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Noch bis Freitag: Bundeswehr übt den Einsatz im Kosovo rund um LauterbachWenn die Dorfstraße plötzlich Krisengebiet ist

LAUTERBACH. Tiger-Hubschrauber kreisen über dem Fußballfeld, in der Einfahrt haben Panzer Stellung bezogen. Gut geschützt durch eine Reihe Nato-Draht, die sich über den staubigen Schotter entlangwindet. Das Sportlerheim in Heblos ist für die nächsten Tage militärisches Sperrgebiet. Es ist Manöver. 250 Soldaten sollen auf einen möglichen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien vorbereitet werden. Ein Übungsfront-Bericht.

Ein kleines Dorf, irgendwo im Kosovo: Der Soldat im Rang eines Oberfeldwebels bleibt ruhig auf dem Bürgersteig stehen, blickt sich wachsam um, das G36 fest im Griff. Heute ist Basar. Ein paar Schritte entfernt feilschen Kunden mit einem Verkäufer, stöbern in gebrauchten Elektroartikeln. „Gib bei Facebook mal Namen ein, vielleicht habt ihr gemeinsame Freunde“, sagt einer der Jugendlichen in den schwarzen Trainingsanzügen zu seiner Gang, die den schlanken Soldaten und seinen Kameraden auf der Straße belagert. Er deutet auf den Oberfeldwebel und grinst. Eine Drohung? „Wo kommt ihr denn her und warum seid ihr hier? Seid ihr Söldner?“, pöbelt er weiter. Es ist ein kräftiger Typ, mit finsterem Blick, kurz geschorenen Haaren und Geheimratsecken. Irgendwann, als die Jungs weiter provozieren, kann sich der Angefeindete das Schmunzeln nicht mehr verkneifen. Es ist eben doch nur ein Spiel, eine Übung.

Der misstrauische Macker auf der Straße ist ebenfalls Soldat beim Bund und darf seinen Kameraden heute mal ein wenig ärgern. Der Elektrostand ein paar Meter entfernt – bloß Requisite. Und das Dorf irgendwo im Kosovo heißt Wallenrod und liegt in Wirklichkeit irgendwo bei Lauterbach. Oberst Willi Dechert ist der Chef vor Ort. Der 58-Jährige wohnt selbst in der Kreisstadt und hat das Manöver geplant.

Einweisung an der Karte: Oberst Willi Dechert erklärt Oberstleutnant Michael Münchheimer den Verlauf des Übungsgebietes.

Einweisung an der Karte: Oberst Willi Dechert erklärt Oberstleutnant Michael Münchheimer den Verlauf des Übungsgebietes.

Auf dem kleinen Basar in Wallenrod sollten die Männer und Frauen des Jägerregiments 1 lernen, mit der Zivilbevölkerung in ihrem möglichen Einsatzgebiet in Kontakt zu kommen.  Deswegen stört die Soldaten die echte Zivilbevölkerung aus Wallenrod herzlich wenig. Eine Horde Jungs donnert auf ihren Fahrrädern durch eine der Basar-Patrouillen,  am Straßenrand am Ortsausgang halten ein paar Anwohner einen kleinen Plausch. Der Wallenröder an sich zeigt sich ebenfalls  unbeeindruckt von so viel Militärpräsenz in seinem kleinen Ort. Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundeswehr hier den Einsatz probt.

Warten auf Abruf in den Kosovo

Mit Anlass für das Manöver ist die Bereitschaft, in der sich das Jägerregiment 1 zur Zeit befindet. Sollte die KFOR-Mission der NATO Verstärkung brauchen, könnte es für die Soldatinnen und Soldaten aus Schwarzenborn und Hammelburg innerhalb von 14 Tagen in Richtung Prishtina, der Hauptstadt Kosovos, gehen. Gerade sind ungefähr 700 deutsche Soldaten in dem Land stationiert. Der Kosovo spielt in den aktuellen Nachrichten zwar keine große Rolle, doch auch 15 Jahre nach dem Krieg gibt es Schwierigkeiten. „Momentan ist die Lage dort ruhig, aber nicht stabil“, sagt Oberst Dechert. Der Staat befindet sich noch im Aufbau. Deutsche Soldaten helfen dabei. Nur warum trainiert die Bundeswehr einen solch schwierigen Einsatz mitten in einem hessischen Dorf und nicht auf einem Truppenübungsplatz? Ganz einfach: Weil sie sich dort zu gut auskennt.

Warten auf die Schlacht: Zwei Soldaten, die ihre Kameraden gleich als Demonstranten attackieren werden, sitzen vor einer Straßensperre.

Warten auf die Schlacht: Zwei Soldaten, die ihre Kameraden gleich als Demonstranten attackieren werden, sitzen vor einer Straßensperre.

Die Soldaten sollen lernen, mit einer fremden Umgebung klar zu kommen. Eine Umgebung, die möglichst nah an der Einsatzrealität ist. Und das ist das Gebiet rund um Lauterbach, meint Oberst Dechert. Soldaten im Kosovo sollen nicht nur Streit zwischen den verschiedenen Ethnien verhindern. Ihre Aufgabe ist es auch, so genannte kritische Infrastruktur zu schützen. Also solche Dinge wie Kraftwerke zum Beispiel.

Ein Sägewerk ist ein besseres Atomkraftwerk

Zwar ist das Sägewerk Pfeifer kein Atomkraftwerk, es sehe aber von weitem eher wie eins aus als die Baracken auf den Schießplätzen der Bundeswehr, sagt Dechert. Das macht das Üben einfacher. Auch der Flughafen Wernges, die Gasverteilstation Rixfeld und das Schloss Eisenbach als zu schützendes Kulturgut hat der ehemalige Berufssoldat und jetzige Reservierst mit in das Manöver eingebaut.

Einen festen Plan gibt es für die Übung nicht. Vielmehr werden die Soldaten vor einer Reihe verschiedener Szenarien gestellt. Mal müssen sie vor einem Wahllokal für Ordnung sorgen, mal einen Grenzstreifen bewachen. Noch bis Freitag sind die Einheiten aus Schwarzenborn und Hammelburg im Vogelsberg zu Gast.

Von Juri Auel

Schweres Gerät: Ein Fuchs-Panzer steht auf einer Wiese in Wallenrod

Schweres Gerät: Ein Fuchs-Panzer steht auf einer Wiese in Wallenrod

Kräftig ziehen: Ein Soldat beim Zeltaufbau in Engelrod.

Kräftig ziehen: Ein Soldat beim Zeltaufbau in Engelrod.

 

 

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