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Q2-DS-Kurs der Albert-Schweitzer-Schule präsentierte „VerNetzt“ – Szenen aus einer digitalisierten WeltPersiflagen auf Online-Süchte und analoge Lösungen

ALSFELD (ol). Gleich zu Beginn, als personifizierte E-Mails die Laptos ihrer Versender verlassen und den Publikumsraum in der Aula der Albert-Schweitzer-Schule in der Krebsbach erobern, weiß der Zuschauer, was ihn erwartet: Die vernetzte Welt, die Süchte, die das Internet befeuert, der Kaufrausch, der Zalando-Schrei, die zahllosen Foren. „Vernetzt“ hieß das Stück, das der Q2-DS-Kurs von Miriam Reus in diesem Halbjahr erarbeitet hat und zum Schuljahresende zur Aufführung brachte. Ein Stück, das nicht nur den Nerv der jungen Leute traf, sondern durch viel Slapstick, Selbstironie und so überraschende wie witzige Showeinlagen beeindruckte.

Das Szenario dagegen zunächst ganz klassisch: Eine WG am Rand des Nervenzusammenbruchs, weil außer einer Bewohnerin sich niemand ums Aufräumen und Putzen kümmert: Die eine frönt ihrem Kaufzwang, der andere seinem Fitnesswahn, eine dritte gibt sich ihrer Hypochondrie hin, ein anderer spielt endlos, einer weiteren Bewohnerin ist ohnehin alles egal, was nichts mit ihr zu tun hat.

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Eine shoppt, einer zockt: Szenen der WG 3.0.

Die Ordnungsliebende zieht aus und hinterlässt ein Loch in der Mietkasse der WG, die nun eifrig nach einer neuen Mitbewohnerin sucht – und zwar online mit einem adäquaten Werbefilm. Den sieht natürlich auch die Ex-Mitbewohnerin und eigentlich würde sie ja auch gerne wieder einziehen, wenn, ja, wenn nur nicht die Küche so ein Schlachtfeld wäre, immer mal wieder jemand putzen würde oder ab und an duschen würde, anstatt nur ein Deo zu verwenden.

Aber die kluge Frau weiß sich zu helfen: Manipulation heißt das Zauberwort, mit dem sie am Ende alles zum Guten wenden will. Davor jedoch hat der Autor des Theaterstückes Bernd Storff noch einige Hindernisse eingebaut, die die jungen Akteure genussvoll vor ihrem Publikum ausbreiten: Da sind zum Beispiel die urkomischen Bewerbungsvideos ambitionierter Neu-Bewohner: die missionierende Gesundheitsfanatikerin oder die Abiturientinnen à la Schakkeline, und Schantall, die die Teilnehmerinnen des DS-Kurses auf das Beste persiflieren.

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Die Frustration steigt, wenn eine alles macht und alle anderen nichts…

Genauso wie die Eigenheiten der Bewohner, deren Süchte sie präzise und doch witzig darstellen – ein Stück, das inhaltlich durchaus den Nerv der jungen Erwachsenen trifft. Auf besonderen Beifall stießen die fein choreografierten Show-Einlagen der Truppe, sei es das Fitness-Programm „Power Clean“, das aus dem Fitness-Fanatiker einen unglaublichen Schnellputzer macht, oder die Szene aus einem Online-Spiel, die hier mit wenigen Mitteln, doch eindrucksvoll nachgespielt wird.

Selbstverständlich fehlt auch ein Seitenhieb auf Patientenforen und Dating-Portale nicht – hier allerdings wird die Ego-Zentrikerin der Runde dort genauso geheilt wie der Hypochonder, dessen Beschwerden ganz offenbar auf übergroße Einsamkeit zurückzuführen waren. Für jedes Problem also eine Lösung, und wenn nicht, kommen die Gerichtsvollzieher und holen das mit der Kreditkarte auf Pump erworbene Sammelsurium wieder ab. Sogar der spielsüchtige Mitbewohner wird am Ende geheilt – die alte und neue Mitbewohnerin lädt zu einem schönen analogen Spiel ein, in dem am Ende alle aufgehen.

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Am Schluss sind sie dann doch analog – zumindest bis der Vorhang fällt.

Ob das nun als Sehnsucht dieser Generation nach mehr Analog und weniger Digital zu deuten ist, weiß man nicht. Die Handys der Schauspieler jedenfalls waren nach der Aufführung genauso schnell gezückt wie die des Publikums. Die Welt ist digital. So viel stand und steht fest. Auch in den WGs, die zwar vom Grund her dieselben Probleme haben wie immer, die sich ihre Themen und Probleme aber nun im World Wide Web suchen.

 

 

 

 

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