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In dem Bildband „Sleeping Cars“ setzt Gerd Ludwig parkende Fahrzeug gekonnt in SzeneWo Autos zu schlafenden Wesen werden

Ein Buch wie eine Galerie: „Sleeping Cars“ heißt das jüngste Werk, mit dem Gerd Ludwig seit ein paar Tagen den Markt der Foto-Bücher bereichert. Und auch wenn es sich inhaltlich gänzlich von seinen früheren Büchern unterscheidet, zeigt es doch unverkennbar die Handschrift des Top-Fotografen mit Wurzeln in Alsfeld: Spannend bis mystisch setzt er geparkte Autos in Szene und schuf einen Bildband, der sowohl für Foto- als auch für Autofreunde interessant sein dürfte.

Parkende Autos – welch banales Thema, mag sich mancher Zeitgenosse denken. Nicht Gerd Ludwig. Er sah die vielen Fahrzeuge anders, die in und um seine Wahlheimat Los Angeles abgestellt wurden: viele Oldtimer, Straßenkreuzer, Pickups typisch amerikanischer Art, teils liebevoll in Planen verpackt gegen Staub und Sonne. Werkzeuge der Mobilität im Wartestand – schlafende Autos eben. „Sleeping Cars“ – fast ein bisschen lebendig, findet der Fotograf.

Mit Büchern über Russland („Russland – Eine Weltmacht im Wandel“) und die Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl („Der lange Schatten von Tschernobyl“) hat Gerd Ludwig sich als Reportage-Fotograf international einen Namen gemacht, bekam dafür unter anderem den Erich-Salomon-Preis verliehen – die höchste deutsche Auszeichnung für Fotografen. Diesmal reizte ihn ein ganz alltägliches Thema.

Mehr als sieben Millionen Fahrzeuge sind in Los Angeles angemeldet, schreibt der für National Geografic arbeitende Gerd Ludwig in einem Editorial zum Band (Sleeping Cars“). Sie tragen täglich mit bei zu einer der berüchtigsten Erscheinungen der Metropole: Verkehrsstau und Smog. „But where do all those cars go to rest?“, fragt der Autor und Fotograf. Wo ruhen all‘ diese Auto? Für solche Fahrzeuge, die nicht in Garagen oder auf großen Parkplätzen geparkt sind, hat er die Antwort: Sie ruhen vor Häuserfassaden, großen Villen, unter Laternen, an Gartenzäunen, im Grünen und unter Grün. Es sind häufig echte Schmuckstücke – sie müssen nur schmückend in Szene gesetzt werden. Das kann Gerd Ludwig, beweist sein Buch. Seine Autos parken nicht, sie schlafen.

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Foto: Gerd Ludwig/Buchreproduktion

Wer immer sich mit Fotografie näher beschäftigt, lernt als eine erste Regel: Interessante Motive kommen in interessantem Licht am besten zur Geltung. Wer bei Tageslicht im Vorbeigehen eben sein Handy zückt und eine parkende Limousine knipst, der bekommt – eine geknipste Limousine, ein austauschbar banales Bild. So wählte Gerd Ludwig für seine Sammlung von schlafenden Autos meist die Nachtdunkelheit, um der Szene seinen eigenen Akzent geben zu können. Einmal mehr erweist er sich dabei als Meister des kreativen Blitzlichts und verwandelte Autos in schlafende Wesen. So hat es auch angefangen.

Für ihn sind diese Autos außergewöhnliche Wesen, erklärt der 69-Jährige selbst. Sie seien fast menschlich. Die Idee kam Gerd Ludwig, als er eines Tages mit einem Freund im Verkehrsstau feststeckte, und sie sich fragten: „Wo kommen die vielen Autos nachts bloß hin?“ Er sah genauer hin und fand einige Exemplare richtig interessant. Die Art, wie sie abgestellt wurden und abgedeckt sind, verraten viel über die Besitzer, meint er. Meist in der Dunkelheit zog der Fotograf über mehrere Jahre los und ließ sich Zeit, mit Lichtmalerei das Beste aus der Szenerie eines abgedeckt parkenden Fahrzeugs heraus zu holen. Heißt: Das Auto, so wie es da steht, ist der ruhende Mittelpunkt der Straßenszene.

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Foto: Gerd Ludwig/Buchreproduktion

Mitunter wurde er dabei auch von Polizisten angesprochen, die sich misstrauisch für sein Treiben interessierten. Aber wenn er dann Bilder von schlafenden Autos auf dem iPad zeigte, gaben die Polizisten sogar noch Tipps zu interessanten Autos. Mit Hilfe eines Bekannten, der ein richtiger Autonarr ist, fand Gerd Ludwig später auch noch raus, um welche Fahrzeugtypen es sich handelt. Selbst angelupft hat er die Abdeckungen nicht. „Es gibt zu viele Schießwütige hier“, erklärt er die Zurückhaltung.

Alles zusammen ergibt einen aufwendigen Bildband, der außer mit einer zeitlichen und örtlichen Angabe auf lange Erklärungen verzichtet, dafür in großem Format über das Querformat die Hauptsache wirken lässt: schlafende Autos.

Siehe auch: https://www.instagram.com/sleepingcars/

Sleeping Cars“, Edition Lammerhuber; 144 Seiten; 99 Euro, ISBN 978-3-901753-96-1

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