein „Niveaulimbo“, aber damit kann ich ganz gut leben. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt um diese Sprachkultur zu verstehen. Schließlich verlassen wir die Buchmesse mit vielen Eindrücken – sowohl negativen, als auch positiven. Dennoch freuen wir uns bereits auf das nächste Jahr und fiebern den nächsten 365 Tagen voller Motivation und Elan entgegen.

Von Jessica Haak

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren