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Dauerthema Kerber-Gelände: Bürgermeister Paule im Interview über Probleme und Hoffnungen„Ich bin für jeden Helfer dankbar“

ALSFELD. Mitten in Alsfeld grünt es seit Jahren auf großer Fläche – und es scheint sich nichts zu tun in Sachen Kerber-Gelände. Oberhessen-live beleuchtet das Dauerthema mit den Kaufhaus-Brachen in einem Beitrag, und Redakteur Axel Pries sprach mit Bürgermeister Stephan Paule: Wo liegt das Problem? Und was kann man jetzt tun? Das Gespräch in Interview-Form:

Frage: Alsfeld hat derzeit viel Grün in der Stadtmitte. Bleibt das so?

Paule: Das Grün an sich ist ja nichts Schlechtes. Es ist das graue Mauerwerk, das als Abrissrest darüber ragt – und Sie spielen ja aufs Kerber-Areal an – das wirklich stört. Zuerst einmal optisch. Und wir sind mit dem Eigentümer im Gespräch, ob wir nicht, solange es keine andere Verwendung gibt, wenigstens optisch auf der Seite eine Aufwertung herbeiführen können.

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Ruinen mit Grünfläche davor: Was blieb vom ehemaligen Kaufhaus Briehl/Kerber/Zinner.

Nach dem Abriss des Kaufhauses gab es gleich mehrere Interessenten. Seither sind mehrere Jahre vergangenen, und es kommen anscheinend gar keine mehr. Wie kommt das?

Dass kein Interessent auf uns zu kommt, kann ich nicht bestätigen. Wir haben Interessenten, aber werden deren Namen natürlich nicht nennen – und auch nicht deren Pläne. Es gibt stadtplanerische und regionalplanerische Vorgaben, das betrifft hier vor allem großflächigen Lebensmitteleinzelhandel, den die Interessenten wünschten. Aber das ist in Alsfeld zur Zeit nicht genehmigungsfähig, weil die Stadt in dem Bereich bereits eine Überversorgung hat. In anderen Bereichen wäre durchaus Entwicklungspotenzial da, aber haben Sie Verständnis, dass wir konkrete Interessenten nicht nennen, bis das Projekt definitiv etwas wird. Und dann müssten die sich auch erst einmal mit dem Grundstückeigentümer einig werden.

Sie sagen, es gibt Interessenten. Was sind das für Leute? Sind das Projektentwickler, die systematisch Freiflächen abgrasen?

Also, auf die Stadt treten auch Projektentwickler zu. Die städtische Wirtschaftsförderung tritt aber auch selbst an Unternehmen heran und versucht, sie direkt mit dem Grundstückseigentümer zusammen zu bringen – und dann braucht man keinen Projektentwickler, der einen erst mit dem Unternehmen bekannt macht. Hauptziel ist der direkte Kontakt unsererseits.

Das tut die Stadt aktiv? Wie kann man sich das vorstellen: Wälzen Sie Branchenbücher, Internetseiten?

Das Internet ist praktisch das Branchenbuch des 21. Jahrhunderts. Wir suchen Unternehmen, deren Expansionswille sich in den Unterlagen, im Unternehmensprofil deutlich dokumentiert. Auf diese Unternehmen treten wir mit Werbung für den Standort Alsfeld zu.

Nebenan befindet sich die Freifläche, auf der das Deutsche Haus einstmals stand. Die ist im Eigentum der Stadt. Gibt es da eigentlich Pläne für eine Nutzung?

Auch diese Fläche wird vermarktet. Sie hat ja nicht die Größe, die ihr manche Alsfelder zumessen, wenn sie an das Deutsche Haus denken. Das Grundstück selbst hat nur knapp 1000 Quadratmeter, ist also für einen größeren gewerblichen Bau vielleicht zu klein. Das ist aber auch eine innerstädtische Fläche, die man nicht zum Nulltarif vergeben kann, sondern die aufgrund der Bodenrichtwerte zu einem marktgerechten Preis angeboten wird. Dabei muss man sich an städteplanerische Vorgaben halten – das ist ja Innenbereich – zum Beispiel an der übrigen Bebauung in der Alicestraße. Dabei spielt auch die daran vorbeiführende Bundesstraße eine Rolle, die die gewerbliche Nutzung wegen der Zufahrt schwieriger macht als an anderer Stelle. Viele Interessenten suchen eher Grundstücke mit weniger Auflagen. Nun können wir an der Lage des Grundstücks im Stadtgebiet nichts ändern…

Ist das denn nun eine gute oder schlechte Lage?

Das ist von der Lage her gut, aber eben mit vielen Auflagen verbunden. Die Zufahrt darf zum Beispiel nur von der Marburger Straße – im oberen Bereich – her erfolgen. Von der Ampelseite her ist das nicht möglich. Die Zahl der Parkplätze ist oberirdisch sehr begrenzt, und eine Tiefgarage eine zusätzliche Investition. Aber auch da gibt es Interessenten, die auch schon mit Plänen auf uns zugekommen sind. Aber spruchreif ist an dieser Stelle auch noch nichts. Vielleicht bietet sich aber mit der Vermarktung des Kerber-Geländes, dieses Areal mit zu beplanen und in eine Gesamtkonzeption mit einzubeziehen.

Da werden fantastische Ideen für das ganze Gelände gewälzt: ein Einkaufszentrum über beide Flächen oder auch noch das Gelände des Videoverleihs. Das Ganze mit Brücken verbunden… Nur Fantasie oder kommen solche Pläne bei Ihnen an?

Was Sie ansprechen, ist ein Plan aus dem Jahr 2010; ich kenne den. Aber Pläne in dieser Größenordnung wurden mir in meiner Amtszeit noch nicht vorgelegt.

Wie realistisch wäre so etwas?

Wenn jemand bereit ist, in dieser Größenordnung zu investieren und ein Geschäftsmodell hat, mit dem man hier erfolgreich sein kann, ist das sehr realistisch. Wir werden planerisch jede Möglichkeit ausschöpfen, um so ein Projekt zu verwirklichen. Die Grenzen sind immer beim großflächigen Lebensmittel-Einzelhandel und bei Objekten, die sich nicht in die städtebauliche Situation an der Stelle einbauen lassen. Kein Gebäude dort, ist jetzt eine schlechte Situation, aber ein Gebäude dort, das städtebaulich gar nicht passt, wäre eine permanent schlechte Situation.

Wieviel Kontakt hat die Stadt eigentlich zur Kerber Immobilien GmbH?

Meinen Sie das quantitativ oder qualitativ?

Beides. Konkret gefragt: Man spricht davon, dass es zwischendurch einen handfesten Streit gab zwischen Stadt und Kerber. Ist das so?

Ich kann nur vom Hörensagen von einer Auseinandersetzung sprechen, die vor meiner Amtszeit lag. Es gab in der Tat über die parallele Vermarktung des Kerber-Geländes und die gleichzeitige Planung auf dem Sparkassen-Gelände mit einander überschneidenden Geschäften, die sich hätten ansiedeln sollen, einen handfesten Streit. Man warf der Stadt vor, auf zwei Hochzeiten zu tanzen und die interessierten Firmen gegeneinander auszuspielen. Ich selbst hatte mit dem Geschäftsführer der Kerber Immobilen GmbH ein sehr konstruktives Gespräch. Wir haben unsere Positionen klar gemacht. Daraus ging hervor, dass die GmbH natürlich Interesse daran hat, wirtschaftlichen Nutzen aus ihrem Eigentum zu ziehen. Und dass die Stadt der Brachfläche wieder zu einer adäquaten Nutzung verhelfen will. Animositäten, die eine Zusammenarbeit ausschließen, konnten wir ausräumen.

Bis dort wieder es Neues entsteht: Gibt es Alternativ-Ideen für die vorübergehende Nutzung einer Brachfläche, an der täglich 15.000 Autos vorbeifahren?

Die Stadt hat der GmbH angeboten, dort auf eigene Kosten in den Sommermonaten, wenn es grünt und blüht, wenigstens das sichtbare Mauerwerk mit Bepflanzungen zu verschönern. Das muss der Geschäftsführer aber noch mit seinen Gesellschaftern abklären.

Ist es denkbar, dass Alsfelder sich dabei mit einbringen können? Mit Ideen, vielleicht sogar einer Art Förderverein, der auf der Fläche Aktivität entfaltet?

Wenn wir dafür grünes Licht bekommen, auf dem Privatgelände Verschönerungen vorzunehmen, bin ich für jeden Helfer dankbar, der sich mit der Stadt zusammen dort engagiert.

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