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MEINUNG: Der große Steuersprung kommt allzu plötzlich – Aber alles kostet ebenVon gestrigen Geschenken heute eingeholt

Die Beschlüsse des Lauterbacher Stadtparlaments, Gebühren und Steuern spürbar bis drastisch anzuheben, haben für den zu erwartenden Aufschrei mit deftiger Kritik an „den Politikern“ und „der Verwaltung“ geführt. Klar: Leben in der Vogelsberger Kreisstadt wird damit auf einen Schlag schlicht spürbar teurer. Und insofern ist die Kritik jetzt auch berechtigt – soweit damit der Ruck gemeint ist, der nun fällig wird, um eine marode städtische Finanzlage zu retten. Generalkritik an den Mehrkosten kommt aber kurzsichtig rüber. Wer will denn was von den teuersten Posten streichen?

Höhere Gebühren für Kindergärten, Bücherei, Friedhof und mehr. Höhere Steuern: Geballt kommt dieses Maßnahmenpaket wie eine Ohrfeige für die Einwohner Lauterbachs rüber – und dient doch nur dazu, einen städtischen Haushalt halbwegs auszugleichen, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten allzu spendabel gewesen ist. Das ist gar kein Lauterbacher Problem allein: In den meisten Kommunen gingen Lokalpolitiker einst recht lax und „pi mal Daumen“ mit Gebühren um, die damals schon eigentlich zwingend kostendeckend sein sollten. Das beginnt bei Dorfgemeinschaftshäusern, die in manchen Gemeinde-Haushalten fette Löcher rissen und reißen und zieht sich bis zu Wassergebühren, die aus politischem Willen niemals auch nur in die Nähe von Deckung geraten sind. Die so genannte Drittelregelung für die Kosten von Kinderbetreuung wurde praktisch nie eingehalten.

Dabei ist klar: Manche Kostenstellen haben keine Chance, ohne Defizit auszukommen – und müssen nach dem politischen Willen doch sein (ÖPNV, Jugendfördereinrichtungen). Und manche dieser Posten konnte man sich einst auch leisten, weil die Pflichtaufgaben weniger waren als heute. Irgendwie hat man in den Parlamenten darüber aber auch den Blick für das rechte Maß verloren. Das war in Lauterbach nicht anders .

Eine Kleinstadt-Bücherei, die 200.000 Euro Zuschuss im Jahr kostet, eine Kinderbetreuung, die den Nutznießern keine 25 Prozent Beitrag abverlangt, ein Freizeitzentrum mit hohem, sechstelligem Zuschussbedarf und so weiter. Einiges von der jetzt aktuellen Teuerung war schlicht schon lange überfällig, will man den Status halten – und hätte vielleicht lange in Stufen kommen müssen, um einen drastischen Sprung zu vermeiden. Interessant ist dabei, dass eine der minimalsten Steigerungen zu einer der intensivsten Diskussionen führte: die Anhebung der Jahresgebühr für die Stadtbücherei um 13 Euro im Jahr – wenig mehr als einem Euro im Monat – auf eine Gesamtsumme, die geringer ausfällt als eine billige monatliche Handy-Flatrate. Das reizt zu der sozialpolitisch vielleicht ketzerischen Frage, warum nicht Erwachsene gleich 50 Euro jährlich dazu geben, und der immer noch billige Tarif überhaupt nur Jugendlichen vorbehalten bleibt.

Über die Belastung via Grundsteuer wurde jüngst auch schon in Alsfeld gestritten. Die dürfte in Lauterbach ebenfalls pro Haushalt im einstelligen bis unteren zweistelligen Bereich monatlich bleiben. Ist das für sich betrachtet zu viel? Richtig teurer wird im Grunde vor allem die Kinderbetreuung. Steigerungen um über 20 Euro monatlich können manchen Familienetat schmerzhaft belasten, und diese Teurung trifft vor allem jene, die es am nötigsten haben: Alleinerziehende mit geringerem Einkommen, die ohne Kinderbetreuung schlicht aufgeschmissen sind (Der größere Aufschrei kommt wahrscheinlich aber von jenen Eltern, die im SUV zu Elternversammlungen fahren und dann über zehn Euro Zuschuss zur Klassenfahrt leidenschaftlich streiten können.). Politisch entsteht dabei die Frage: Wieviel ist Kinderbetreuung unsere Gesellschaft wert? Wieviel kann man Eltern abverlangen – wieviel der Allgemeinheit aufbürden?

Was ist mit dem Freizeitzentrum? Eine halbe Million Euro Zuschuss verlangt es dem Stadtsäckel jährlich ab – indirekt sogar noch mehr. Das reizt geradezu zu der Frage: Muss das sein? Wahrscheinlich schon, will die nicht unbedingt sprudelige Stadt den (vor allem jüngeren) Einwohnern so etwas wie Freizeitwert bieten. Aber auch dieser Spaß will einfach finanziert werden – und sei es über teurere Eintrittskarten.

Unter dem Strich bleibt die Feststellung: Wenn Lauterbachs Politik sich nun heftiger Kritik ausgesetzt sieht, dann nicht zu Unrecht angesichts des unpopulären Kraftakts, der die Kreisstadt in kein attraktives Licht setzt. Zugleich gilt aber auch: Wir haben uns so an die vielen Segnungen unserer Gesellschaft gewöhnt, dass wir glatt vergessen, wieviel Geld das alles kostet, wieviel öffentlicher Zuschuss in all‘ der öffentlichen Infrastruktur bereits drinsteckt, die wir nutzen, die uns umgibt – bis hin zu einem Gefühl von Sicherheit, die wir uns mit sozialen Leistungen erkaufen.

Man kann darüber streiten, wer für diesen öffentlichen Service wieviel zahlt, und es hat den Eindruck, dass „die da oben“ manchmal zu billig davon kommen. Man darf aber auch davon ausgehen: Billiiger wird das alles nicht mehr werden, in Lauterbach nicht und auch anderswo.   Axel Pries

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