Gesellschaft0

Kolumne "Rike's Report" am Samstag: Happy Birthday to me, Happy Birthday to me..Geburtstag haben ist so schön!

Es ist wie Weihnachten, Silvester und Ostern: Alle Jahre wieder ein Geburtstag. Alle Jahre wieder ein Jahr älter. Alle Jahre wieder derselbe Stress: Putzen bis die Wohnung glänzt. Kaffee und Kuchen. Geschenke und Blumen. Weitere Faktoren für mich: Facebook und Fleisch. Und nach 24 Stunden – Schwups ist der Spuk wieder vorbei. Auch bei mir ist es am heutigen 84. Tag des gregorianischen Kalenders so weit: Ich darf gemeinsam mit Markus Maria Profitlich, Wladimir Klitschko und Sarah Jessica Parker Kerzen für ein neues Lebensjahr auspusten. Zumindest im übertragenen Sinne.

Als Kind findet man vieles toll: Blumenerde essen, im Matsch spielen, Sandkuchen backen. Und natürlich den eigenen Geburtstag: Jede Menge zum Auspacken und Süßes von Schwarzwälder-Kirsch-Torte über Muffins bis hin zu Windbeuteln. Bei so einem Anlass kann man auch mal die feuchtnassen Lippenstift-Küsschen der Tanten in den Hintergrund drängen. Auch ich war nicht anders als meine Altersgenossen: Das hübsche Kleidchen frisch gewaschen, den Haarreif auf dem Kopf – der Tag kann kommen! Mit den Jahren perfektionierte ich nicht nur sekundenlange Dankesreden, sondern auch das gekonnt gekünstelte Lächeln, wenn das Geschenk nicht den Vorstellungen entsprach. Aber wie heißt es so schön: Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.

Weniger glücklich war ich meist auf den Geburtstagen meiner Freunde. Zunächst einmal war es je nach Kind ein Privileg, seinen Jahrestag mit ihm feiern zu dürfen. Ein Stück buntes Papier mit Diddl und Mimihopps darauf, glich dem königlichen Ritterschlag. Wer nicht dabei war, wurde gemieden. Zumindest bis er selbst mit den Einladungen dran war und plötzlich der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit wurde.

Der besagte Tag schließlich glich des Öfteren mehr einem haarsträubenden Wettbewerb denn einer netten Zusammenkunft. Um bei jeglichen Klassenkameraden, egal ob Anwesenden oder später informierten Neidern, in die Top Ten aufzusteigen, lieferten sich Mutter und Vater eine wahre Schlacht: Feuerwerk im Kinderzimmer, eine Hüpfburg im Garten, Ponyreiten beim Nachbarn. Und für den Heimweg: Eine Tüte mit Süßigkeiten. Die Party war erst der Knaller, wenn es selbst Tage später noch, kein anderes Gesprächsthema gab.

Trotz einiger die übers Ziel hinaus schossen, beschwerte ich mich nicht. Soweit, so gut. Was meine kulinarischen Bedürfnisse betraf, war ich jedoch meist außen vor: Chicken McNuggets mit Pommes, Bockwurst mit Brötchen, Spaghetti Bolognese, Salamipizza und Burger – Gaumengraus statt Gaumenschmauss. Ein Tier nach dem anderen viel mit den Jahren den Kleinwüchsigen zum Opfer. Mich ausgenommen: Stets marschierte ich bewaffnet mit Tofuwürstchen, vegetarischem Nudelsalat oder Falafeln Richtung Geburtstagskind. Ein seltsames Phänomen, diese Fleischeslust an Feierlichkeiten. Das musste ich nicht nur in meiner Kindheit, sondern auch mit fortlaufendem Alter immer wieder feststellen: Spanferkel hier, Rinderrouladen da. Für mich blieb meist: Kaisergemüse und Kartoffeln. Und ein grüner Salat ohne Schinkenstücken. Wenn ich Glück hatte. Mit der Zeit lernten meine Nächsten, dass man mir mit anderem kommen musste, um dem Magenknurren vorzubeugen: Nudeln mit Tomatensoße. Oder eine Scheibe Brot. Wählerisch war ich nie. Vergessen wurde ich trotzdem oft.

Umso überzeugter war ich, als es um die Vorbereitungen für meinen 18. Geburtstag ging: Zum Entsetzen einiger Geladener, verzichtete ich auf jegliche tierische Viktualien, stattdessen säumten Couscous-Salate neben Polenta und Sojageschnetzeltem meinen reichlich gedeckten Tisch. Wer nichts fand, war selbst Schuld – oder auch: Wie ihr mir, so ich euch. Seit diesem Tag ist jeder meiner Wiegenfeste vegetarisch. Für mich alltäglich, für manche Gäste immer wieder eine Sensation. Seit diesem Tag darf auch ein weiteres Schmankerl an meiner Tafel nicht fehlen: Die Benjamin-Blümchen-Erdbeere-Schoko-Sahne-Torte von Coppenrath und Wiese. Inklusive Elefantenfigur. Nix Fleisch. Nix gesund. Nix ohne Geschmacksverstärker. Und trotzdem: Jedes Jahr ein Muss. Für manche alltäglich, für mich eine Senstion. Törööö!

Abgesehen von geschmacklichen Verirrungen, hat sich ein weiteres Purzeltag-Phänomen tief in meine Netzhaut gebrannt: Facebook. Seit sich das Soziale Netzwerk in jedem Haushalt breit gemacht hat und nicht mehr aus den Köpfen wegzudenken ist, macht es auch vor den Geburtstagen nicht halt: Weit über hundert Einträge mit Glückwünschen dürfen viele stolz zu den Errungenschaften ihrer sogenannten Pinnwand zählen. Bei mir waren es im letzten Jahr neunundzwanzig. Immerhin. Zu meiner Schande muss ich jedoch gestehen: ich bin auch nicht besser. Seit den Anfängen des blauen Daumens sind mir Lust und Nerven abhanden gekommen, jeden Tag irgendjemandem zu gratulieren.

Zu Beginn ließ ich jedem meine Aufmerksamkeit zu Teil werden. Inzwischen weiß ich: Das tangiert die meisten ohnehin nicht. Deshalb beschränken sich die Grüße meinerseits nur auf die Menschen, bei denen es mir wichtig ist. Die bessere Alternative ist ohnehin stets: Eine persönliche Nachricht, ein Anruf oder ein kleiner Besuch. Bei meinen Streifzügen durch die Profile meiner Freunde, durfte ich das ein oder andere Mal mit Schrecken feststellen, dass selbst Mütter und Väter via Facebook ihren Nachkommen die besten Wünsche übermitteln. Meist mit einem Überschwang an Herzen und lächelnden Smileys. Na dann: Happy Birthday!

Trotz der kulinarischen Problematiken, den unangenehmen Erinnerungen an Würstchen-Wettessen und zweifelhaften Entwicklungen unseres technischen Zeitalters, bin ich der Meinung: Geburtstag haben ist toll. Aller Unkenrufe seitens fanatischer Gegner zum Trotz, bin und bleibe ich dabei, dass es wichtig ist, ein neues Lebensjahr zu feiern. In der heutigen Zeit passiert so viel. Und so schwarzmalerisch es auch klingen mag: Jeder Tag könnte der letzte sein. Wieso also nicht gemeinsam feiern, dass man ein Jahr älter ist, ein weiteres Lebensjahr vor sich hat? Für mein Dafürhalten spricht nichts dagegen. Natürlich gibt es berechtigte Einwände, wie etwa: zu viel Arbeit, zu viel Stress, zu viele Menschen. Aber liebe Leute, das Leben ist kein Ponyhof! Und die Zeit läuft nicht rückwärts. Der Franzose Jean Cocteau sagte einst: „Je mehr Kerzen deine Geburtstagstorte hat, desto weniger Atem hast du, um sie auszublasen.“ Also: Feiert solange ihr noch könnt! Und wenn ich mit auf der Gästeliste stehe: Bitte mitdenken. Denn: „Die Vernunft beginnt bereits in der Küche.“ (Friedrich Nietzsche)

 

Einen herzlichen Gruß an alle Geburtstagskinder,

Ihre Rike

Schreibe einen Kommentar

Bitte logge Dich ein, um als registrierter Leser zu kommentieren.

Einloggen Anonym kommentieren