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Kolumne "Rike's Report" am Samstag: "Über-den-Tellerrand-schauen" statt im Tümpel versinken!„Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann?“

Ein Feuer im Haus, ein Autounfall auf der Straße. Korrupte Politiker, haarsträubende Finanziers. Erschütternde Nachrichten. Jeden Tag erreichen uns Geschichten aus der ganzen Welt, vom Einbruch eine Haustür weiter, bis hin zu Terroranschlägen 3.000 Kilometer weit entfernt. Das Erschreckende daran: Je schlimmer die News, desto größer das Interesse. Wo bleibt das Gegengewicht? Zu Beginn meiner Kolumne war ich der Meinung: Es ist Zeit für das Normalste, für Lappalien aus dem Hier und jetzt. Fast 365 Tage später wird mir klar: Gar nicht so einfach wie gedacht.

Beinahe zehn Jahre bin ich nun schon journalistisch tätig. Ein kleines Konzert hier, eine Kunstausstellung da. Die Arbeit als Schreiberling öffnet so manche Türen: Man lernt neue Leute kennen, knüpft Kontakte und manchmal sogar Freundschaften. Taucht in Welten ein, die man vorher nicht kannte – man lernt fürs Leben, auch von den einfachsten Dingen. Dass vor allem diese Dinge oft mehr Gewicht haben, als man denkt, sehen viele nicht: Berichte über ansässige Schriftsteller, die die Welt verändern wollen, über handwerklich aktive Mitbürger, über spannende Kinofilme und Musizieren für einen guten Zweck. Langweilig? Keineswegs. Doch das Problem: Es fehlt der Skandal.

So makaber es auch klingen mag: ein Verletzter bei einem Autounfall, ein Brand im Mehrfamilienhaus, ein Verbrecher im Nachbardorf. Je entsetzlicher die Nachricht, je erdrückender und schauerlicher die Information, desto neugieriger scheinen viele zu sein. Sind wir bereits so stark abgestumpft, so stark normalisiert bezüglich derlei Geschehnissen, dass wir anderes nicht mehr wahrnehmen? Muss es denn immer heißen: am Schlimmsten?

Als ich meine Idee in die Tat umsetzte, eine Kolumne zu schreiben, waren meine Worte: „Es sollte viel öfter heißen: Am Normalsten. Denn oft liegt in den Nebensächlichkeiten jene Leichtigkeit, die uns heutzutage leider allzu oft fehlt.“ Ich wollte die „Bad News“ aufmischen, mit Geschichten aus dem Leben. Eine Prise Humor und Sarkasmus, Ehrlichkeit und nicht allzu selten eine Spur zu viel des Guten – und dennoch: immer mit einem wahren Kern, einer Botschaft, einem Anliegen. Einem Zeichen: Meine lieben Leute, es geht auch anders. Wir dürfen nur nicht im Tümpel der Grässlichkeiten versinken.

„Happiness can be found even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light.“ – Albus Dumbledore. Screenshot: fg.

Trotz meiner Versuche, den Bildern, die mir ebenso wie meinen Mitmenschen täglich begegnen, etwas Positives abzugewinnen, stieß ich in den letzten Monaten immer wieder auf Gegenteiliges: Fremdenfeindlichkeit, Ablehnung und Respektlosigkeit unter den Menschen. Gewalt und Alkoholmissbrauch. Politisch fragwürdige Entscheidungen. Und so gelang es mir, trotz meiner Großmutter, der Dating-App und meinen ersten Erfahrungen auf dem Motorrad, nicht immer, die anderen weltbewegenden Themen vollends außer Acht zu lassen.

Zu oft ist es das, das einen zum Kopfschütteln bringt, was mich zu Ideen und schließlich zu meiner Kolumne bewegt. Vielleicht muss ich deshalb meinen „ersten Versuch“ zumindest ein kleines Stück weit revidieren. Es geht nicht darum, die schlechten Nachrichten zu ignorieren und zu leugnen. Es geht vielmehr darum, einen Anreiz, einen Denkanstoß, ein „Über-den-Tellerrand-hinaus-schauen“ zu liefern und aufzuzeigen: Wie dunkel die Gesellschaft, das Miteinander, die Zukunft auch manchmal aussehen mag – wir sind diejenigen, in deren Hand es liegt, daran etwas zu ändern.

Die Schauspielerin Emma Watson ist seit Juni 2014 UN-Sonderbotschafterin für Frauen- und Mädchenrechte. In einer Rede sagte die heute 26 Jährige: „In my moments of doubt, I´ve told myself firmly: If not me, then who? If not now, when?“ – „In meinen Momenten des Zweifels, habe ich mir nachdrücklich gesagt: Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann?“ Selbst wenn man ihren Gedanken aus dem Kontext der Gleichberechtigungsbewegung nimmt, bleibt eine essenzielle Bedeutung zurück, eine Idee. Eine Idee, die auch der amerikanische Dichter Walt Whitman vor Jahren in die Köpfe vieler Menschen säte: Wozu bin ich da? „That you are here – that life exists and identity, That the powerful play goes on, and you may contribute an verse.“ – Die Antwort: „Damit Du hier bist. Damit das Leben nicht zu Ende geht, und deine Individualität. Damit das Spiel der Mächte weiter besteht und du deinen Vers dazu beitragen kannst.“

Eine Idee, die auch ich versuche ein Stück weit in die Welt zu tragen. Selbstredend nicht annähernd in diesem Ausmaß und dennoch: Damit ich meinen Vers dazu beitragen kann. Dazu, bewusst die Perspektive zu wechseln, was in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich ist. Kein Wegschauen, kein Leugnen. Sondern die Erkenntnis, „Es, geht auch anders“ – der Ansporn: Denke! (Oder für die Aufklärer unter uns: „Sapere aude!“). Denn das ist nötig.

So manches Mal frage ich mich, ob meine Worte Anklang finden. Ob jemand bei dem so manches Mal sarkastischen Auf-die-Spitze-Treiben dennoch das Fünkchen Gehalt erkennt. Doch trotz all Unwissenheit und Hader – lassen Sie es mich mit Albus Dumbledores Worten sagen und abschließen: „Happiness can be found even in the darkest of times, if one only remembers to turn on the light.“ – „Glück und Zuversicht vermag man selbst in Zeiten der Dunkelheit zu finden, man darf bloß nicht vergessen ein Licht leuchten zu lasen.“

Ihre Rike

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