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Kolumne "Rike's Report" am Samstag: „Gib einer Frau die richtigen Schuhe und sie kann die Welt erobern!“Ich hab die Haare schön, ich hab die Haare schön!

Über Frauen kann man viel sagen: Sie können nicht einparken. Sie gehen nicht unfrisiert aus dem Haus. Geschweige denn ungeschminkt. Klischee? Sie versuchen Probleme zu lösen, bevor diese überhaupt entstehen – Vorbeugung nennt man das. Frauen sind das stärkere Geschlecht, keine Frage. Zumindest was das Durchsetzungsvermögen betrifft. Aber auch das zickigere. Und sie wissen generell alles besser. Und Unrecht haben sie ohnehin nie. Und: Frauen brauchen immer mal wieder einen ordentlichen Haarschnitt. Manche Frauen sind anders. Ich nicht.

Wenn man älter wird, verändert man sich. Man ändert seinen Typ. Und lernt die verschiedensten Typen kennen. Angefangen in meiner Familie: Trotz geteiltem Erbgut, sind meine Schwestern und ich uns oft so unähnlich wie Tag und Nacht. Von blond bis braun, von 1,65 m bis 1,89 m ist alles dabei. Bunt gemischt könnte man sagen – und das zum Glück. Was man doch alles lernt von diesem Haufen! Die besten Tipps für jede Lebenslage haben sie parat. Und stets einen offenen Kleiderschrank. Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten: Während sich ein Teil meiner liebsten Damen auf Erden dem modisch typischen Klischee einer Frau zuwandte, verzichten andere schlichtweg ganz und gar auf Make-Up, Röckchen, Ohrringe und Co. Zumindest bis sie ein bestimmtes Alter erreichten.

Auch in meinem Freundeskreis wurde schon früh klar: entweder bist du „total das Mädchen“ oder nicht. Und manchmal auch: Irgendwas dazwischen. Was mich betraf, gehörte ich mit jungen Jahren zur Gruppe ersterer: für ihre Hochzeit hatte sich meine Mutter für ein schlichtes Leinenkleid und Sonnnenblumen im Haar entschieden. Toll, wie ich heute finde. Unmöglich, wie ich damals fand. „Das ist kein richtiges Hochzeitskleid“, erläuterte ich der Braut. Und beschloss kurzerhand, dass wenn schon meine eigene Mutter nicht mit der Tradition ging, ich ihr diese Aufgabe abnehmen würde. In einem türkischen Modeladen wurde ich schließlich fündig: Ein Rüschentraum in rosa, mit Spitze und roten Rosen am Saum. Ich war die geborene Prinzessin. Jedenfalls für den Augenblick. Mit den Jahren kam die Erkenntnis: Es ist nicht alles pink, was glitzert.

Zum Entsetzen meiner Schwester Nummer 2 entwickelte sich mein Stil zunächst ziemlich gegensätzlich: Holzfäller. Zumindest sagte sie das. Bunte Cordhosen und Hemd mit Karomuster. Der Grund war nicht etwa, dass es mir außergewöhnlich gut gefiel. Vielmehr war es mir schlichtweg egal. Es gab wichtiges in meinem Leben als Prada und Lacoste. Mit dieser Einstellung ging ich in der Mittelstufe eindeutig nicht mit dem Rest meiner Mitschüler konform: Pudern in der Pause, Haare glätten vor dem Unterrichtsbeginn – dem Himmel sei Dank, hatten unsere Toiletten Steckdosen! Neben dem Ausschnitt bis zum Bauchnabel wurden irgendwann auch die Hot-Pants Mode, die den Blick auf eine halbe, nackte Pobacke zuließen. Eins ist sicher: Gesprächsstoff war in diesen Zeiten kein rares Gut. Und auch heute noch habe ich besagten Damen das Highlight meiner Alsfelder Schullaufbahn zu verdanken: Zu ihrem Abschied schenkten die Abiturienten aus dem höheren Jahrgang den Halbnackten einen Schwung Jeanshosen. Ein Zeichen des Mitleids für jene mittellosen, bei denen es nicht für Klamotten bis zum Oberschenkel gereicht hat, so denke ich. Aber eins muss man ihnen in jedem Fall zugestehen: Die Haare saßen immer perfekt!

„Mode sollte widerspiegeln, wer du bist, was du fühlst, und wo du hingehst.“ (Pharell Williams). Foto: fg.

Und nichts ist wichtiger als das. Denn worin mir jeder Modeschöpfer und jede Gala-Leserin zustimmen würde: Ohne Frisur ist auch das chicste Outfit ein Kartoffelsack. Ohne TV zuhause, nutze ich regelmäßig meinen freien Morgen allein im Bett meines Freundes dazu, seinen Fernseher zu drangsalieren. Würde er zumindest sagen. Ich zappe von „Castle“ über „Zwischen Tüll und Tränen“ bis zu „Schrankalarm“. Keine Bildungslücke wie ich zugeben muss. Doch eins habe ich gelernt: Nicht nur die Kleidung zählt – erst die Frisur macht ein Outfit komplett. Hätte ich das mal früher gewusst!

Vor allem Frauen haben es in puncto Frisur schwer. Obwohl sie es eigentlich einfach haben. Was Männer betrifft, bekommen diese mit dem Out-of-the-bed-Look und Co auch ohne stundenlanges im Bad stehen einen anerkennenden Blick zugeworfen. Wenn Frau das versucht, kümmert sie sich eindeutig nicht um ihr Äußeres und man fragt sich: Wie kann sie so aus dem Haus gehen? Sah man mich vor wenigen Jahren hätte man dasselbe denken können: Nach einem Unfall in Kindertagen mit einer Bastelschere die zu einem Vokuhila führte, beschloss ich: Lass wachsen. Der Rest war mir egal. Während meine Schwestern zwischen kurz und lang, rot, lila und schwarz wechselten, tat ich gar nichts. Und wurde unterstützt. „Schneid Dir bloß nicht deine schönen langen Haare ab!“, hörte ich immer wieder. Inzwischen vermute ich, dass meine Liebsten dies nicht mir zuliebe sagten, sondern viel eher um mich als wandelnde Schmink- und Frisierpuppe nicht zu verlieren. Doch eines Tages hatte die Mähne auf meinem Kopf ihren Dienst getan. Ich hatte keine Lust mehr auf ewiges Kämmen hier, flechten da, minutenlanges Föhnen an jedem Morgen.

Wie bei den meisten Frauen, war ein Mann der ausschlaggebende Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte: Nachdem ich mich von meinem zweiten Freund zum gefühlt tausendsten Mal getrennt hatte, fuhr ich nach Berlin. Die Heimat meines Herzens! Doch neben ägyptischem Essen und Spaziergang an der Spree stand diesmal auf dem Plan: Frisör. Er war schwul, hingebungsvoll, schnitt mit dem Messer und der pure Wahnsinn. Nach wenigen Stunden war meine ellbogenlange Pracht auf wenige Zentimeter gekürzt. Der Schock war groß. Vor allem was meine Mitmenschen betraf: „Das würde ich mich nie trauen!“, hörte ich bewundernd von seitens meiner weiblichen Freunde. „Bist Du jetzt lesbisch?“ fragten hingegen die Männer. Oh Herren der Schöpfung – ihr bestätigt mich immer wieder. Preiset das Schubladendenken!

Vor wenigen Wochen schließlich wagte ich den nächsten Schritt: blond. Beziehungsweise. grau. Oder irgendwas dazwischen. Begeistert strich die Friseuse durch mein jungfräuliches Haar, bevor sie es mit Bleichmittel zum Schafott führte. Mit jeder Minute die verging fragte ich mich: Ist das dein Ernst? Und ja, das war er. Oben blond, die Seiten kurz rasiert und dunkelbraun – wenigstens ein bisschen Natur wollte ich behalten. Ob ich jetzt einen auf Miley Cyrus machen wolle, fragte meine kleine Schwester. Ich weiß immer noch nicht, was das bedeutet. Ob sie sich die Frisur nicht auch schneiden lassen soll, fragte meine Mutter. Ich blieb stumm. Mein liebster Freund fand es gut. Aber laut ihm würde mir ohnehin alles stehen. Na, was soll er auch sonst sagen?

Die unabhängigen, starken Frauen da draußen schütteln nun den Kopf über so viel klischeehaften Schwachsinn. Doch ich sag ihnen: Es geht nicht um die anderen. Oder um den Konsum. Oder darum, seinen Schrank mit unzähligen Schuhen zu füllen. Obwohl: Marylin Monroe sagte einmal „Gib einer Frau die richtigen Schuhe und sie kann die Welt erobern!“ – und die muss es schließlich wissen. Aber was ich eigentlich meine: Liebe Frauen, traut Euch was! „Mode sollte widerspiegeln, wer du bist, was du fühlst, und wo du hingehst.“ (Pharell Williams) – und das ist auch völlig legitim. Ob es der weiße Arztkittel ist, die pinke Haarpracht auf dem Kopf, die roten Lackpumps oder das Leinenhemd vom Mittelaltermarkt – die Welt der Mode ist so groß, so facettenreich und so alternativ. Seinen Weg zwischen top und flop, zwischen in und out zu finden, ist nicht einfach. Es braucht Zeit und manchmal auch eine ordentliche Portion Mut und Lust auszuprobieren. Also zum Abschluss ein zeitgenössisches Zitat: „Hauptsache ihr habt Spaß!“ Und Hauptsache, ihr seid ihr selbst.

Ein schönes Osterwochenende und frühlingshafte Feiertage,

Ihre Rike

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