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Ernährungsumstellung, Bewegung und Muskeln schützen vor SchlaganfallAlsfelder Klinik: Telemedizin für Schlaganfallpatienten

ALSFELD (kiri). „Mehr Bewegung, mehr Muskeln, weniger Salz und weniger langkettiges Pflanzenfett…“ – mit diesen Vorsätzen im Kopf haben die Zuhörer des ersten Vortrags aus der Veranstaltungsreihe 2017 des Alsfelder Krankenhauses den Saal verlassen, von Referent Chefarzt Dr. Peter Hien aufgeklärt, über die Entstehung, Symptome und Behandlung von Schlaganfällen.

Der Förderverein des Krankenhauses, an dem Abend durch seinen ersten Vorsitzenden Friedhelm Kalbhenn vertreten, hat erneut Interessenten zu einem medizinischen Vortrag geladen – rund 40 Gäste folgten der Einladung, lauschten gespannt den Worten des Internisten Dr. Peter Hien und nutzten die Gelegenheit um Fragen zu stellen.

Die erschreckendste Erkenntnis des Abends: Immer mehr junge Menschen, zehn Prozent der Schlaganfälle bei Menschen unter dem 50. Lebensjahr, erleiden einen Schlaganfall und dies meist über Nacht. „Unerkannte Herzrhythmusstörungen im Schlaf können nämlich zu einem Gerinnsel im Herzen führen. Das Gerinnsel steigt vom Herzohr in den Kopf und dann ist es passiert…“, erläutert Hien.

Der Grund ist: nächtliche Herzrhythmusstörungen mit kurzzeitigem Vorhofflimmern. Meist ausgelöst über das vegetative Nervensystem. Als Beispiel nannte Hien spätabendliches deftiges Essen: „Ein übervoller Magen drückt auf das Nervengeflecht und irritiert das Herz. Neben Stress können auch dadurch Herzrhythmusstörungen entstehen, die dann den Schlaganfall verursachen können.“

Wenn man Menschen, auch jüngere, mit unerkanntem kurzzeitigem Vorhofflimmern im MRT untersucht, dann findet man oft mehrere kleine Defekte – kleine Gerinnsel, die hochgestiegen sind, allerdings keine großen, bemerkbaren Schäden hinterlassen haben. Manchmal sind noch nicht mal Symptome zu bemerken, manchmal nur ein kleines Zucken, ein kurzer Moment der Wortfindungsstörung oder eines Taubheitsgefühls in den Fingern. „Aber auch kleine kurze Ereignisse sollte man ernst nehmen, sie sind die Warnung für etwas Größeres, das innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahren meist kommt“, mahnt Hien zur Vorsicht.

Bei älteren Menschen entstünde der Schlaganfall anders, und zwar durch Plaques in den Schlagadern, die irgendwann aufbrechen und dann Gerinnsel oder gar Gefäßverschlüsse bilden. Die Symptome sind eindeutiger, wenn die Gerinnsel größer sind: Sehstörungen, Lähmungen, Sprachstörungen, Drehschwindel und rasende Kopfschmerzen können dazugehören.

Dr. Peter Hien rät statt sich auf Medikamente zu verlassen, lieber die Ernährung umzustellen, sich mehr bewegen und die Muskeln aufzubauen – dies schütze vor einem Schlaganfall.

In jedem Fall heißt es: Jede Minute zählt. Je schneller man einen Schlaganfall behandelt, das Gerinnsel schafft aufzulösen, desto günstiger ist die Prognose, ohne Schäden davon zu kommen oder gar zu überleben. Am effektivste sei dabei die Behandlung mit einer sogenannten Lyse-Therapie. „35 Prozent der Patienten mit Lyse-Therapie können als gebessert oder gar geheilt entlassen werden“, gibt Hien an.

Vor einigen Jahren habe man die Schlaganfallbehandlungen in sogenannten Stroke Units zentralisiert und nur dort Lyse-Therapien eingeleitet. „Heute kommt man davon ab. Im Gegenteil, man dezentralisiert die Behandlung wieder“, verkündet der erfahrene Internist und Geriater. „Denn bis man einen Schlaganfallpatienten im entsprechenden Zentrum hat, ist es manchmal schon zu spät für eine Regeneration der Hirnareale. Daher gehen wir jetzt dazu über, schnellstmöglich mit einer Lyse-Therapie anzufangen. Sollte dann noch eine Verlegung in ein größeres Zentrum notwendig sein, erfolgt das im Anschluss, oder während die Lyse läuft“, erläutert Hien.

Peter Hien, der auch Geriater ist und die Geriatrie im Alsfelder Krankenhaus leitet, erklärt: „In Bayern und in den USA sind Dezentralisierungen inzwischen Standard – die Wege sind ansonsten oft einfach zu lange. In Hessen ist man jetzt dabei es einzuführen“, erläutert Hien. „Wir sind bereits Mitglied in einem Netzwerk und werden ab April mit der sehr großen Kassler Neurologie eng zusammenarbeiten; für die Teleneurologie bedarf es ganz besonders aufwendiger Anforderungen.“

Die Zusammenarbeit wird über Telemedizin erfolgen. Spezialisierte Neurologen aus der Kassler Klinik werden per Technik zu der Versorgung der Schlaganfallpatienten in Alsfeld hinzugeschaltet – per Bild und Ton. Sie könnten mit den Patienten sprechen, die CT oder MRT-Bilder begutachten und den Alsfelder Ärzten hilfreich beiseite stehen, während diese die Versorgung übernehmen. Ganz wesentlich ist es bei sogenannten „Lyse-Kandiaten“, dass dies so schnell wie möglich sein kann – zehn Minuten können zwischen Heilung und dauerhafter Behinderung unterscheiden.

Sollte nach der Erstversorgung eine spezielle Operation notwendig sein, beispielsweise um ein Gerinnsel an einer bestimmten Hirnregion zu entfernen, einen Katheter oder Stent zu setzten, wird nach wie vorverlegt. Der Neurologe entscheidet über das weitere Vorgehen. Zunehmend wird die weitere Behandlung mit Rehabilitation, mit Ergotherapeuten, Logopäden, Physiotherapeuten etc. im Alsfelder Krankenhaus stattfinden.

Die Zuhörer fragten den Mediziner nach Vorsichtsmaßnahmen und medikamentösen Schutz. Seine Antwort war teilweise entmutigend: Aspirin lieferten nur 25 prozentigen Schutz, Marcumar etwas mehr. „Den besten Schutz und Vorbeugung haben Sie, wenn Sie sich bewegen, trainieren, Muskeln aufbauen – da verändert sich der Stoffwechsel und die Blutgerinnung, mit dem Hausarzt die Themen Blutdruck und Blutzucker beachten, wenig Salz essen und auf diese unguten mehrfach ungesättigten langkettigen Pflanzenfette wie Palmöl oder Kokosfett verzichten. Und: Erwägen Sie gemeinsam mit Ihrem Hausarzt ein Schlaflabor – stressfreier Schlaf ist wichtig!“

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