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Oberstufenschüler der Alexander-von-Humboldt-Schule beim EKHN-SymposiumWas macht die digitale Welt mit Menschen?

LAUTERBACH (ol). Die Welt ist digital. Ein Zurück in analoge Zeiten wird es kaum mehr geben. Doch was macht die digitale Revolution mit den Menschen? Wie groß ist die Macht der Algorithmen und wer bestimmt das letztendlich? In einem öffentlichen Symposium beschäftigte sich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau mit dem Thema Digitalisierung. Vier Schüler der Lauterbacher Alexander-von-Humboldt-Schule waren dabei.

Renommierte Referenten nahmen teil: unter anderem Dr. Christoph Kucklick, Chefredakteur des GEO-Magazins, Prof. Dr. Katharina Zweig, Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern, Ralph Müller-Eiselt von der Bertelsmann-Stifung, Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf, Fachbereich Theologie der LMU München und Prof. Dr. Harald Welzer, Fachbereich Transformationsdesign der Europa Universität Flensburg. Die Moderation hatte Gert Scobel von 3Sat übernommen; zum Start des Schülerseminars am Donnerstag und des Symposiums am Samstag sprach Kirchenpräsident Dr. Volker Jung – ein ehemaliger Schüler der Alexander-von-Humboldt-Schule.

Dem Symposium voraus ging ein zweitägiges Schülerseminar mit einem großen Workshop-Angebot, das sich an Schülerinnen und Schüler der Oberstufen in Hessen und Rheinland-Pfalz richtete. Unter den etwa 130 ausgewählten Teilnehmern waren mit Vinzent Narz, Andreas Silmann, Till Trier und Luc Zettl auch vier Schüler der Lauterbacher Alexander-von-Humboldt-Schule. Im Nachgang berichteten sie über ihre Erfahrungen mit den Chancen und Risiken der Digitalisierung und mit dem Bestreben der Gesetzgeber, der Datenflut Herr zu werden und den Schutz der Persönlichkeitsrechte auch online zu gewährleisten.

Obgleich „Digital Natives“ und ausgestattet mit jeder Menge Praxiserfahrung im Netz, in den Sozialen Medien und in der digitalen Spiele- und Kommunikationswelt, waren die jungen Seminar- und Symposiumsteilnehmer gespannt, was sie erwartete, als sie sich nach Frankfurt an die Goethe-Universität aufmachten. Auf die Veranstaltung hingewiesen hatte sie ihr PoWi-LK-Lehrer Karsten Krämer. „Digitale Revolution  und Big Data – dies sind Schlüsselthemen für die nächste Zeit“, so Krämer zu seiner Motivation, die Schülerinnen und Schüler dafür zu sensibilisieren.

Und obwohl die jungen Leute wirklich ständig digital unterwegs sind, merkten sie, dass ihnen die Theorie, das Wissen drumherum fehlte. „Was bedeutet beispielsweise die Monopolstellung der Großkonzerne im Internet?“, fragten sie sich oder „Welche berufliche Chancen bietet die digitale Welt?“ Dabei stellten sie fest, dass Chancen und Risiken gar nicht so weit auseinanderliegen und sich Berufsbilder in den nächsten Jahren aufgrund der Digitalisierung erheblich verändern werden.

Drei Tage gingen sie dafür in Frankfurt in Klausur: Den interessanten Impuslvorträgen „Silicon Germany: Wie Deutschland digital wird“ und „Facebook, WhatsApp & Co. – Wie würde Luther heute kommunizieren?“ folgten am zweiten Seminartag zehn verschiedene hoch interessante Workshops, etwa zum Thema „Keine Geheimnisse mehr – das Ende der Privatheit in der digitalen Gesellschaft?“ oder „Gefährden Algorithmen unsere Demokratie? Wo entscheiden sie über unsere Köpfe hinweg?“. Themen, mit denen auch die jungen und versierten Smartphone-Nutzer sich nicht alle Tage auseinandersetzen.

„Alles Daten oder was? Wie man durch die Digitalisierung mit Daten Geld verdient“ lautete der Fokus im Workshop, den Vinzent Narz, Andreas Silmann und Till Trier sich ausgesucht hatten. Zum einen wollten sie wissen, wer heute bereits mit dem Einsammeln von Daten im Internet Geld verdient, andererseits fanden sie es aber auch spannend, Datengewinnung und –vermarktung als Wirtschaftsbereich kennenzulernen. „Die Digitalisierung wird ganze Berufsbilder auslöschen, verändern oder neu entwerfen“, weiß Vinzent Narz nach der hochinteressanten Veranstaltung. „Der Arztberuf beispielsweise kann durch das einfache Vorhandensein von persönlichen Vitaldaten, die permanent schon jetzt vom Handy aufgezeichnet werden können, viel individueller werden.“ Interessant fanden die Schüler in diesem wie in anderen Bereichen auch die rechtlichen und ethischen Fragen: Welche Daten darf man überhaupt erheben und was davon darf man verwenden? Wo sind die Grenzen der Datensammelwut im Verglich zu ihrem Nutzen? Und wie können massenweise gesammelte und ausgewertete Daten ganze Wahlen beeinflussen? Die verschiedene Facebook-Ansprache unterschiedlicher Zielgruppen bei den US-Wahlen ist ein erstes gravierendes Beispiel für die Bedeutung der Digitalisierung auch für die Demokratie. Und längst nicht das einzige.

Während Luc Zettl sich in dem Workshop „Liquid Democracy“ mit den tatsächlich machbaren Möglichkeiten einer Demokratie per Mausklick beschäftigte, wurde in den Vorträge deutlich, wie sehr Demokratie sich an den digitalen Chancen und Risiken abarbeitet. Aktuell werde in Brüssel an einem Gesetz geschrieben, das die Persönlichkeitsrechte Einzelner im Netz zuungunsten einer unbegrenzten Meinungsäußerung schützen will. Wie restriktiv muss der Gesetzgeber hier vorgehen? Muss die Demokratie vor der „smarten Diktatur“ geschützt werden, wie Prof. Dr. Harald Welzer es propagierte oder „Entmündigt Europa seine Bürger“, wie es in dem Vortrag von Dr. Christoph Kucklick hieß?
Fragen, die auch die von Geburt an mit den digitalen uns sozialen Medien aufgewachsenen Schülerinnen und Schüler nicht einfach beantworten können, und für die es am Ende des dreitätigen Schülerseminars mit Symposium keine allgemeingültigen Antworten gab. Vielmehr die Erkenntnis, dass diese Themen es wert sind, vermehrt und intensiver Gegenstand der öffentlichen Diskussion zu werden. „In den Medien geht es viel um Politik“, findet Vinzent Narz, „während solche Themen, die von größter Wichtigkeit sind, so gut wie gar nicht vorkommen.“ Der Schüler findet es schade, dass dieser Bereich wenn überhaupt nur auf Expertenebene diskutiert wird. Eine breite Öffentlichkeit täte ihm gut und wäre auch demokratiefördernd, findet der 17-Jährige. Gemeinsam mit den anderen Seminarteilnehmern hofft er auf weitere solche Veranstaltungen, vielleicht auch einmal in der Schule. Und er will diesen Diskurs in sein Umfeld, auch in den Unterricht tragen. Bei seinem Lehrer Karsten Krämer rennt er damit offene Türen ein. „Der Umgang mit Daten und mit den Medien, mit Meinungsfreiheit auf der einen und Persönlichkeitsschutz auf der anderen Seite, all das sind Indikatoren dafür, wie gut eine Demokratie funktioniert und wie gefährdet sie vielleicht auch ist“, so der PoWi-Lehrer. Die jungen Erwachsenen dafür zu sensibilisieren und ihr Interesse an diesem Zukunftsthema zu wecken, ist eine wichtige Aufgabe auch für die Schule.“

Die EKHN-Stiftung will mit ihren regelmäßig stattfindenden Symposien und Schülerseminaren Anstöße zu Debatten und einem öffentlichen Diskurs geben. Mit Vinzent Narz, Andreas Silmann, Till Trier und Luc Zettl hat sie in Lauterbach dafür vier engagierte Mitstreiter gewonnen.

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