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Gleichberechtigung - Auch in der heutigen Zeit ein schwer umkämpftes GutAlsfeld: Kein Platz für Homophobie

ALSFELD (bk). Jörg Boschmann – ein Name, den viele Alsfelder schon einmal gehört haben. Er ist ein kreativer Mann mit Herz für Meerschweinchen, einem Friseursalon, gibt Reitunterricht, lebt in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und tritt an den Wochenenden als Travestie auf internationalen Bühnen auf. Dennoch kehrt er immer wieder nach Alsfeld zurück und lebt mit seinem Partner in der Umgebung der vogelsberger Stadt.

Diskriminierung ist besonders in der heutigen Zeit auch noch ein Wort, was in aller Munde ist. Du bist zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, bist eine Frau, hast die „falsche“ Religion oder liebst das „falsche“ Geschlecht. Doch wie ist es wirklich als homosexuelle Person in einer kleineren Stadt wie Alsfeld zu leben? Oberhessen-Live hat zum internationalen Tag gegen Homophobie nachgefragt.

„Oft werde ich gefragt, warum mein Partner und ich so glücklich sind,“ beginnt Boschmann die Unterhaltung locker und verrät schließlich das Geheimnis was so viele interessiert: „Im Grunde ist es einfach: Wir nehmen uns, wie wir sind und versuchen uns nicht gegenseitig ändern zu wollen.“

In heterosexuellen Beziehungen sei das oft der Fall und wenn sich nichts ändere, käme es zu Lug und Betrug, doch auch dazu hat er eine strikte Meinung. „Wenn ich zum Beispiel die Nacht durchzechen würde, bräuchte ich am nächsten Tag gar nicht mehr nach Hause kommen. Umgekehrt genauso. Beziehungen sind ein geben und nehmen und kein ewiges Prinzessin spielen“, erklärte er.

Der Friseur, mit den vielen Talenten Foto: Jörg Boschmann

Gefühle kennen kein Geschlecht

Außerdem sei er nicht wie viele als homosexueller Mann geboren worden, sondern hätte dies irgendwann einfach für sich entschieden. Nach Enttäuschungen und gescheiterten Beziehungen mit Frauen „wurde es irgendwann einfach Zeit mir einen Partner zu suchen, der einen Versteht und den man nicht wie eine Prinzessin behandeln muss“ beschrieb Boschmann den Moment seiner Entscheidung. Nun lebe er schon seit vielen Jahren in einer glücklichen, gleichgeschlechtlichen Beziehung.

Andere Alsfelder hingegen wissen bereits seit frühster Kindheit von ihren Vorlieben, auch wenn sie es damals selbst noch nicht verstanden hätten – ihre Familien schon: „Ich war drei, als ich von einem nackten Mann geträumt habe“, lässt uns ein Alsfelder Bürger wissen. Ein anderer fügt hinzu: „Ich war auch noch sehr jung. Um die vier Jahre, als ich es selbst wahrgenommen habe.“

Boschmann hätte jedoch noch ein weiteres Geheimnis, erzählt er glücklich lächelnd. Egal wohin sein Weg ihn führe, negative Erlebnisse würde er nicht kennen. „Ich denke wirklich, dass es daran liegt, dass ich immer offen und ehrlich zu mir selbst und zu anderen bin. Ich verstecke mich nicht. Ich gehe immer auf die Menschen zu. Bin authentisch und einfach ich selbst. Sicher gibt es Leute, denen das nicht gefällt, aber das ist ihr gutes Recht. Doch die lassen mich dann in Ruhe. Offenheit und Ehrlichkeit, funktionieren für mich sehr gut“, erklärt er.

Positives und Negatives: Wie überall

Eine Gegenseite gibt es aber auch. Ein Alsfelder Bürger berichtete uns, dass er als Mann mit einem gleichgeschlechtlichen Partner schon oft von aggressiven Gruppen angefeindet wurde. Mit einem extrem homophoben Mann aber bereits alleine in dessen Wohnung zusammengesessen hätte, während dieser sich über seine gescheiterte Ehe ausjammerte.

Ein weiterer junger Mann mit der Vorliebe für das gleiche Geschlecht, auch wenn er Frauen gegenüber nicht abgeneigt sei, musste eine erschreckende Erfahrung machen. Mitten am helllichten Tag hätte ihm, ein ihm fremder Mann einen ziemlich anfeindenden Satz hinterher gerufen. „Es ist beschämend, das offene Anfeindungen dieser Art oftmals toleriert oder sogar noch unterstützt werden. Allein, dass wir das Thema gleichgeschlechtliche Liebe so ausführlich thematisieren müssen, dass es ganze Bücher füllen könnte, ist lächerlich“, fügt eine Alsfelderin zu der Aussage des jungen Mannes hinzu.

Eine Lady von Format Foto: Jörg Boschmann

Seit 35 Jahren sei der tierliebhabende Boschmann nun schon im internationalen Showgeschäft erfolgreich unterwegs. Die Bühnen betrete er jedoch nicht als Mann, sondern in den vielfältigsten Gewändern der Damenwelt. „Alle sind immer so begeistert von Olivia Jones, wie toll sie ist, dabei sehen sie nicht, dass sie ihre eigene Olivia direkt vor der Nase haben“, sagte Boschmann mit einem Lächeln auf den Lippen und erklärt weiter: „Ich kenne Oliver schon Jahre lang. Hab sogar schon mit ihm Kaffee getrunken.“

„Wir wollen allerdings weder auf die Tränendrüsen drücken, noch um Mitleid bitten.“ erklärt ein Alsfelder und fügt rigoros an: „Die armen Schwulen – das kann doch keiner mehr hören und es stimmt auch nicht.“

In den Gesprächen wird eines immer klar herausgestellt: man sei kein Opfer. Man lebe wie man möchte und kämpfe für seine Überzeugungen, was oft auch hieße für sich selbst einstehen zu müssen. Dabei stehe man mit erhobenem Haupt und stolzer Brust. „Viele versuchen ihr Leben lang irgendwie anders zu sein, sei es durch ausgeflippte Styles in Haarfarbe und Klamotten, durch ihr Auftreten oder ihre Ansichten. Man will aus der breiten Masse herausstechen und kämpft dafür. Wir brauchen das nicht, wir sind von Geburt an Anders“, erklärte eine Alsfelderin.

Leben und leben lassen

Es ist eine Redewendung, die zwar gerne benutzt, aber selten auch ernst genommen wird – Leben und leben lassen. Und doch scheint es besonders für Homosexuelle Menschen einfacher zu sein, auf dem Land zu leben, als in Großstädten. „Hier habe ich Freunde, die mir notfalls zur Hilfe kommen würden. Man kennt sich und ist Teil einer Gemeinschaft. In der Großstadt bist du nur ein namenloser Fremder, dem man nicht helfen muss“, so das Empfinden eines Alsfelder Bürgers. Außerdem berichtet er weiter, dass es des Nachts in größeren Städten richtige Hetzjagden gäbe bei denen man Jagd auf Homosexuelle machen würde. Eine unvorstellbare Realität und doch eine Realität in der wir alle leben.

Die Menschen, die einen Lieben, nehmen einen so, wie man ist. Ein Alsfelder

 

Doch es gibt auch viel Positives: Die Partnerschaft zweier Alsfelder Männer, die bereits über 20 Jahre hinaus zusammen seien und die so voller Liebe und Intimität ein heimeliges Zuhause für liebende Kindererziehung biete. Die herzliche Familie einer Alsfelderin, die sie liebe wie sie ist und immer unterstütze. Der Arbeitgeber, der die Kreativität aus seinen Leuten herauskitzle und dabei bei der Einstellung nicht auf sexuelle Vorlieben sondern die Qualifizierung seiner Mitarbeiter achte und letztlich der Transvestit, der sein Leben in den Kleidern Leben kann, in denen er möchte.

„Auf der Bühne bin ich eine Frau“ Foto: Jörg Boschmann

Zum Abschluss bleibt ein Gedanke hängen, der auch als die goldene Regel bekannt ist. Dieser rezitiert einen Grundsatz der praktischen Ethik: Behandle Andere so, wie du selbst auch behandelt werden willst. Ein Fazit: Man ist nicht heterosexuell, homosexuell, bisexuell, transsexuell oder was auch immer. Man ist nur eins – Mensch.

8 Gedanken zu “Alsfeld: Kein Platz für Homophobie

  1. Das ist auch ein Grund warum die westliche Demokratien sich selbst abschaffen. Wenn Toleranz ausgenutzt wird, egal in welcher Richtung.
    Wir brauchen ganz klare Regeln.Eine Regel die alles abdeckt ist!Lebt wie ihr wollt und sagt nicht was andere denken und machen sollen.Der Staat muss das nicht mitmachen. Wenn ich @Babsi und Iris Schulz lese komme mir das schon komisch vor und muss @IN recht geben. Auf einmal so viele Schwule und Transsexuelle.,…………… in den Familien ist schon merkwürdig.

  2. Allein die Tatsache, dass man sich rechtfertigt keine Probleme zu haben, zeigt das es doch einen beschäftigt. Auf faceboohk stand neulich der geniale Spruch, „he called me faggot, i called him an ambulance“…

    Je provenicieller die Region, desto hinterwäldlerischer die Jugend – wenn sie im Rudel auftritt, sind sie alleine findet man so manchen Bauernbub in einschlägigen Chatsforen wieder – Bigot ohne Ende und frivol…

  3. Ich verstehe nicht warum in der heutigen Welt nicht einfach jeder so akzeptiert werden kann wie er ist. Was spielt es da für eine Rolle, wen man liebt? Genau das sollte doch bitte jeder selbst entscheiden. Ich habe einen Bekannten, der genau dasselbe macht. Er ist homosexuell und tritt als Travestiestar auf.. ich finde es toll und denke, dass wahrscheinlich die sich am meisten aufregen, die sich nicht so outen können, die nicht aus Ihrer Haut können und offen mit Ihrer Sexualität bzw. Ihren Vorlieben umgehen können.. Ich habe jedenfalls den größten Respekt. Abgesehen davon, genießt die Show…. Es sollte wirklich mehr Toleranz gelebt werden….

  4. Jeder soll leben wie er will aber das als normal darzustellen ist eine andere Sache. Wer ist heute In? Dann bin ich das auch mal. Sogar Asylbewerber nutzen das aus. Hallo! Mal sehen was morgen In ist?

  5. Ich hatte zum Thema Homosexualität immer einfach eine sehr neutrale Haltung. War mir egal! Aber auch die Probleme die sich für nicht heterosexuelle Menschen im Alltag ergeben hatten mich nie sonderlich interessiert. Erst seitdem sich innerhalb meiner Familie gleich drei junge Leute als homosexuell bzw. transgender geoutet haben beschäftigt mich das wohlergehen dieser geliebten Menschen. Nun höre ich hin wenn ich von Dikreminierungen höre und hoffe sehr das auch in Deutschland die Homoehe bald ganz selbstverständlich ist!!!

  6. Bereits der Alte Fritz (1712-1786): sagte: „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“! (22. Juni 1740)
    Mittlerweile sind knapp 277 Jahre seit dieser fortschrittlichen Aussage vergangen und wir bringen es immer noch nicht fertig, wirklich Toleranz ggü Anderen zu üben (solange sie natürlich unsere Gesetze nicht verletzen)……

  7. Ich finde es gut wenn man zu dem steht was man ist unsere Gesellschaft wird immer wieder etwas finden um andere zu diskriminieren es fängt ja schon in der Schule an ich finde jeder soll sein leben so leben wie er es möchte

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