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KOMMENTAR zur drohenden Fällung der Linden am LudwigsplatzNicht die Bäume, das Gebaren der Stadt ist das Problem

MeinungMEINUNG|Große Aufregung in Alsfeld: Die Stadt will drei Linden am Ludwigsplatz fällen, beziehungsweise umpflanzen lassen, damit genug Platz ist für ein Windrad-Schwertransport. Dabei verlieren einige den Überblick. Das eigentliche Problem ist nicht das drohende Ende der drei Bäume – sondern das Verhalten der Stadt und ihrer Vertreter. 

Ich mag Bäume. Und ich mag Windkraft. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die ganze Diskussion um die Energiewende auf einen ganz einfachen Satz runterbrechen lässt: Wer keine Windräder um sich haben will, muss bereit sein, ein Atomkraftwerk vor die Nase gesetzt zu bekommen – wenn er weiter Strom haben möchte. Punkt. So simpel ist das.

Was ich damit sagen will, ist folgendes: Manchmal braucht es eben einen Kompromiss. Manchmal müssen Bäume weichen, damit Windräder entstehen können. Ein zwar schmerzendes, aber verkraftbares Opfer, wenn man die Natur nachhaltig schützen möchte – was weder mit Kohlestrom noch mit Atomreaktoren geht. Ein abgeholzter Baum: Der einzige Ausweg aus einem klassischen Dilemma also, aus dem es ohne eine schwierige Entscheidung kein Entrinnen gibt.

Die Linden sollen weichen. Foto: bk

Die Linden sollen weichen. Foto: bk

Auch um die drei Linden in Alsfeld wäre es schade, sollten sie tatsächlich gefällt oder umgesetzt werden, so wie es die Stadtverordneten gestern beschlossen haben. Doch bei dieser ganzen Geschichte, die langsam die Gestalt einer echten Provinzposse annimmt, geht es gar nicht mehr um die drei Bäume – oder eher Bäumchen. Die sind längst zu Nebendarstellern geworden. Und Schuld daran ist das Gebaren und Verhalten der Verantwortlichen der Stadt Alsfeld.

Alsfeld hat einen guten Deal ausgehandelt

Wenn es stimmt, was Bürgermeister Stephan Paule sagt, dann hat die Stadt einen ziemlich guten Deal ausgehandelt. Einen mittleren fünfstelligen Betrag soll Alsfeld mit dem zuständigen Unternehmen als Entschädigung vereinbart haben. Mehr Geld lässt sich aus drei jungen Linden wohl kaum herausholen. Geld, was eine Stadt wie Alsfeld gut gebrauchen kann.

Der Bürgermeister hätte versuchen können, diesen Deal frühzeitig, offen und transparent seinen Bürgern zu erklären. Am Tag nach der Abstimmung eine Pressemitteilung mit seinen Argumenten raus zu schicken ist wahrlich kein gutes Timing. Baumfällungen sind heutzutage ein emotional aufgeladenes Thema, das hätte er wissen müssen. Paule hat die Gelegenheit nicht genutzt, die Alsfelder frühzeitig und umfassend zu informieren und sie und ihre Vertreter im Stadtparlament vor eine einfache Wahl zu stellen: „Wollt ihr die drei Bäume behalten – oder soll die Stadt gut 50.000 Euro verdienen? Zumal nach Aussage der Stadt die Linden an dieser Stelle sowieso nie gepflanzt werden hätten dürfen und irgendwann weg gemusst hätten. Die Überlegung der Stadt, so mit dem Fällen von drei Bäumen, deren Tage eh gezählt sind, ein schönes Sümmchen zu verdienen, wäre verständlich und nachvollziehbar gewesen.

Doch statt diese Chance zu nutzen, schimpft der Bürgermister öffentlich mit Unterstützung der Opposition auf lokale Medien, die nichts anderes als ihre ureigene Pflicht tun, Aussagen der Politik auf Wahrheit und Plausibilität zu überprüfen. Das ist – bei allem Respekt – peinlich. Auch wenn es in Zeiten eines Donald Trumps im Weißen Haus ja salonfähig geworden ist, die Presse für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu rügen.

Paules Kritik drehte sich auch um einen Artikel von Oberhessen-live, in dem mehrere Experten sagten, dass es mit spezieller Technik wohl grundlegend möglich sei, mit nicht sehr viel finanziellem Mehraufwand den Schwertransport durch Alsfeld zu lotsen, ohne dass die Bäume weichen müssten. Der Bürgermeister stellte das Fällen der Bäume aber in mehreren Gesprächen mit Oberhessen-live als mehr oder weniger alternativlos dar.

Persönliche Diffamierungen sind verachtenswert

Die Kritik des Rathauschefs richtete sich aber nicht nur gegen die Medien, sondern auch gegen die Kommentatoren im Netz. Oder besser gesagt gegen die Art und Weise, wie manche von ihnen ihrem Ärger dort Luft machten, in alberne Polemik abdrifteten und/oder den Bürgermeister wegen seines Erscheinungsbilds verspotteten. Darüber beschwerte sich Paule zu Recht. Es ist richtig und wichtig in einer Demokratie, Politiker und ihre Entscheidungen zu kritisieren. Es ist allerdings unterste Schublade und absolut verachtenswert, sie dabei wegen ihres Aussehens persönlich zu diffamieren und zu entwürdigen. An diejenigen, die das getan haben: Schämt euch!

ALA-Mitglied Stephan Rühl bemängelte in der Stavo, dass kein Vertreter von OL bei der Sitzung des Bauausschusses anwesend war, in dem seitens der Stadt nachvollziehbar erklärt worden sei, warum keine Alternative zum Fällen der Bäume in Betracht zu ziehen sei. Dazu lässt sich nur sagen: Lieber Herr Rühl: Hätten wir davon gewusst, wären wir da gewesen! Doch leider hat uns von der Stadt keine Einladung zu der Sitzung erreicht. Auch die Unterlagen für die gestrige Stavo erhielten wir erst auf Nachfrage von der Stadt, was eigentlich unüblich ist. Vom Vorhaben, die Bäume zu fällen, haben wir von der Konkurrenz erfahren.

Aussagen überprüfen – das tun gute Journalisten nun einmal

Und selbst wenn uns der Prüfbericht der Stadt vorgelegen hätte, hätten wir uns auf die Suche nach Experten gemacht, die für uns die Aussagen des Berichts überprüfen. Denn das tun gute Journalisten nun einmal. Dabei geht es nicht darum, mit aller Macht drei Bäume vor dem Abholzen zu bewahren. Alles, worum es geht, ist es, der Öffentlichkeit möglichst viele gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich eine wirklich fundierte Meinung bilden kann.

Und dazu zählt auch, dass sich durch solche Berichte Möglichkeiten auftun, die es vorher nicht gab oder die vielleicht übersehen worden sind. Aufgrund unserer Berichterstattung hat sich der Mitarbeiter einer Firma aus dem Vogelsberg bei uns gemeldet, die sich auf Schwertransporte spezialisiert hat und auch Windanlagen regelmäßig an ihr Ziel bringt. Sie bietet an, sich die Situation vor Ort anzuschauen und ein Machbarkeitskonzept vorzulegen – kostenlos! Wir vermitteln gerne den Kontakt.

8 Gedanken zu “Nicht die Bäume, das Gebaren der Stadt ist das Problem

  1. Wer wissen will wie sehr den Bürgermeister und allen voran sein Bauamt die Natur und die Lebensqualität der Menschen interessieren, der sollte sich mal die Erlen und insbesondere das Schlachtfeld um den Erlenteich ansehen. Und das mitten im Sommer. Da wird angeblich auf Touristen und Wohnmobile Wert gelegt und noch nicht mal hierfür hat man irgendein Gespür, wer das sieht der kommt nie wieder nach Alsfeld. Keine Stadt die etwas auf ihre Optik und Lebensqualität hält macht so etwas im Sommer. Einfach nur traurig, da fehlt jegliches Fingerspitzengefühl für die Bedürfnisse der Menschen.

  2. Achso, Tschechien, welches ich auch extra nicht genannt habe, lässt mit einem 2 Jahre alten Artikel natürlich eine Verallgemeinerung auf Europa zu. Und ein ganzes Atomkraftwerk wird da ausgebaut… übrigens ist der Zwischenschritt zunächst von fossilen Brennstoffen zur Atomkraft etwas, was auch westeuropäische Länder brauchten, bevor sie wirtschaftlich und technisch in der Lage waren, sich auf grüne Energie zu fokussieren. Sollten wir Deutschen dann nicht so anmaßend, überheblich und in Weltuntergangsstimmung betrachten, wenn dort auch AKWs gebaut werden / wurden. Der Trend hin zu erneuerbaren Energien ist in Europa klar erkennbar.

    Gut, dass Sie keine Zeit haben, sich darüber auszutauschen – wäre auch wirklich langweilig mit Ihnen.

  3. Nicole, leider stimmt das nicht. Fast alle europäischen Nachbarländer denken derzeit um. Nicht schnell, und bei weitem nicht schnell wie es in Deutschland der Fall war, aber eben doch.

    Die Schweiz hat in einem Volksentscheid den Bau weiterer AKWs verneint. Macron und das „neue“ Frankreich ist außerordentlich interessiert den Weg von Deutschland seit dem Jahr 2000 ebenfalls zu beschreiten (das nicht nur bei der Energie, auch bei den erfolgreichen Arbeitsmarktreformen). Polen möchte mittelfristig den Anteil der Kohleenergie drastisch reduzieren, und in Dänemark und den Niederlanden gibt es wohl heute schon mehr Windräder als Einwohner. Ich höre jetzt mal mit Einzelbeispielen auf…

    Anderen Leuten Stammtischargumente vorzuwerfen und zum Beschäftigen mit einem Thema aufrufen, aber selbst derart wenig Ahnung zu haben – große Klasse ;-))

  4. Was für üble Stammtischargumente. Einfach nur unerträglich dieser Bericht.
    Bitte beschäftigen Sie sich mit technischen Details bevor sie so einen Bericht ins Netz setzen.
    Im übrigen werden unsere Nachbarländer kein eines AKW wegen der “ German Angst“ abstellen und die Gefahr eines Supergau ist keineswegs vom Tisch.
    Wir zahlen einfach nur Milliarden an Subventionen für ein reines Gewissen und jede Menge Unfähigkeit.

  5. Sehr guter Kommentar, insbesondere die Kritik an den persönlichen Beleidigungen! Was meiner Meinung nach noch klargestellt werden muss:
    Hat Bürgermeister Paule gewusst das es sehr wohl noch Alternativen gibt und uns belogen weil er nicht offen den Mumm hatte zu dem „guten Deal“ zu stehen oder wurde tatsächlich die Sache schlampig geprüft im Bauamt?
    Wurden daher die Medien kritisiert weil diese, insbesondere Oberhessen Live, die doch vorhandenen Alternativen ans Licht brachten? Und wie kann es sein, dass eine Zeitung nicht eingeladen wird seitens der Stadt und nur die Konkurrenz?

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