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CDU lud zur Diskussion über eine schönere AltstadtSchönere Häuser vor größeren Parkplätzen?

ALSFELD (aep). Irgendwie kann man es drehen und wenden, wie man es will: In Alsfeld führen alle Altstadt-Diskussionen immer vor allem zur Parkplatzfrage. Das ging auch dem Gesprächsabend am Dienstagabend nicht anders, zu dem der Stadtverbandsvorsitzende Bernhard Schmidt für die gastgebende CDU begrüßt hatte. Mit Fassaden, „von denen der Lack abgeht“ leitete er das Thema ein – von einer Parkpalette im Schnepfenhain war eine Stunde später die Rede. Bis ein Teilnehmer des Abends einen Einwand brachte: Der vieldiskutierte Autoverkehr könnte auch ein Problem der Altstadt sein – nämlich da, wo keine Läden sind.

 Der Ort für diese Diskussionsveranstaltung der Alsfelder CDU hätte kaum besser gewählt worden sein als das altehrwürdige Gewölbe des Weinkellers „Zum Brünnchen“, dem mit über 700 Jahren ältesten Keller der Stadt. Sinnbildlich für das Pfund, mit dem Alsfeld seit rund 40 Jahren wuchert: dem mittelalterlichen Stadtkern, der mit viel Geld aus Fördertöpfen und unter großem Einsatz der Hauseigentümer rund um die siebziger Jahre zur „Modellstadt“ herausgeputzt wurde. Allein, so stellte Bernhard Schmidt fest: In der einstigen „Lokomotive für die Fachwerksanierung“ bröckele inzwischen der Putz, gebe es zahlreiche Beispiele für Verfall von alten Häusern – und wenn nicht direkt an den Vorzeigestraßen, dann spätestens in den Seitengassen. Bürgermeister Stephan Paule formulierte neutraler: „Wenn man in die Gassen dahinter geht, sieht man: Es gibt viel Investitionsbedarf.“ Das sei nicht nur unschön, so erläuterte Schmidt knapp 20 Teilnehmern, sondern schade auch konkret dem Tourismus. Die Einladung der CDU sei ein  Versuch, „diese unheimliche Aufbruchstimmung“ von vor 40 Jahren neu zu erzeugen – und vielleicht Anregungen zu finden, wie denn die Stadt „mit wenig Aufwand“ für private Initiativen auch Unterstützung sein kann.

Positives Beispiel in der Obergasse

Als positives Beispiel, „die Bereitschaft zum Sanieren zu animieren“, stellte Schmidt den Architekten Roland Pier vor, der in der Obergasse das Haus Nummer 30-32 sanierte – und zwar grundlegend. Das Gebäude, in dem die Bekleidungskette „Ernstings“ heute eine Filiale unterhält, bekam als besonderes Schmankerl auf der einen Seite sogar eine Bruchsteinmauer – in Erinnerung an die alte Alsfelder Stadtmauer, die einst dort die Stadt abschloss.

An der Bekleidungsfiliale hing das Projekt denn auch, erläuterte Roland Pier: Die gegenüber Wohnungsmieten erhöhte Pacht, gepaart mit einem Vertrag über zehn Jahre, trage die Sanierung des ganzen Gebäudes, bei dem sogar ein Stockwerk herausgenommen wurde, um die Wohnungen attraktiver zu machen. Der Architekt stellte andere Beispiele von Sanierungsprojekten und -plänen vor: in der Oberen Fulder Gasse, in der Hersfelder Straße, wo ein eigentlich abbruchreifes  Haus jetzt vielleicht doch saniert wird, weil die steuerlichen Vorteile dazu animierten. Von 200.000 Euro Kosten, so ein Beispiel, könnten 60.000 mit Steuereinsparungen über zehn Jahre refinanziert werden (nicht 140000, wie zunächst irrtümlich geschrieben) – je nach weiterer Nutzung. Nützlich sei ansonsten auf jeden Fall, das Erdgeschoss gewerblich zu vergeben, weil das eine höhere Pacht einbringt – die dann Sanierungskosten abträgt.

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„Das Straßenbild verbessen“: Bernhard Schmidt bei der Begrüßung der Gäste im Weinkeller.

Sein Beispiel enthielt den Keim für die Parkplatz-Diskussion, die sich gegenüber Vorschlägen zur Schaufenster-Verschönerung von Bodo Runte seitens des Geschichts- und Museumsvereins durchsetzte: nämlich die Notwendigkeit von funktionierenden Geschäften als Motoren für Sanierungsprojekte – am besten mit zahlungskräftigen Ladenketten dahinter. Die Klage: Dafür gebe es einerseits zu wenig Platz in den alten Häusern, so wie es auch insgesamt zu wenig Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Altstadt gebe. An der Stelle kam der bereits in den 90er Jahren diskutierte Plan einer größeren Parkpalette am Schnepfenhain wieder ins Gespräch – oder die Ansiedlung eines Drogeriemarkts an der Stelle mitsamt Parkpalette. „Den Platz gibt das her“, erklärte der Architekt Roland Pier.

Ins Visier der Kritik geriet auch die im vergangenen Jahr angehobene Sondergebietsnutzungsgebühr – jene Gebühr für die Nutzung öffentlicher Fläche vor den Geschäften. Die sei doch auch nach der Erhöhung im Haushalt nicht der Rede wert, vor allem angesichts des Verwaltungsaufwands. Aber „Damit werden die kleinen Geschäfte bestraft, die das Straßenbild bereichern“, fasste Bernhard Schmidt zusammen und erntete Zustimmung. Zumindest für Gerüste, von denen aus Häuser neu gestrichen werden, sollte die Gebühr doch gesenkt werden.

Schneller Autoverkehr „macht die Häuser unattraktiv!“

Und dann meldete sich einer zu Wort, der kein Geschäft in der Altstadt unterhält oder Gewerberaum vermietet: Michael Girth, Fahrlehrer von Beruf, und Anwohner in der Unteren Fulder Gasse. Er verlas einen Brief, den Anwohner der Unteren Fulder Gasse und der Steinborngasse schonmal an die Stadtverwaltung gerichtet hätten – und eine unverständliche, ablehendende  Antwort „voller Paragrafen“ erhalten hätten. Die Bewohner dieser Gassen haben ganz andere Probleme – und darin liege auch ein  Problem der Altstadt, erklärte Michael Girth: zu schneller Autoverkehr in zu engen Gassen. „Das macht die Häuser unattraktiv!“ Wie solle denn ein Haus Käufer finden, fragte der Besucher, wenn Interessenten sehen: Da ist kaum ein Fußweg, da rauschen Autos mit 40 oder 50 Strundenkilometer vorbei. „Ist das eine Einladung: Fahren Sie mein Kind um?“ Touristen schüttelten die Köpfe, wenn sie auf die schmalen Gehwege gedrängt werden.

Forderung: Rückkehr zur früheren Spielstraße

Das Problem, das er ansprach, ist die Aufhebung des Status als Spielstraße für die Einfahrtstraßen zum Marktplatz. Damals sei mit Tempo 20 gefahren worden – heute doppelt so schnell. Und vor allem: Dadurch, dass der Status des Autos gegenüber dem Fußgänger aufgewertet werde, würden deren Fahrer rücksichtsloser. Die Anwohner der  Fachwerkgassen unter dem Geschäftsbereich wünschten sich eine Rückkehr zur Spielstraße.

Der Sprecher der ladenlosen Altstadt-Bewohner hatte noch eine Anregung, wie willige Hauseigentümer bei Sanierungsplänen unterstützt werden könnten: „Bieten Sie doch eine Hilfestellung für Fachwerksanierung“, wandte er sich an den Bürgermeister. Die Leute könnten fachlichen Rat gut gebrauchen. Bürgermeister Paule schrieb eifrig mit.

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