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Noch bis zum kommenden Sonntag dauern die 4. Alsfelder Kulturtage – großer Abschluss: Sunset Jazz mit Trevor RichardsVom Urknall bis zur regiomenta – ein Zwischenbericht

ALSFELD (ol). Der Endspurt läuft – an diesem Wochenende gehen die 4. Alsfelder Kulturtage zu Ende. Fast schon traditionell gibt Trevor Richards am Sonntagabend das Abschlusskonzert: Jazz vom Feinsten für Freunde dieser vielseitigen Musikrichtung. Doch zuvor ein kleiner Rückblick:

Vom Urknall zur Popkultur – Und das am Sonntagmorgen. Der Astrophysiker Dr. Kai Noeske war zu Gast im Kaufhaus Alte Molkerei, um den zahlreichen Gästen in seinem Vortrag die Schönheit des Wissens zu vermitteln. Zu finden ist diese seiner Ansicht nach Lichtjahre entfernt in den unendlichen Weiten des Weltraums; sichtbar wurde sie mit Hilfe des Weltraumteleskops „Hubble“, das im April 1990 gestartet wurde. Geschaffen, die Einschränkungen durch die Erdatmosphäre zu umgehen, deren Moleküle das Auflösungsvermögen auf der Erdoberfläche blockieren, erreicht das Teleskop eine bisher nie dagewesene Auflösung und liefert seit Beginn seiner Mission Einblicke in viele Phänomene des Universums: Planeten, Exoplaneten, Sterne, Nebel, schwarze Löcher, Galaxien, Dunkle Materie und Dunkle Energie; sogar Rückschlüsse auf das Alter des Universums konnten mit seiner Hilfe gezogen werden.

Dr. Kai Noeske referierte über die Schönheit des Universums in der Alten Molkerei. Foto: privat

Ein Ausflug anhand atemberaubender Bilder, der es in sich hatte, auch wenn deutlich wurde, dass sich die Astrophysik nicht an einem Vormittag erklären lässt. Aber das hatte auch niemand erwartet. Vielmehr steckte der Wissenschaftler sein Publikum mit seiner Begeisterung für die Schönheit und Unendlichkeit des Universums an und spannte den Boden von der exakten Wissenschaft hin zu den Science-Fiction-Serien und –Filmen, die bis heute noch ihren Platz im Kino und im Fernsehen haben.

Puppen, Musik, Land und Natur und Inspiration für Romantiker

So heißt die Ausstellung des Alsfelder Fotografen Bodo Runte, die am Sonntag im Bistrinna in der Untergasse eröffnet wurde und ein außergewöhnliches Projekt ist: Schwarzweißfotografien von ausrangierten Schaufensterpuppen, ihre Geschichte erzählt anhand von Gedichten des Lyrikers Martin Krauss. Sieben Fotografien nur, die eine eigene Welt darstellen, zu sehen noch bis zum kommenden Sonntag von 11 bis 14 und von 17 bis 20 Uhr.

Helmut Hampel rezitierte zur Vernissage der Ausstellung „Puppen“ von Bodo Runte die entsprechenden Gedichte von Martin Krauss. Foto: privat

Das schon traditionelle Platzkonzert des Blasorchesters Altenburg unter der Leitung von Sabine Nau fand in diesem Jahr erstmals im Bürgergarten statt. Unter strahlendem Sonnenschein präsentierten die Musikerinnen und Musiker ihrem treuen Publikum anderthalb Stunden lang Märsche und Polkas sowie konzertante, moderne Blasmusik. Der Bürgergarten erwies sich dabei als ausnehmend schöne Location, einladend für Passanten, die gerne ein paar Stücke lang dort verweilten.

Eine „Inspiration für Romantiker“ brachten Alexander Urvalov und Martin Müller-Weiffenbach den Alsfeldern. Foto: privat

Ein so anspruchsvolles wie ansprechendes Programm hatten am Sonntagnachmittag die beiden Musiker Martin Müller-Weiffenbach und Alexander Urvalov vorbereitet. Sie spielten in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule in der Schillerstraße für ihr Publikum auf. Dabei stellten der aus Alsfeld stammende Cellist Müller-Weiffenbach und der in Alsfeld ansässige Pianist Alexander Urvalov unter Beweis, wie perfekt sie aufeinander eingestimmt sind. Kammermusikwerke aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert präsentierten sie anlässlich der Kulturtage und bezogen mit vielen Stücken auf die Natur – ganz so wie der Titel ihres Konzerts es versprach.

Ausstellungen, Puppentheater und eine rege Diskussion

Der Montag hielt eine weitere Vernissage bereit: Vier Künstlerinnen, die sich seit einigen Jahren im Aquarell-Atelier Wolfgang Bickel der Kunst des Aquarellierens widmen, stellen für die Dauer der Kulturtage ihre Werke im Antikraum des Kaufhaueses Neue Arbeit aus. Zu sehen sind hier interessante Studien, Naturdarstellungen aus der Region und der Ferne, Stillleben, Portraits und florale Motive. Die Ausstellung ist täglich von 15:30 bis 18 Uhr geöffnet.

Gruppenbild mit Mentor: Alexandra Ganz, Gundula Allendorf, Birgit Kattner, Viola Bornmann und Wolfgang Bickel. Foto: privat

Ziemlich genau dreißig Jahre nach der vielbeachteten Aufführung der gleichnamigen Oper nach dem Märchen von Theodor Storm war sie zurück auf Alsfelds Bühne, wenn auch mit weniger Musik und Gesang, dafür in einer besonders liebevollen und auch kindgerechten Inszenierung des Figurentheaters Weidringer. Am Dienstagnachmittag fand diese schöne Aufführung rund um die Kinder Maren und Andrees, die sich nach einer langen Dürre aufmachen, die Regentrude zu wecken, in der Stadtbücherei statt. Schau- und Puppenspielerin Christiane Weidringer lieh allen Figuren ihre Stimme und ließ ein buntes, fast magisches Szenario zwischen den Büchern entstehen.

Farbenfroh, kreativ und einfach wunderschön: Die „Regentrude“ zurück in Alsfeld. Foto: privat

Missverständnis Heimat? – Das fragte am Dienstagabend Dr. Walter Windisch-Laube seine Gäste im Freiwilligenzentrum. Anhand zahlreicher Bilder und musikalischer Einlagen stellte der Autor viele Facetten des Heimatbegriffs vor – ein „relativer, durchwachsener, mehrdeutiger, ja schillernder Begriff“, wie er findet. Ungeachtet der verschiedenen Heimaterfahrungen gerade im vergangenen Jahrhundert, hingen viele Menschen auch heute noch einem althergebrachten Heimatbegriff an, in dem das weitgehend kritiklose Übernehmen und Fortsetzen von Überlieferungen, Einstellungen, Haltungen und Gruppenritualen eine große Rolle spiele. Windisch-Laubes Ausführungen folgte eine angeregte Diskussion mit dem Publikum, das tiefe Einblicke auch in den ganz persönlichen Heimatbegriff ermöglichte.

Goethe, Wilhelm Busch und Rock’n’Roll

Auf die Spuren Wilhelm Buschs begab sich am Mittwochnachmittag Arno Fink. Er beschäftigt sich hobbymäßig mit dem vielseitigen Dichter und Zeichner, dem Urvater des Comics gewissermaßen, der doch in seinem Werk so viel mehr hinterlassen hat als „Max und Moritz“ und „Die fromme Helene“. Mit seinem Ausflug in das Leben und Wirken dieses eigentlich ernsthaften und verschlossenen Menschen stellte Fink seinem Publikum Wilhelm Busch auf sehr persönliche Art vor und präsentierte ihnen einen Mann, den man so sicher kaum gekannt hat.

Die Entstehung eines ganz besonderen Theaterprojekts dokumentierte der Film „Faust – der Film“ in der Werkstatt der bhvb in Alsfeld. Foto: privat

Wie man ein inklusives Theaterstück inszeniert, probt und mehrfach aufführt, damit beschäftigte sich ebenfalls am Mittwochnachmittag ein Film, den der Filmemacher Benjamin Kurz in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung der Behindertenhilfe Vogelsberg e.V. zeigte. Nichts Geringeres als „Faust“ hatten sich die rund 80 Mitwirkenden – mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, mit und ohne Behinderungen – vorgenommen. Nach mehr als einjähriger Vorbereitungszeit kam das großartige und viel beachtete Ergebnis im Herbst 2015 zur Aufführung. Die Entstehungszeit des Stücks hat Benjamin kurz liebevoll begleitet und daraus einen sehr berührenden Film gemacht.

Alternative Rock präsentierte die Band „The Aqualung“ in der Clubbar Plan B. Foto: privat

Heart’n‘Heavy – Dieses Motto für die Kulturtage hatten am Mittwochabend die Musiker Willer und die Band The Aqualung ausgegeben. Sie traten in der Clubbar Plan B auf, die erstmals Veranstaltungsort für die Alsfelder Kulturtage war. Mit diesem Konzert wurde auch das musikalische Repertoire der Kulturtage erweitert, sprach es doch eindeutig ein jüngeres Publikum an. Dabei war dieser Konzertabend an sich schon sehr abwechslungsreich: Schlug zu Beginn des Abends der Singer/Songwriter Willer eher ruhigere Töne an, so überzeugten die Musiker von The Aqualung – Johannes Schwitalla, Claas-Henning Dörries, Daniel Höft und Cornelius Laube mit differenziertem Alternative Rock, von lyrisch-melancholisch bis mitreißend-bewegt und gegebenenfalls auch etwas laut. Ein guter Einstieg jedenfalls in den Feiertag, der auch für die Alsfelder Kulturtage wieder einige schöne Programmpunkte bereithielt.

Es gibt sie nur 100 Stunden: Die „regiomenta“ von Dr. Walter Windisch-Laube. Foto: privat

In Anlehnung an die „documenta“ und seine erste regiomenta vor zehn Jahren eröffnete Dr. Walter Windisch-Laube – zum Auftakt am Donnerstagmorgen musikalisch begleitet von seinem Sohn Cornelius Laube – seine 100-stündige regionale, halbprivate Ergänzung zur 100-tägigen internationalen Schau in Kassel. Zu den unterschiedlichsten Öffnungszeiten zeigt der Alsfelder Kulturschaffende in und an seinem Wohnhaus in der Altenburger Straße eine interessante Auswahl von Kunst-Objekten, Installationen und Malerei. Letzte Möglichkeit, diese zu sehen, ist am Samstag von 9-16 Uhr.

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