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Jahrelange Debatte ums Kreiskrankenhaus – Umfrage bei Beteiligten: Wer fordert was?Ein beinahe einiges „Ja“ zur großen Fusion

ALSFELD. Eine Fusion mit den Kliniken Bad Hersfeld und Fulda. Das ist die aktuelle Idee in der Diskussion, wie das Kreiskrankenhaus Alsfeld gerettet werden kann. Die Einrichtung schreibt seit längerem rote Zahlen. Die Verhandlungen für einen „Klinikverbund Osthessen“ laufen. Die Zukunft des Alsfelder Krankenhauses beschäftigt die Politik schon seit Jahren, und wer weiß eigentlich noch, wer welche Position in den Debatten vertritt? Oberhessen-live hat sich in der aktuellen Debatte bei allen wichtigen Entscheidern, Beobachtern und Betroffenen umgehört. Wer fordert was? In aller Kürze: Das sagt … 

 Manfred Görig, Landrat

Im Landratsamt schweigt man zu den aktuellen Entwicklungen. Man habe bereits mehrere Interviews zu dem Thema abgelehnt, lässt Landrat Manfred Görig durch seinen Sprecher Erich Ruhl ausrichten. Die Rettung des Kreiskrankenhauses sei ein zentrales Anliegen des Landrates, heißt es. Mitte September seien die Verhandlungen womöglich soweit gediehen, dass man zu den Ergebnissen Stellung nehmen könne. Bis dahin: Funkstille.

Matthias Weitzel, SPD

Die SPD tut es dem Landrat gleich und hält sich bedeckt mit Einzelheiten zu ihren Forderungen. Unter der Vorgängerkoalition sei einiges „verbockt“ worden und man sei nun dabei „die Fehler auszubügeln“, sagt Matthias Weitzel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kreistag. Es bringe nichts, sämtliche Entwicklungen in der Presse zu kommentieren. Wichtig sei, das Kreiskrankenhaus Alsfeld und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.

Dr. Udo Ornik, die Grünen

Die Grünen als Teil der Regierungskoalition unterstützen die Pläne des Landrats und sind für eine Fusion. Auch unter den Bedingungen des demographischen Wandels sei es wichtig, die kommunale Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten, sagt der Fraktionsvorsitzende Dr. Udo Ornik. Seine Fraktion erhofft sich zum einen betriebswirtschaftliche Vorteile aus einem Zusammenschluss, zum anderen sollen aber auch die Patienten davon profitieren. Zu beachten sei, dass das Kreiskrankenhaus „im Kern mit seinen Leistungen erhalten bleibt“. Vor allem die Geburtenstation wollen die Grünen in Alsfeld halten.

Rettung gefunden? Die drei Krankenhäuser machen bislang hohe Schulden. Foto: brykmantra/flckr; Lizenz: CC BY-SA 2.0

Rettung gefunden? Die drei Krankenhäuser kämpfen bislang für sich allein ums überleben. Foto: brykmantra/flickr; Lizenz: CC BY-SA 2.0

Friedel Kopp, Freie Wähler

Momentan müsse der Kreis jährlich mehrere Millionen zum Betrieb des Krankenhauses dazugeben. Auf Dauer könne das nicht so weiter gehen, sagt Friedel Kopp von den Freien Wählern. Erst seit der Einführung der Abrechnung nach Fallpauschalen gehe es dem Kreiskrankenhaus so schlecht. Durch eine Fusion könne man das Alsfelder Krankenhaus in dem System neu ausrichten, sodass es wie andere Krankenhäuser von der Fallpauschale vielleicht sogar profitieren könne.

Ziel sei, das Kreiskrankenhaus in kommunaler Hand zu halten. Eine Privatisierung kommt nur im „absoluten Notfall“ in Frage, sagt Kopp. Forderungen wie die Wiedereingliederung ausgelagerter Tätigkeiten in den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) bezeichnet Kopp als „populistisches Geschwätz.“ „Das wäre alles wünschenswert. Es ist wirtschaftlich nur überhaupt nicht darstellbar“, sagt Kopp.

Dieter Boss, CDU

Das Kreiskrankenhaus sei ein Notfallkrankenhaus und habe Bestandsschutz, es müsse also auf jeden Fall erhalten werden, sagt Dieter Boss, stellvertretender Fraktionschef der CDU im Kreistag. Die Christdemokraten stünden deswegen voll hinter den Fusionsplänen. Allerdings, so Boss weiter: „Falls das nicht klappt, muss ein Plan B her“. Den sei der Landrat dem Kreistag bislang schuldig geblieben.

Boss erinnert an die früher schon mal diskutierte Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit mit dem Lauterbacher Krankenhaus. Weder unter Landrat Manfred Görig (SPD), noch unter seinem CDU-Vorgänger Rudolf Marx sei das ein Thema gewesen. Zudem setzt sich die CDU für den Erhalt der Geburtenstation im Alsfelder Kreiskrankenhaus ein. Stephan Paule, Vorsitzender der Fraktion und Alsfelds Bürgermeister, befindet sich zur Zeit im Urlaub.

Dr. Bernd Stumpf, FDP

Die FDP sei vermutlich die einzige Fraktion im Kreistag, die sich auch eine ganz andere Lösung vorstellen könne, sagt Dr. Bernd Stumpf, Chef der Liberalen im Kreistag – und spielt damit auf eine mögliche Privatisierung des Kreiskrankenhauses an. Allerdings spüre auch die FDP, dass man im Kreis das Krankenhaus in kommunaler Hand wissen wolle. Außerdem gehe aus den bislang erstellten Gutachten hervor: Eine Fusion könne alle drei Krankenhäuser in die schwarzen Zahlen retten. Deswegen werde seine Fraktion die Pläne des Landrats mittragen, sagt Stumpf.

Michael Riese, die LINKE

Auch die Fraktion der Linkspartei hat im Grunde nichts gegen eine mögliche Fusion einzuwenden. Allerdings macht sie ihre Zustimmung von zwei altbekannten Forderungen abhängig: Ein Zusammenschluss darf weder den Patienten, noch dem Personal schaden. Am liebsten würden die Linken mit der Kooperation die Arbeitsbedingungen sogar verbessern: Bedienstete wie Reinigungskräfte oder das Küchenpersonal, das bislang in Tochtergesellschaften ausgelagert sei, sollten wieder unter den Bedingungen des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes (TVÖD) eingestellt werden. Zudem dürfe die Einrichtung kein „Drehtür-Krankenhaus“ werden, welches die beiden größeren nur mit Patienten versorge, sagt Michael Riese, Chef der Linken im Kreistag.

Wo kann durch eine Fusion gespart werden? Darum geht es in den Verhandlungen. Foto: http://401kcalculator.org/flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Wo kann durch eine Fusion gespart werden? Darum geht es in den Verhandlungen. Foto: http://401kcalculator.org/flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Bodo Assmus, Geschäftsführer Kreiskrankenhaus

Bodo Assmus, Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses, spricht Klartext: „Es wird Arbeitsplätze kosten“, sagt er mit Blick auf die Fusion. Ziel sei, die Grundkosten der drei Krankenhäuser zu reduzieren. Seit der Umstellung auf das Pauschalkosten-System bekomme das Kreiskrankenhaus schleichend weniger Geld, erklärt Assmus. Gut 4,6 Millionen Euro musste der Kreis seit 2009 drauflegen. Abteilungen wie die IT und Verwaltung könnten zusammengelegt, Aufgaben umverteilt werden.

Allerdings werde es durch die Fusion „keine Welle betriebsbedingter Kündigungen geben“. Weil sich durch die Kooperation die Aus- und Weiterbildungsbedingungen für das Kreiskrankenhaus verbessern würden, werde der Standort gleichzeitig für neues, medizinisches  Fachpersonal attraktiver, sagt Assmus. Heißt: In der Verwaltung werden wohl Stellen gekürzt, bei den Medizinern könnten allerdings neue Stellen entstehen.

In der Debatte, ob das Alsfelder Krankenhaus saniert oder teilweise neugebaut wird, plädiert er für einen Neubau. Laut dem hessischen Sozialministerium (siehe weiter unten) hängt die Frage, für welchen Weg man sich in dieser Frage entscheidet, zumindest indirekt mit der Frage einer Fusion zusammen: Eine Fusion erhöht die Chancen auf Förderung. Alle Mitarbeiter wieder nach den Bedingungen des TVÖD zu beschäftigen, hält Assmus für zu teuer.

Norbert Korzenek, Betriebsrat

Trotz drohender Kündigungen für einige Mitarbeiter will der Betriebsrat eine Fusion mittragen. „Brauchbare Alternativen sind mir nicht bekannt“, sagt Norbert Korzenek, Betriebsratsvorsitzender des Alsfelder Kreiskrankenhauses. Bedenken, Alsfelder Patienten würden in Zukunft in Alsfeld abgewiesen und nach Fulda oder Bad Hersfeld geschickt, teilt Korzenek nicht. Die Bevölkerung sei an einer wohnortnahen Versorgung orientiert. Patienten an die Partnerhäuser zu verweisen, würde dem Kreiskrankenhaus schaden, sagt er. Wer sich eh ins Auto setzen müsste, um nach Fulda oder Bad Hersfeld zu fahren, würde dann vielleicht ganz andere Behandlungsorte wählen, so Korzeneks Befürchtung. „Es wird nicht funktionieren, dass ein Haus sich die Sahnestückchen herauspickt“, sagt der Betriebsratschef.

Auf die Frage, warum man aus dem Umfeld des Kreiskrankenhauses höre, es herrsche Angst und eine gedrückte Stimmung unter den Beschäftigten, antwortete Korzenek: „Wenn über lange Jahre eine Perspektive nicht gegeben ist, stellt sich eine Zurückhaltung ein, was Optimismus betrifft“. Außer Lippenbekenntnissen habe die Politik in der Vergangenheit nichts geliefert. Allerdings: „Das [jetzige] Konzept lässt sowas wie Zuversicht wachsen“, sagt der Betriebsratschef weiter.

Er könne sich „schon vorstellen“, alle ausgegliederten Mitarbeiter wieder zu den Bedingungen des TVÖD zu beschäftigen. Doch zunächst möchte der Betriebsrat die Entwicklung des medizinischen Konzepts abwarten. Korzenek wünscht sich zudem, dass die Bevölkerung den Wunsch, das Kreiskrankenhaus zu erhalten, stärker in der Öffentlichkeit artikuliert und dass die Politik einen Plan B entwickelt, falls die Fusion scheitert.

Karte: Hier liegen die drei Krankenhäuser

das Land Hessen

In Wiesbaden ist man grundsätzlich für die Fusion. „Die Landesregierung begrüßt sämtliche Bemühungen, die kommunalen Kliniken in Hessen zu Verbundbildungen zu bewegen“, sagte eine Sprecherin des Sozialministeriums im Frühjahr der Fuldaer Zeitung. Der Erhalt der öffentlichen Trägerschaften für Krankenhäuser sei wichtig – und das gehe nur, wenn öffentliche Krankenhäuser „in übergeordnete Strukturen eingebracht werden.“ Besonders interessant: Ob das Land für einen möglichen Neubau des Alsfelder Kreiskrankenhauses Geld gibt oder nicht, hängt mit der Frage einer Fusion zusammen. In einem Verbund befindliche Kliniken würden „in der Regel gestärkt“, sagte die Sprecherin laut der Zeitung.

Kerstin Hinkelthein, Verdi Osthessen

„Man kann der Privatwirtschaft nicht den Markt überlassen. Daseinsvorsorge ist ein klassisches Feld, in dem Politik mitmischen muss“, sagt Kerstin Hinkelthein,
Fachbereichssekretärin für Gesundheit und Soziales bei Verdi Osthessen. Würden Kommunale Krankenhäuser nicht gestärkt, stelle sich über kurz oder lang nur die Frage, von welchem der großen Gesundheitskonzerne sie geschluckt würden.

Die Gewerkschaft sei also für die Fusion, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert und die drei Klinikstandorte erhalten werden können. Eine solche Kooperation müsse allerdings langfristigen Erfolg bringen. Verdi würde sich wünschen, bei den schlussendlichen Verhandlungen mit einbezogen zu werden, um dabei die Arbeitnehmerrechte zu vertreten. Das Maximalziel der Gewerkschaft: Alle Mitarbeiter sollten zu den Bedingungen des Tarifvertrages des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) beschäftigt werden. Das fordert auch die Linksfraktion im Kreistag, der Betriebsrat ist ebenfalls dafür.

Die Verantwortlichen in Fulda und Bad Hersfeld

Im Kreis Bad Hersfeld-Rotenburg regt sich Widerstand gegen den Zusammenschluss. Die Stadtverordneten in Rotenburg haben eine Resolution verabschiedet. Grund: Sie fürchten, die Fusion könne die enge Anbindung des Hersfelder Klinikums an das Rotenburger Herz- und Kreislaufzentrum (HKZ) und das Rotenburger Kreiskrankenhaus gefährden. Rotenburgs Bürgermeister Christian Grunwald (CDU) sieht 1400 Arbeitsplätze in seiner Stadt in Gefahr.

„Die Intention der Resolution der Stadtverordnetenversammlung richtet sich vielmehr allein auf die Sicherstellung der wohnortnahen Gesundheitsversorgung im Landkreis Hersfeld-Rotenburg. Daher spricht sich die Stadtverordnetenversammlung in Rotenburg für die dafür aus ihrer Sicht notwendigen Gespräche der drei Kliniken im Landkreis Hersfeld-Rotenburg aber nicht per se gegen die Fusionsplanungen Alsfeld/Fulda/Hersfeld aus“, antwortet Grundwald auf eine Anfrage von oberhessen-live.

Im Hersfelder Landratsamt mauert man: „Keine Chance, irgendetwas zu hören“, sagte Michael Adam, Pressesprecher des Landrats Dr. Karl-Ernst Schmidt (CDU). Die Verhandlungen seien streng vertraulich.

In Fulda sieht es anders aus. Oberbürgermeister Gerhard Möller (CDU) sagte gegenüber oberhessen-live, es gebe „keine erkennbaren, großen Widerstände“ in den Gremien der Stadt. Das Klinikum in kommunaler Hand halten zu wollen, sei fraktionsübergreifend Konsens. Er wolle aber nicht ausschließen, dass es später bei Detailfragen Auseinandersetzungen geben könne. Zu den einzelnen Positionen, die Fulda in den Verhandlungen derzeit vertritt, sagte auch Möller nichts. Es sei zu früh, „irgendwelche Einzelheiten bekannt zu geben“.

Das Bundeskartellamt

Ein möglicher „Klinikverbund Osthessen“ wäre so groß, dass zunächst das Bundeskartellamt seiner Gründung zustimmen müsste. Die Behörde sichtet laut Bodo Assmus, Geschäftsführer des Kreiskrankenhauses, bereits erste Unterlagen. Der Vorgang zählt allerdings nur als ein informelles Vorprüfverfahren, welches vertraulich behandelt wird. Ein offizieller Antrag zur Prüfung einer Fusion ist laut einem Sprecher noch nicht eingegangen.

Von Juri Auel  – mehr über den Autor 

 

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