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Christoph Diehl verzichtet auf Handy, EC-Karte und Auto – Teil 1Spannende Erfahrung als freiwilliger Außenseiter

ALSFELD. Christoph Diehl ist 19 Jahre alt, ein drahtiges Kerlchen mit Köpfchen und eigentlich ein ganz normaler junger Mann. Das heißt, im Moment lebt er alles andere als „normal“ unter Altersgenossen. Christoph verzichtet ganz bewusst aufs Handy, auf die EC-Karte und aufs Auto. Das Ergebnis einer Wette. Spannend dabei seine Erfahrung nach einer Woche: Er hat plötzlich mehr Zeit und Entspannung.

Seine Mutter ist schuld daran, dass der junge Alsfelder sich nun für einen ganzen Monat zum Außenseiter macht: Sie stiftete ihn zu der Wette an. „Das war erst nur Spaß“, erzählt er. Aber dann kam das neue Jahr – und plötzlich war die Wette ernst gemeint: 500 Euro, wenn er einen Monat ohne Handy, EC-Karte und Auto auskommt. Ohne jene Utensilien also, die üblicherweise sein Leben bestimmen. Das war Verlockung genug.

Die vielen kleinen, unbedachten Geldabhebungen, um mal eben beim Chinesen zu futtern. Die vielen achtlosen, kurzen Autostrecken, weil die Karre vor der Tür steht, die sich aber am Monatsende in einer fetten Tankrechnung summieren. Letztlich das Handy, das den Takt seines Lebens vorgibt: in minütlichen – ach, sekündlichen – Mail-Signalen, die beinahe rund um die Uhr beantwortet werden wollen. 30 Freunde bei What’s app, 20  Gruppen bei Facebook und dann die realen Verpflichtungen bei verschiedenen Aktivitäten als Hobby-DJ und in der Schülervertretung der Max-Eyth-Schule – Christoph Diehl musste sein Handy ständig im Blick haben. „Wenn ich mal ne Stunde nicht gucke, dann sind das 100 Nachrichten drauf.“

„Ich bin ganz hippelig geworden“

Alles viel zu viel, fand seine Mutter und meinte, er sollte mal wieder ohne diese Errungenschaften „auf den Boden kommen“. Da ist er nun, ganz ohne. Handy, EC-Karte und Autoschlüssel hat die Schwester in Frankfurt – keine Chance, heimlich schwach zu werden. Christoph sitzt entspannt am Küchentisch beim Kaffee, und niemand stört das einstündige Gespräch. Es geht jetzt ohne Handy, meint er. Aber am Anfang: „Das war wirklich hart. Ich bin ganz hippelig geworden.“ Ohne Handy aus dem Haus? „Da fehlt einem etwas in der Hosentasche.“

Es war ein Rücksturz „wieder total in meine alte Welt.“ Zum Entzug kamen reale Probleme: Das Handy war für den alleine wohnenden Jugendlichen auch Uhr und Wecker. Er kramt ein altes Teil wieder aus, stöpselt es ein und stellt es neben das Bett. Geht auch. Bei Freunden merkt er, dass er Außenseiter ist: Die spielen permanent an ihren Handys rum, beantworten Mails oder daddeln – so wie Christoph es normalerweise auch tut. Er muss sich melden: „Hallo! Ich bin auch noch da!“ Immerhin: PC und Facebook, ein Haustelefon  hat er ja noch. Ganz aus der Welt ist Christoph also nicht.

Mehr Zeit für sich und den Haushalt

Nach ein paar Tagen aber bemerkt der junge Mann mit dem Berufswunsch Erzieher  Seltsames: Er hat mehr Zeit als früher für sich und den Haushalt, mehr Ruhe, Dinge ohne Unterbrechung zu erledigen. Und sei es nur das Geschirrspülen: „Da wäre ich sonst ständig ans Handy gerannt.“ Jetzt ist die Arbeit flott am Stück erledigt. So wie er das erzählt, scheint das ein gutes Gefühl zu sein.

Oh, weh, das liebe Geld! Bevor er seine EC-Karte abgab, hat er noch einmal ordentlich Haushaltsgeld abgehoben. Dachte er. Aber merkt nun geradezu physisch, wie Bares zwischen den Fingern zerrinnt, wenn es nicht eine abstrakte Zahl auf einem Konto ist. Diese Erfahrung könnte noch zu einer echten Belastungsprobe werden. Er hat sich verschätzt, muss nun jeden Cent zweimal umdrehen.

Und das Auto? Christoph geht wieder zu Fuß. Zum Einkaufen, zu Freunden in der Stadt. Er muss seine Wege ein wenig mehr planen als in der Gasfußzeit. Vom Rodenberg aus ist das ein ganzes Stück: gut zwei Kilometer, aber es macht ihm wenig aus: „Früher bin ich immer gelaufen.“ Auch zur Schule – das war noch weiter. Im Moment hat er kein Problem. Aber Montag fängt die Schule wieder an. Christoph grübelt: Mitfahrgelegenheit bei einem Kumpel oder Bus? „Das wird noch schwierig.“ Das wird eine spannende Erfahrung, von der er noch erzählen wird.

Zwischenergebnis: Ja, gut, aber Sehnsucht nach dem Monatsende

Am Tag sechs seiner Auszeit ringt er sich zu einem optimistischen Zwischenergebnis durch: „Das würde ich jedem Jugendlichen mal empfehlen. Dann würden sie mal merken wie abhängig sie von ihrem Handy sind.“ Aber irgendwie, stellt er fest,  darf es doch auch Monatsende werden, „dann kann ich wieder zurück in meine Welt…“

Von Axel Pries

Wie es weitergeht, was er weiter erlebt und empfindet, erzählt Christoph Diehl kommende Woche in einer Fortsetzung: „14 Tage ohne!

 

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