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Ein volles Bürgerhaus, viel Humor trotz ernster Themen und der Ratschlag doch hin und wieder einmal einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchenWenn der Notarzt ins Bürgerhaus kommt…

HOPFGARTEN (ol). Bis auf den letzten Platz besucht war am Freitagabend die erste Autorenlesung des Hopfgartener Kulturvereins im Dorfgemeinschaftshaus. Die wahnwitzigen und nachdenklichen Geschichten des Autors und Notarztes Falk Stirkat trafen offensichtlich das Interesse des Publikums.

Er stellte einige Kapitel seines im Jahr 2015 erschienenen Spiegel-Bestsellers „Ich kam, sah und intubierte“ vor. „Das Rettungssystem in Deutschland zählt zu den besten der Welt, diese Lobpreisung ist wichtig“, stellte Falk Stirkat gleich zu Beginn der Lesung heraus. Der in Deutschland selbstverständliche Notruf und das Anrücken eines Rettungswagens sind in anderen Ländern unbekannt. So berichtete der Notfallmediziner von einem Erlebnis in Afrika, bei dem ein verunfallter Zweiradfahrer einfach auf der Straße liegengelassen wurde. „Selbst im Flächenlandkreis Vogelsbergkreis ist der Rettungsdienst schnell vor Ort“, so Stirkat.

Was dem Publikum ein herzliches Lachen entlockte, dürfte dem Notarzt im Einsatz sicherlich öfters sauer aufgestoßen haben. So berichtete Falk Stirkat von Notfällen mit Brustschmerz und Luftnot, die sich als Husten und Schnupfen entpuppten oder zeitbewussten Patienten, die lieber nachts einen Notarzt rufen, als tagsüber im Wartezimmer des Hausarztes zu sitzen. Getreu dem Motto: „Nachts haben die ja eh nichts zu tun“.

Der notorischen Kritik des Spießbürgertums widmete der Notarzt ein besonderes Augenmerk. „Für die, die uns brauchen, sind wir immer zu langsam. Für die, die uns zuschauen, sind wir immer zu schnell“, kommentierte er beispielsweise die Fahrten mit Blaulicht und „Tatütata“. Den Spagat zwischen Unterhaltung und Wissen knüpfte der Fachmann für „Meditainment“ mehrfach, beispielsweise mit einer Geschichte vom Zahnarztstuhl. Auf diesem war ein rund 50-jähriger Patient beim Anblick des Bohrers zusammengesackt, die vom Zahnarzt leger gemeldete Ohnmacht entpuppte sich jedoch als Herzinfarkt. „Kieferschmerzen können auch ein Symptom für einen Herzinfarkt sein“, so Stirkat.

„Wenn ich Rechnen könnte, wäre ich Mathematiker geworden“, kommentierte Stirkat die Unberechenbarkeit seines Alltags. So erzählte er von einer Amok-Lage, die sich in einer schaumigen Badewanne mit Quietscheentchen auflöste. „Der Wechsel zwischen schlimm und skurril ist oft fließend“, so der Notarzt. Er schnitt auch durchaus kritikfähige Themen an: „Die chronische Erschöpfung, Einsamkeit und Suchterkrankungen nehmen aus meinem persönlichen Empfinden zu“. Stirkat berichtete von Menschen, die sich von der Gesellschaft abgehängt fühlen. Aus seiner Sicht hat das auch Selbstmorde zur Konsequenz. Als Gruselgeschichte aus unserer zivilisierten Gesellschaft reflektierte Stirkat sein Einsatzerlebnis bei einer verwahrlosten Familie, dort spielten Kinder mit einem toten Vogel in einer Zigarettenrauch benebelten Wohnung. „Ich finde es dramatisch, wie in Teilen unserer Gesellschaft mit dem Nachwuchs umgegangen wird“, so der Notarzt.

Ein wichtiges Anliegen war für Falk Stirkat die Werbung zur Herz-Lungen-Wiederbelebung. Schon die obligatorische Frage in das Publikum, wer diese Form der Ersten Hilfe leisten kann, zeigte die Notwendigkeit für sein Engagement. „Es geht um jede Sekunde, bei einer Wiederbelebung zählt der Ersthelfer“, so Stirkat. Er legte den Zuhörern ans Herzen, ab und an einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen: „Sie können jeden Tag zum Lebensretter werden“.

Bilderstrecke von der Lesung in Hopfgarten

 

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