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SPD/ALA-Vorstoß: mehr Soziales in AuftragsvergabeGewerkschafter locken mit Wirtschaftsförderung

ALSFELD (aep) Wenn die Stadt Alsfeld künftig Aufträge vergibt, dann sollen mehr Werte gelten als die höchste Wirtschaftlichkeit, sollen auch soziale und ökologische Aspekte bei der Vergabe eine Rolle spielen. Mit diesem Anliegen beschäftigt die SPD/ALA-Koalition derzeit das Parlament – und gestern Abend kamen dazu in einer Ausschusssitzung zwei Vertreter der Gewerkschaften zu Wort. Sie stießen bei der Opposition vor allem auf Skepsis.

Dabei klingt es wahrlich nach einem hehren Ziel, dass die Mehrheitsfraktionen in Alsfelds Parlament bereits im Sommer per Antrag in die Diskussion brachten – eine „Richtlinie für die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte bei der Beschaffung und Auftragsvergabe“. Sie solle Richtschnur sein, wenn die Stadt nach einer Ausschreibung Aufträge oder Beschaffungen vergibt – natürlich entsprechend dem aktuell gültigen hessischen Vergabegesetz. Was das bedeutet, beziehungsweise wie diese Richtlinie praktisch umgesetzt werden kann, sollten die beiden Gewerkschaftsvertreter Matthias Körner und Bernhard Bender vor dem Haupt- und finanz- sowie dem Planungs- und Bauausschuss erläutern. Sie sind zuständig für die DGB-Regionen Mittelhessen und Vogelsbergkreis sowie die IG Bau, deren Branche „am meisten von den Missständen betroffen“ sei, wie Bender erläuterte. Tatsächlich, betonten beide, würde Alsfeld mit der Verabschiedung dieser Richtlinien in Hessen eine Vorreiterrolle einnehmen.

Der Teufel steckt auch bei dem Thema im Detail, stellte sich indes im Laufe der mehr als einstündigen Sitzung heraus, denn so sehr die Gewerkschaftsvertreter den Plan auch als nicht nur positiv für die betroffenen Arbeitnehmer würdigten, sondern auch mit dem Bonbon lockten, die regionale Wirtschaft zu stärken, es blieb eine Reihe Fragen zur praktischen Umsetzung offen – beginnend mit der Frage, wie stark die Richtlinie angewandt und  kontrolliert werden sollte. Die Kontrolle spielt darin eine entscheidende Rolle: Damit unterscheide sie sich am stärksten vom bestehenden Gesetz: Eine „möglichst kleine“, paritätisch besetzte Kommission außerhalb der Verwaltung sollte die Einhaltung überwachen.

OL-AusschussPod-1012-webDer Vorteil der regionalen Wirtschaftsförderung laut Matthias Körner: Die ohnehin meist anständigen, heimischen Handwerksbetriebe würden so einen Vorzug gegenüber „schmutziger Konkurrenz“ von außerhalb erhalten – meist Subunternehmern großer Firmen, die bestehende Mindestlohnregelungen unterlaufen.

Skeptische Töne kamen aber zuerst schon von Bürgermeister Stephan Paule mit der Frage, wieweit denn die Verwaltung dadurch belastet würde – kaum mehr, als sie bei der technischen Ausschreibung jetzt bereits belastet würde, kam als Antwort. Schwammiger ging es bei der Definition darüber zu, welche Kriterien denn wie stark herangezogen werden sollten. Sollte tatsächlich bei der Ausschreibung einer Gehwegpflasterung die Frage der Frauenförderung im ausführenden Betrieb eine Rolle spielen, fragte Paule. Die Formulierung, es solle „ein sachlicher Zusammenhang zur Leistung“ gelten, wie im Vergabegesetz schon festgelegt, gab auch keine eindeutige Antwort. Der mittelhessische DGB-Geschäftsführer Körner empfahl lediglich, die Buchstaben der Richtlinie nicht „mit roher Gewalt“ durchsetzen zu wollen.

Der Stadtverordnete Dieter Welker (UWA) sah eine Gefahr für die regionale Wirtschaft: Wenn alle Kommunen für sich mit solchen Richtlinien einen „eigenen Schutzwall“ errichteten, würden heimsiche Betriebe, die viel auswärts arbeiteten, Nachteile erleiden. Und letztlich: Wenn doch in der Region die Verhältnisse im Grunde in Ordnung seien, fragte er, wozu solle denn der Mehraufwand für die Verwaltung gut sein?

Berthold Rinner, Fraktionsvorsitzender der CDU, gab zu bedenken, dass bei Beschaffungen, die letztlich aus dem Ausland stammten, ohnehin nicht sichergestellt werden könne, dass soziale und ökologische Vorgaben eingehalten werden.Dazu gebe es allerdings Auskunftslisten, erläuterte Michael Riese (ALA). Ansonsten gelte: „Wo’s geht, geht’s.“

Und wiederum Dieter Welker stellte die Frage nach der Rechtssicherheit einer eigenen Richtlinie in Alsfeld, wenn doch gerade die hessische Landesregierung neu verhandelt werde. Vielleicht gelten bald andere Gesetzesgrundlagen. Ein Beschluss war nicht vorgesehen für den Abend. Es wird weiter beraten.

Die folgenden Originaldokumente enthalten die entscheidenden Seiten des SPD/ALA-Antrags mit den beiden entscheidenden Abschnitten 2 und 9, die die Alsfelder Richtlinie ausmachen. Dazu im Vergleich das Hessische Vergabegesetz.

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