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Ein Gastbeitrag von Axel Pries aus seiner neuen Heimat am BodenseeNeue Heimat mit viel Wasser und Alpenpanorama

Was ich in der neuen Heimat mache? Ich lese Oberhessen-live! Was sonst? Haha, das klingt scherzhaft, ist aber natürlich nicht falsch. Vor ziemlich genau vier Monaten habe ich den Abschied von meinem Online-Magazin verkündet und damit einen Schlussstrich gezogen unter mehr als zwei Jahre mühevoller Aufbauarbeit, die mich aufzufressen drohte. Und was kam dann? Ein Neuanfang tief im Süden Deutschlands, der einen versöhnlichem Blick erlaubt.

Es ist ja noch nicht so lange her, dass ich mich nicht mehr genau erinnern könnte an den Moment, als ich im Büro am Roßmarkt die Taste zum Veröffentlichen meines Abschiedsbeitrags drückte. Und ich schäme mich nicht zu sagen, dass mir dabei die Tränen liefen. 27 Monate Kampf hatten ein Ende. Es war ein hoffnungsvoller Aufbau gewesen, aber auch unendlich Stress, dem das Happy End versagt blieb. Ausgepumpt und ziemlich pleite hatte ich damals einen Neustart vor Augen: nur 16 Tage später in Friedrichshafen am Bodensee bei einem großen Wochenblatt. Vom Online-Magazin zum Wochenblatt – das nennt man Entschleunigung. Es war ein guter Schritt.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, sagt Hermann Hesse. Stimmt. Anfangs, wenn man noch entdecken kann, sieht alles spannend und sauber aus – zauberhaft eben. Genau so erleben meine Frau und ich seit Monaten unsere neue Heimat am Bodensee, Deutschlands größtem See. So viel Wasser war mir als gebürtigem Insel-Bewohner der Ostsee ja gar nicht unbekannt – und gerade deswegen hoch willkommen, aber dann auch noch mit Alpenpanorama dahinter, das ist besonders. Zum Stehenbleiben und Staunen immer wieder, wenn wir heute einen Spaziergang am Wasser unternehmen.

Bodensee

Viel See, ganz viel Berg: das typische Bodensee-Panorama

Das kommt häufiger vor, denn wir hatten das Glück, in einer aufstrebenden 60.000 Einwohnerstadt mit Wohnungsmangel eine bezahlbare Mietwohnung ganze 500 Meter von der Ufer-Promenade und von den Einkaufsstraßen entfernt zu ergattern. Ich weiß noch: Als wir diese Option im März nach zunächst vergeblicher Suche plötzlich und unerwartet vor Augen hatten, gingen wir schweigend nebeneinander am Ufer entlang, ungläubig, innerlich schwebend vor Freude. Und dann sagten wir uns: zwei Jahre Pleiten, Pech, Pannen und Mühsal – wir haben auch mal Glück verdient!

Wir lieben diese Wohnung – mitten in der Stadt, aber mit viel Grün vorne und hinten – deren größtes Manko ist, dass sie in der Einflugschneise vom Flughafen liegt. Manchmal können wir die Typen-Schilder am Flugzeugbauch lesen, so tief kommen die über unserem Gartenstück herunter. Aber bei wohl weniger als zwei Dutzend Starts und Landungen am Tag ist das aushaltbar. Genau genommen kam mir der Strom der Lastwagen, Traktoren und Mähdrescher in Altenburg sogar lauter vor.

Jetzt tun wir das, was man gerne tut, wenn man in neuer Umgebung ankommt: entdecken. Für uns ist alles toll: die Fahrten über den See, die Ausflüge über See-Straßen in Nachbarorte, der Feierabendbesuch auf der belebten Häfler Uferpromenade, um als Gast eines der vielen Lokale seufzend die Sonne hinter den Schlosstürmen untergehen zu sehen – und kurz darauf die vielen Lichter am dunklen Schweizer Ufer gegenüber. Wenn ich das so schreibe… Kitsch pur, aber wahr und einfach schön! So wie die Bodensee-Region viel Schönes bietet: lange Ufer zum Spazieren, weite Ausblicke auf Wasser und Berg, sanfte Hügel, auf denen ausgedehnte Obstplantagen im Frühjahr eine unglaubliche Farbenpracht entfalten. Dazu schöne alte Städte mit dekorativen Promenaden und Häfen, in denen es sich bummeln und ausruhen lässt.

Friedrichshafen bringt diesen Charme allerdings nicht mit. Als Standort von großen Flugzeug- und Maschinenbau-Werken wie Dornier, Zeppelin oder ZF ist die Stadt im Zweiten Weltkrieg gründlich zerbombt worden. Sie hat keine Altstadt mehr zum Vorzeigen. Dafür sind die Häfler – so nennen sich Friedrichshafener – auf die Dynamik ihrer Stadt stolz, die inmitten einer pechschwarzen Region immer als Arbeiterstadt galt und nach dem Krieg weitgehend neu wieder aufgebaut wurde. Sie erfindet sich immer wieder neu, Stadtentwicklung ist großes Thema hier (zumal das Geld dafür vorhanden ist. Man baut gerade zwei neue Schwimmbäder.)

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Gute Laune am See: Biergartenstimmung in Friedrichshafen-Fischbach

Die Region hat leider auch viel Autoverkehr, viel mehr als der Vogelsberg, und damit ein echtes Problem. Das ist aber auch kein Wunder: Die Bevölkerungsdichte ist vier Mal so hoch. Sommertags kommen noch Tausende Touristen hinzu. Da ist es gut, dass wir den Alltag fußläufig bewältigen können. Das erspart übrigens auch den ständigen Kampf um Parkplätze. Wer in Alsfeld übers Parken klagt, der sollte mal in Friedrichshafen einen langfristigeren Platz suchen. Bis in die Nebenstraßen kostet es Geld, sein Auto abstellen zu wollen, gerade so, als würden Am Lieden oder in der Wallgasse Parkautomaten stehen.

Da kommt vielleicht der sprichwörtliche Schwabe durch, der mit dem Pfennig. Und ja: Der Dialekt ist echt und Alltagssprache, so wie auch die Sparsamkeit und der Hang zum „Butzen“ dem Klischee nahe kommen. Damit können wir leben. Was uns zugleich richtig gut gefällt, ist die freundlich entgegenkommende Mentalität. Am Bäckertresen, an der Ampel, sogar an der Lidl-Kasse: Wer ein freundliches Wort fallen lässt, bekommt drei zurück – mitunter schlagfertig, humorvoll verpackt. Die Menschen sind herzlich. Das gefällt mir, zumal meine Kollegen dabei keine Ausnahme machen. Man empfing mich mit großer Herzlichkeit an meiner neuen Wirkungsstätte. Eine kleine Geschichte dazu: Einer unser möglichen Vermieter in Spe lud uns nach der Besichtigung spontan in die eigene Wohnung zum Kaffee. Dann saßen wir mit den fremden Leuten zwei Stunden in der Küche und haben bei Geschichten von Ostsee bis Bodensee schallend gelacht. Die Wohnung war denn doch nichts für uns – aber der Nachmittag schön.

Heute haben wir auch wieder Zeit, solche Erlebnisse zu genießen. Keine Angst, auch beim Wochenblatt muss ich richtig arbeiten: ganztags und verantwortlich mit dem Anspruch, Eigeninitiative zu entwickeln – mitunter auch am Wochenende. Es ist mein Beruf! Aber es ist nicht mehr die 24/7-Verantwortlichkeit mit 60 bis 70 Stunden Arbeit. Ich habe Feierabend und Wochenenden, und langsam lässt an freien Sonntagnachmittagen das nagende Gefühl im Hinterkopf los, gerade etwas Wichtiges zu verpassen. Ich mag diese Arbeit, und sie bietet mir auch meine kleinen Abenteuer: die Regatta-Begleitung im kleinen Presse-Schlauchboot zum Beispiel, bei der ich meine Bodensee-Taufe erlebte. Denn für meine 1.000 Bilder von sich jagenden Segelyachten aus allen Richtungen musste ich mich von überkommender Gischt ziemlich durchnässen lassen.

Immer auf der Jagd nach den besten Bildern. Dabei kann man schon mal richtig nass werden.

Raus auf den See: der Autor auf einem Regatta-Begleitboot bei Lindau beruflich unterwegs.

Alles gut, aber zwischendurch, da gönne ich mir auch mal einen Blick in die Vergangenheit: im Internet bei Oberhessen-live. Auch nach meinem Ausscheiden ist der Draht nicht abgerissen, und ich verfolge, was das Redaktionsteam nach mir veranstaltet. Der Abschiedsschmerz ist verklungen, ich kann mich heute freuen, wenn ich sehe, dass Oberhessen-live weiter so aktiv ist – und thematisch sogar vielfältiger als zu meiner Zeit. Der Bitte, vielleicht mal mit etwas Abstand einen Gastbeitrag zu leisten, komme ich daher gerne nach. Ich glaube, da wächst etwas Großes heran. Das schaue ich mir an.

So. Es reicht, nun geht’s zum Bahnhof, bequem zu Fuß übrigens. Besuch aus Hessen hat sich angesagt, nicht der erste, und der will abgeholt werden. Ich freue mich drauf.

Axel Pries

7 Gedanken zu “Neue Heimat mit viel Wasser und Alpenpanorama

  1. Herzliche Grüsse aus der „Alten Heimat“ Hans-Otto Schneider, 36304 Alsfeld
    Ich fahre jetzt 14. Tage nach Bad-Füssing

  2. Diesen Daumen, egal in welche Richtung, haben keine Aussagekraft. Wer sich auskennt, kann 20 davon innerhalb einer Stunde vergeben. Vermutlich ist es eine Einzelperson. Nicht nur, um dieser etwas Arbeit zu vermitteln, sondern hauptsächlich aus Achtung vor seiner Arbeit wünsche ich Axel Pries alles Gute für seinen zukünftigen Lebensweg.
    Also ran an die Daumen. Ich bevorzuge eher eine sachliche Diskussion.

  3. @Michael Hartmann
    …das sind die angeblichen „Freunde“ und „Gönner“ der OL, können keine Kritik und Argumente ab und drücken GRUNDSÄTZLICH auf Daumen runter sobald die Ihren Namen lesen.
    Daher ist die Aussage falsch, was sind das für Idioten,
    ES SIND IDIOTEN !!

  4. Sehr schöner Beitrag – wir haben schon oft an Sie gedacht – wir wünschen Ihnen alles Gute.
    Hans-Helmut Möller
    Stadt Lauterbach

  5. Besuch aus Hessen? Ausgerechnet zu diesem WE? ;)
    Dann mal viel Spaß diesen Samstag beim „Perversen-Schauen“ in FN, Pier 6, MS „München“ ;)

  6. Alles gute,
    ja, der Bodensee ist toll.
    Wohnen und Arbeiten in einer der schönsten Urlaubsregionen!??

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