Gesundheit0

Eine Umschulung aus gesundheitlichen Gründen ist nicht einfach – Ein ErfahrungsberichtMit 34 zurück auf die Schulbank

ALSFELD (bk). Wenn man liebt, was man tut, fällt es besonders schwer es aufzugeben – selbst wenn es einen krank macht. So erging es mir vor fünf Jahren, als ich die Diagnose „Mehlallergie“ und „Bäckerasthma“ erhielt. Da bricht einem der Boden unter den Füßen weg und der schale Geschmack von Depression breitet sich wie ein dunkles Tuch über einem aus. Dann kommt irgendwann die Erkenntnis, dass es nur einen Weg gibt: Zurück auf die Schulbank.

Nach zwölf Jahren harter Arbeit zwischen Verkauf und Backwarenfertigung, wirkt es wie ein richterlicher Urteilsspruch aus dem es kein Zurück gibt – „Mehlallergie“ und „Bäckerasthma“. Während sich das eine beim kleinsten Kontakt mit einem Stäubchen Mehl, mit unansehnlichen Bläschen und breitem Ausschlag zeigte, den man nur noch unter Handschuhen und Verbänden verstecken konnte, ist das sogenannte Bäckerasthma eine weitaus tückischere Erkrankung.

Ein hartes Los, das es zu akzeptieren gilt

Während in einem Moment alles gut ist, braucht es nur einen Hauch Mehlstaub in der Luft und schon ist die Luftzufuhr abgeschnitten. Die Folge: Atemnot und Hustenreiz der nur mit Asthmaspray bekämpft werden kann.

Die ersten acht Monate waren wahrlich ein dunkles Loch. Die Ausbildung, das gesamte bisherige Arbeitsleben – weg, unbrauchbar. Selbst eine vorübergehende Tätigkeit im Telefondienst, so spaßig es auch war, konnte mich nicht aus dem depressiven Loch befreien und es wurde sogar so schlimm, dass ich über ein halbes Jahr an Stimmverlust litt. Währenddessen begann ich meine jahrelang zurückgestellte Liebe zum Lesen wieder aufzunehmen und Kämpfte mich aus den Depressionen. Kaum war dieser bis auf einige anhaltende Probleme gewonnen, folgte der nächste Kampf – diesmal mit den Ämtern.

Für ein Leben als Arbeitssuchender war ich mir definitiv zu jung, und so wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt um eine Umschulung zu bekommen. Als nach gut drei Jahren, etlichen Arztbesuchen und quälenden Untersuchungen die Bestätigung vorlag, dass die Erkrankungen Berufsbedingt sind, ging es ganz schnell. Nur ein Jahr später ging es als Umschüler zurück auf die Schulbank. Zum Glück, muss ich sagen, haben wir eine sehr gemischte Klasse. Da ist von gerade volljährigen Abiturienten bis zur über 50 jährigen Umschülerin alles dabei.

Wieder die Schulbank drücken

Dennoch ist es merkwürdig wieder in die Schule zu gehen – schwere Bücher schleppen und vor allem wieder lernen zu lernen. Konzentriert lernen ist gar nicht so einfach und plötzlich weiß man auch, wo die vielen Probleme der Schüler herkommen.

Frontalunterricht mit einem Lehrer, der einem Dinge strukturiert beibringt, gibt es nicht mehr. Du hast ein Buch, ein Aufgabenheft und dann heißt es: „mach“. Hat man mal eine Frage kommt der tolle Ausspruch: „Das steht doch im Buch und wenn nicht, such im Internet.“ Das ist anstrengend, und benötigt sehr viel Disziplin und selbst Engagement.

Noch liegt ein gutes Jahr vor mir und meinen Klassenkammeraden, und der bevorstehende erste Teil der Abschlussprüfung flößt einem schon Respekt ein, denn was wenn: Wir ausgerechnet das Thema was dran kommt, in den Aufgaben nicht hatten, wenn die Excel-Formeln einem nicht einfallen wollen oder gar ein kompletter Blackout droht? Da hilft dann wohl nur eins: tief Luft holen, Ruhe bewahren und dann klappt das auch.

 

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren