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Max-Eyth-Schule wagt neues Konzept zum Tag der Weltreligionen„Und wie ist das bei euch mit…?“

ALSFELD (ol). „Alle Menschen haben einen Zugang zu Gott, aber jeder einen anderen.“ Dieses Zitat von Martin Buber war nur einer von vielen Gedanken, die man am vergangenen Freitag im Foyer der Max-Eyth-Schule auf sich wirken lassen konnte.

Eine überaus interessante und höchst informative Ausstellung zum Thema Religionen unterstrich, worauf an diesem Tag der Fokus in der Alsfelder Europaschule lag: Die Weltreligionen wurden beleuchtet: Zum elften Mal veranstaltete die Max-Eyth-Schule für die Schüler der kompletten Jahrgangsstufe 11 den „Weltreligionentag“, der wie Abteilungsleiterin Charlotte Falk in ihrer Begrüßung darlegte, dazu dient, Vertretern von Christentum, Islam und Judentum Fragen zu stellen, zu erfahren, wie Menschen ihren Glauben im Alltag leben, und damit die Voraussetzung für Akzeptanz und Toleranz, für eine Haltung gegen Hass und Angst zu schaffen.

„Nutzt dieses Angebot“ – Abteilungsleiterin Charlotte Falk appellierte an die Schüler.

Falk dankte allen Lehrkräften der Bereiche, Religion, Ethik und PoWi für deren Engagement bei den Vorbereitungen sowie Kathrin Landwehr von der Katholischen Dekanatsjugendstelle Alsfeld, die inhaltlich und organisatorisch an der Realisierung dieses wichtigen Informations- und Begegnungstages mitgewirkt hat. Landwehr versprach allen Anwesenden einen spannenden Vormittag und betonte, dass die Fragen der Schüler und der offene Dialog mit den Vertretern der Religionen im Fokus stünden.

Kathrin Landwehr vom Katholischen Dekanat in Alsfeld stellte die Referenten vor.

Als solche begrüßte sie für das Judentum Anton Antoniadi, Wolfgang Hengstler und Thorsten Schmermund von den jüdischen Gemeinden in Fulda und Marburg, für den Islam Türkan Otkan, Vertreterin des Jugendverbandes der Gemeinde Fathi Moschee Stadtallendorf, Kenan Gülmez aus Stadtallendorf und Nadya Homsi aus Marburg. Für das Christentum schließlich waren Kaplan Frank Blumers, Holger Schäddel, Jugendreferent beim Evangelischen Dekanat in Alsfeld und Kristina Zuev-Schwarz, Mitglied der russisch – orthodoxen Glaubensgemeinschaft, anwesend. Besonders glücklich über diese Auswahl war man auch deshalb, weil alle Gäste verschiedene Beziehungen zu ihrer Religion haben – sei es als Gemeindemitglied, als Funktionsträger oder als jemand, der seinen Glauben eher privat lebt.

Wolfgang Hengstler, Anton Antoniadi und Thorsten Schmermund waren die Referenten aus den jüdischen Gemeinden Fulda und Marburg. Rechts: Kathrin Landwehr.

Die Moderation übernahm Johanna Graniezczny. Sie präsentierte die drei Themenblöcke, die über dem Tag standen: „Liebe und Partnerschaft“, „Engagement in der Gesellschaft und Einsatz für Natur und bewusste Ernährung“ sowie „Tod und Sterben“ hatte man sich vorgenommen. In jedem Themengebiet diskutierten Vertreter aller Religionen mit den Schülern und es entspannen sich natürlich nachhaltige Gespräche, nachdem vor dem Start der Themenrunden Schulpfarrerin Christine Schellhaas in das Procedere eingewiesen hatte: Eine gute Stunde verbrachten die Schüler in den jeweiligen Themengruppen und sprachen über so interessante Fragen wie die Bedeutung von Familie und Kindern beispielsweise für Muslime, es ging um die Rolle der Frau – nicht nur im Islam, denn auch Juden- und Christentum haben da überraschende Ansätze parat, wie sich herausstellte.

Schulpfarrerin Christine Schellhaas informierte über den Ablauf des Weltreligionentages.

Die jungen Erwachsenen lernten, was Gebetsriemen im Judentum sind, sie erfuhren, dass es auch unter den Muslimen Gläubige gibt, die die Regeln des Koran weniger streng auslegen, genauso wie im Juden- und im Christentum. Sie reflektierten dabei auch ihr eigenes Verhältnis zu ihrer Religion: Welche Rolle spielt sie noch im Alltag der Schüler? Wie wichtig ist die Religion bei der Partnerwahl? Und muss man eigentlich religiös sein, um glauben zu können? Ganz ausführlich hörten sie die Geschichte eines Mannes, der nach reiflicher Überlegung und langer Zeit vom Christentum zum Judentum übergetreten ist und der die Meinung äußerte, dass eine Religion nicht immer der Mainstream-Meinung einer Gesellschaft folgen müsse.

Die Vertreter des Christentums waren Christina Zuev-Schwarz, Holger Schäddel und Frank Blumers.

Welcher Gott ist wohl barmherziger, welcher strafender? Welche Bußen gibt es und wie erlangt man Vergebung? Die angehenden Abiturienten der Max-Eyth-Schule folgten dem eingangs geäußerten Rat von Charlotte Falk und nutzten die Gelegenheit zu persönlichen und individuellen Fragen sehr ausgiebig. „Wie ist das bei euch?“ war da sehr oft zu hören, auch als es um die Kopftuch-Frage ging. In der Tat äußerte sich eine Vertreterin des Islam dahingehend, dass auch die Angst vor Diskriminierung mit ein Grund dafür sei, dass sie auf das Kopftuch verzichte.

Kenan Gülmez, Türkan Otkan und Nadya Homsi (r.) vertraten den Islam (2. v. r.) Kathrin Landwehr.

Ein Argument, das auch vom jüdischen Vertreter angeführt wurde: Viele jüdische Gemeinden rieten heute ihren Mitgliedern, die äußeren Zeichen ihres Glaubens, beispielsweise Zipfelquasten und Kippah, nicht zu tragen, um Anfeindungen und Übergriffe zu vermeiden. Auch der islamische Terror war ein Thema für die jungen Fragenden. Für die Vertreterin der Muslime eher nicht: Terror und Gewalt hätten nichts mit dem Islam zu tun, der Islam biete keine Erklärung dafür – im Gegenteil: Wer tötet, kommt nicht ins Paradies.

Tod und Sterben: Wolfgang Hengstler, Frank Blumers und Nadya Homsi stellten sich diesem schweren Thema, waren aber offen für viele Fragen, die sich im Gespräch ergaben.

Am Ende dieses intensiven Vormittags waren die Schüler sich einig: Sie hatten viele neue Erkenntnisse gewonnen, die – gerade weil die Begegnungen mit ganz normalen Glaubensvertretern stattgefunden hatten – sehr authentisch waren und sehr vielschichtig, genauso eigentlich, wie die jungen Erwachsenen und ihre Freunde und Mitschüler in ihren Familien und ihrem Umfeld ihren Glauben selbst leben – mal mehr, mal weniger engagiert. Sie hatten viele Ähnlichkeiten festgestellt und viele Unterschiede auch. Ebenso war Überraschendes dabei. Ein Fazit aber war für alle, dass Religion die Regeln für einen Lebensweg geben kann, Halt und Sicherheit.

Wie stehen die einzelnen Religionen eigentlich zu den Themen Liebe und Partnerschaft? Diese Frage beantworteten Holger Schäddel, Türkan Otkan und Thorsten Schmermund.

Das veränderte Konzept, Vertreter aller Religionen gemeinsam in einer Gruppe diskutieren zu lassen, schien schon vor der Auswertung aufzugehen: „Man spricht miteinander und nicht übereinander“, so eine Feststellung, „und es kommen auf diese Art wirklich viele gute Gespräche in Gang.“

Johanna Granieczny erläuterte das Konzept und moderierte das Fazit am Ende des Tages.

 

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