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Plan in Lauterbach: die Altstadt durch mehr Autoverkehr beleben – Parkgebühren?An der Türmergasse scheiden sich die Geister

LAUTERBACH (aep). Die Themen an sich klingen nach Diskussionsstoff. Doch bei der Bürgerversammlung am Mittwochabend in Lauterbach zu Fragen der Verkehrsführung und Parkraumbewirtschaftung in der Altstadt zeigte sich: Es geht um mehr. Es geht um Grundsatzfragen des Lebensgefühls, differenziert nach klassischem Muster: pro Wirtschaftlichkeit durch das Auto oder pro Belebung durch mehr Fußgängerfreundlichkeit. Kristallisierungspunkt: die Türmergasse am Marktplatz. Zwischen diesen Polen zeichnen sich – nicht unähnlich der Alsfelder Debatte – auch in Lauterbach keine Brücken ab. Ähnlich polarisiert die Frage: Soll das Parken etwas kosten? Mit dem Meinungsbild sollen die Fraktionen entscheiden.

Gleich vier Varianten für eine veränderte Verkehrsführung legten Bürgermeister Rainer Hans Vollmöller und der Stadtverordnetenvorsteher Lothar Pietsch als Leiter der Bürgerversammlung den Besuchern im gefüllten Saal des Posthotels „Johannesberg“ via Beamerleinwand vor, erklärt von dem Stadverwaltungsmitarbeiter Ralf Krömmelbein. Drei stammten von der Verwaltung selbst, eine vierte steuerte die Polizei in einer Stellungnahme bei. Darin variieren verschiedene Ideen, die Einbahnstraßen-Regelung etwa für die kleine Bahnhofsstraße umzudrehen, um den Marktplatz leichter erreichbar zu machen – und vor allem eine Öffnung der Türmergasse am Kopfende für den Autoverkehr Richtung Obergasse. Insbesondere dieser Punkt schied die Meinungen, unter denen sich ein Vertreter für den Autoverkehr in der Gasse besonders hervortat: der Unternehmer Gustav Stabernack.

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Der Saal im Posthotel war gut gefüllt.

Er kaufte vor Jahren das Gebäude des seit 2002 geschlossenen Aka-Kaufhauses gegenüber dem Rathaus. Nachdem sein erster Vorstoß, es für Wohn- und Geschäftsräume zu sanieren, eben an der unerfüllten Hoffnung auf eine Öffnung der Türmergasse endete, er aber im vergangenen Jahr auch mit dem Alternativplan scheiterte, das Gebäude für die Verwaltung herzurichten, sprach Stabernack sich am Mittwochabend vehement für mehr Autoverkehr in der Lauterbacher Altstadt aus – mit dem Argument, nur so würden mehr Käufer angelockt. „Eine Belebung der Altstadt ist dringend notwendig“, skandierte er. Wer den Autoverkehr über den Marktplatz und durch die Türmergasse in die Obergasse behindert, handele rückwärtsgewandt. Er sprach sich für die Variante IV der Polizei aus – mit einer Öffnung der Türmergasse wenigstens am Tag.

Skepsis, aber „man muss es probieren“

Er erhielt von manchen Teilnehmer Zustimmung – etwa auch von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Jens Mischak, der als Lauterbacher Einwohner erklärte, diesem Vorhaben zwar grundsätzlich skeptisch gegenüber zu stehen, es aber gleichwohl ausprobieren wolle. Das sei nämlich die einzige Möglichkeit der Stadt, Einfluss auf die negative Entwicklung zu nehmen: „Man muss es probieren.“ Den angedachten Sinn erklärte Bürgermeister Vollmöller mit einer kleineren Fahrrunde für Autofahrer auf der Suche nach einem Parkplatz am Marktplatz – und zwar mit einen fußgängerfreundlichen Tempo-Limit von maximal 20 Stundenkilometern.

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Kämpfer für die Öffnung der Türmergasse: der Unternehmer Gustav Stabernack.

Doch auch die Gegnerschaft war zahlreich vertreten und argumentierte mit der Aufenthalts- und Lebensqualität des Stadtkerns. „Wir haben doch nur dieses kleine Stück Fußgängerzone“, erklärte ein Kritiker. Als Bürgertreffpunkt und durch die in dem Bereich angesiedelte Gastronomie sei der Kern „das Zentrum der Stadt“, meinte Peter Zielinski nach der Feststellung, nur als Einwohner Lauterbachs zu sprechen. Diese Bedeutung werde der Marktplatz verlieren, wenn Verkehr ungehindert drüber fießt. „Dass der Marktplatz so trostlos ist“, schob er nach, „liegt daran, dass dort kaum noch etwas ist.“ In anderen Städten werde versucht, die Altstadt aufzuwerten, indem der Autoverkehr rausgehalten wird. Er sprach sich für die Variante IV der Polizei aus, „ohne eine Öffnung der Türmergasse“.

Mit weniger Leidenschaft, aber nicht minder gegensätzlich diskutierten die vielleicht 150  Teilnehmer des Abends über die Bewirtschaft der städtischen Parkflächen – sprich die Einführung einer Parkgebühr. Das Thema kam jüngst wieder im Zuge des Haushaltsausgleichs als eine Möglichkeit für mehr Einnahmen auf den Tisch. Die Parkgebühr solle aber eine zweite Funktion haben: dass die Parkflächen in der Altstadt nicht dauerhaft besetzt sind. Bislang darf man dort eineinhalb Stunden stehen – was Mitarbeiter von Betrieben und insbesondere der Verwaltung dazu verführe, den ganzen Tag einen Parkplatz zu besetzen, den auch ein Kunde haben könnte.

Dabei solle es auch mit einer Parkgebühr für 331 Stellplätze in der jetzigen Parkzone und 305 auf der Bleiche eine „Brötchentaste“ geben, die für eine halbe Stunde kostenloses Parken erlaubt. Das reiche nicht zum Beispiel für Arztbesuche, lautete ein Gegenargument. Kunden würden abgeschreckt und die Peripherie geschickt, ein anderes. Und auch der Vergleich zu Fulda kam: Es gebe Besucher und Kunden aus der Metropole, die nach Lauterbach kämen, weil man dort kostenlos parken könne.

Als ein Verfechter für die Parkraumbewirtschaftung ergriff am Ende noch einmal Gustav Stabernack das Wort: Im Kern der Stadt sei das „dringend notwendig.“

Die Varianten für eine geänderte Verkehrsführung:

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So ist die Situation aktuell: zwei voneinander getrennte Altstadtkreise.

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Variante eins: Die Türmergasse verbindet die Einbahnstraßenkreise. In der Variante zwei sind nur die rot markierten Einbahnstraßen umgedreht.

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Die Variante drei sieht eine weitere Anbindung über die Lauter vor.

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Die Variante vier in der Stellungnahme der Polizei.

3 Gedanken zu “An der Türmergasse scheiden sich die Geister

  1. AkA Baustop !
    Die meisten Kleinstädte „verkehrsberuhigen“ ihre Innenstädte und haben damit auch Erfolg. In „Oberhessen-Live“ wurde in einem Kommentar Melsungen erwähnt, und ich kann dies nur bestätigen, weil ich öfters meine Heimatstadt besuche.
    Denn in der heute größtenteils umweltbewußten Gesellschaft benötigen die Wenigsten den Parkplatz direkt vor der Verkaufs Teke. Sie suchen eher ein heimeliges Ambiente mit kleinen Geschäften und gastronomischen Betrieben zum Verweilen. Denn Massengeschäfte wie Lidl, Aldi, Herkules … finden sich eh in der Peripherie .
    Eigentum verpflichtet heißt es im Grundgesetz. Das Bild zum „AkA Baustopp“ zeigt, daß dies schon seit Jahren nicht so ernst genommen wird. Und jetzt nach der Bürgerversammlung von letzter Woche – als eine deutliche Mehrheit für den Erhalt der gut angenommenen „Mini-Fußgängerzone“ war – kommt dieser freundliche Hinweis: „AkA Baustopp“. Wir „Kleinbürger“ von Lauterbach haben damit die Antwort auf die Frage: „Wer bestimmt die Richtung?“. Wir werden deshalb wohl damit leben müssen, daß in absehbarer Zeit die kleine Fußgängerzone zur Interressenwahrung einiger Weniger in Lauterbach verschwindet.
    Bodo Riemenschneider, Maar

  2. Als wenn der Geschäftsumsatz im Stadtkern Lauterbach nur vom Auto abhinge. Letzte Woche war ich beruflich in Melsungen. Dort sind es vom Stadtkern bis zum nächsten Parkplatz 400 Meter. Trotzdem ist die Stadt voll mit Geschäften und Besuchern – wohl Touristen und auch Leute aus umliegenden Gemeinden.
    Die Stellungnahme der Polizei bevorzugte die Wariante 4 Umkehrung des Einbahnstraßenverkehrs und Abführungsmöglichkeit über die Türmergasse. Auf Nachfrage eines Bürgers wurde seltsamerweise nicht nach der von einem Bürger erwähnten Variante 0 (der aktuelle Zustand) gefragt.
    Herr Stabernack machte m.E. offenkundig seine Investition von der Zustimmung zur Variante 4 abhängig. Wer traut sich jetzt noch was dagegen zu sagen ohne nachher als Verhinderer wirtschaftlichen Aufschwungs dazustehen?
    Mich interressieren in solchen Fällen besonders die Verbindungen zwischen den Beteiligten. So habe ich nach der Bürgerversammlung zufällig von einem Lauterbacher Bürger aus der Lindenstraße einiges hierzu erfahren was zu Fragen Anlaß gibt.
    * Weshalb spricht sich eine Befürworterin, die nicht in Lauterbach wohnhaft ist, mehrfach für Variante 4 aus? * Könnte es sein, daß sie im im Besitz des Gasthofes Keutzer in Lauterbach ist, welches sie verkaufen möchte, und hat der mögliche Käufer Herr G. Stabernack dies von der Zustimmung der Variante 4 abhängig gemacht? * Gibt es noch andere „Begünstigte“?
    War das jetzt eine Bürgerversammlung für öffentliche- oder private Interressen!?!
    bo4not

  3. Schade, das es in dieser Diskussion offensichtlich nur um Autos ging… Es wird überlegt, wer wann wohin mit dem Auto fahren darf und wo er dann für wie viel Geld parken soll. Meiner Meinung nach sollte man eher drüber nachdenken, wie man die Innenstadt für die MENSCHEN attraktiver gestalten kann – das ‚man‘ heute nicht mehr für den Großeinkauf in die Innenstädte kommt ist sowieso klar…in die Innenstadt kommen die Menschen gewöhnlich zum bummeln, zum Eis essen, für kleinere Erledigungen oder auch, um sich die Fachwerkgebäude zu begucken… Wenn es irgendwo schön und interessant ist, dann kommen auch Leute – egal ob mit dem Auto oder zu Fuß…

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