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Umstrittenes Pflanzenschutzmittel: Sollten Bauern drauf verzichten oder nicht?Glyphosat: das sagen die Landwirte der Region

ALSFELD (ls). In Brüssel wird gerade heiß diskutiert: Es geht um die Frage, ob das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat wieder zugelassen werden soll. Das Wort sagt ihnen nichts? Nun, Glyphosat ist der Wirkstoff des sehr bekannten Unkrautvernichters „Roundup“, den es überall auch für Privatleute zu kaufen gibt. Experten streiten sich, ob die Chemikalie krebserregend ist. Wir haben uns bei Landwirten in der Region umgehört, was sie von der aktuellen Diskussion halten. 

Wenn es um Glyphosat geht, scheiden sich die Geister. Nicht nur in der Politik, die aktuell stark über die Wiederzulassung streitet, sondern auch bei Landwirten und in privaten Haushalten. Kann Glyphosat nun Krebs auslösen oder nicht? Das ist dabei wohl die große Frage, die für Verunsicherung und Verwirrung sorgt.

Vom Spezial- zum Standardwerkzeug mutiert

Verschiedene Studien und öffentliche Einrichtungen kommen nämlich zu unterschiedlichen Ergebnissen, was das erhöhte Krebsrisiko des Mittels angeht (siehe Hintergrund). Jemand, der schon vor der aktuellen Debatte auf sämtliche Chemikalien auf seinen Feldern verzichtet hat, ist Moritz Schäfer, Bio-Landwirt aus Hopfgarten.

„Den Wirkstoff Glyphosat gibt es schon sehr lange, früher wurde er hauptsächlich gegen Problemunkräuter eingesetzt. Aber mittlerweile ist der Einsatz meiner Meinung nach einfach ausgeartet“, sagt der Landwirt, der nach den ökologischen Richtlinien des Demeter-Verbandes produziert. Das Mittel ist also vom Spezial- zum Standardwerkzeug vieler Bauern mutiert.

Gerade konventionelle Landwirte würden vermehrt darauf verzichten, Unkraut so wie früher einfach unterzupflügen. Bio-Landwirte so wie er beseitigen noch heute so die ungewünschten Pflanzen auf dem Acker. „Statt eines Arbeitsgangs mit dem Pflug oder einer anderen Bodenmaschine wird Glyphosat eingesetzt, weil man damit Unkräuter schneller behandeln kann“, erklärt Moritz Schäfer.

Moritz Schäfer ist Demeter-Landwirt. Für ihn kommen chemische Pflanzenschutzmittel nicht in Frage und sind auch nicht gewollt. Foto: ls

Moritz Schäfer ist Demeter-Landwirt. Für ihn kommen chemische Pflanzenschutzmittel nicht in Frage und sind auch nicht gewollt. Foto: ls

Glyphosat wird allerdings nicht nur als Unkrautvernichter genutzt. Manchmal sprühen Bauern das Gift auch kurz vor der Ernte auf ihre Felder, um einige Exemplare der Pflanzen, die auf der Ackerfläche im Vorjahr gezüchtet wurden, loszuwerden.

Ein anderer Einsatzpunkt von Glyphosat ist die so genannte flächendeckende Vorerntebehandlung. Es kann immer mal vorkommen, dass in der Wintergerste noch Weizen durchwächst, der später abreift und die Qualität des Ernteguts mindert“, erklärt Kurt Wiegel, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes. Im Vogelsberg findet seiner Aussage nach diese Methode allerdings keine Anwendung.

Volker Lein ist das, was man einen konventionellen Landwirt nennt. Er nutzt das umstrittene Mittel schon seit 30 Jahren und wehrt sich gegen die Behauptung, die Landwirte würden damit verantwortungslos umgehen. „Ich benutze Glyphosat in geringen Mengen und gehe verantwortungsbewusst damit um. Das hat nichts mit einer flächendeckenden Behandlung zu tun, sondern mit einer selektiven“, sagt der Bauer aus Bleidenrod bei Homberg/Ohm.

Zusammen an einem Tisch: Landwirt Volker Lein (links) und der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Kurt Wiegel bei der Präsentation der Ernteergebnisse im Herbst 2015 auf dem Hof Leim in Bleidenrod. Archivfoto: aep

Gemeinsamer Schnappschuss: Landwirt Volker Lein (links) und der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Kurt Wiegel bei der Präsentation der Ernteergebnisse im Herbst 2015 auf dem Hof Leim in Bleidenrod. Archivfoto: aep

Ein generelles Verbot kann er sich nicht vorstellen. Für ihn ist das Mittel ein großer Nutzen für die Landwirtschaft, das keine Gefahr darstellt. „Glyphosat ist biologisch abbaubar und ein größerer Einsatz von Maschinen bedeutet gleichzeitig einen größeren Kraftstoffverbrauch und wieder einen größeren Kohlenmonoxidausstoß“, sagt Lein.

Wer auf das Mittel verzichte, müsse also in Kauf nehmen, dass die Bauern wieder mehr mit schweren Maschinen über die Felder düsen und dabei die Luft verschmutzen würden. Außerdem sei eine solche Arbeitsweise um einiges teuer, auch, weil durch Glyphosat Missernten verhindert werden könnten, gibt der Landwirt zu bedenken.

Bio-Landwirt Schäfer möchte gar nicht leugnen, dass der Einsatz von Glyphosat Kosten sparen kann: „Es gibt auf jeden Fall Alternativen anstatt der Verwendung von Glyphosat. Glyphosat ist schön einfach und billig, die Alternativen sind schwieriger und kosten Kraft, Zeit und Geld“. Ein Verzicht sei allerdings definitiv zu bewältigen.

Der Hof von Moritz Schäfer in Hopfgarten. Hier stehen noch viele Landwirtschaftsmaschinen. Foto: ls

Der Hof von Moritz Schäfer in Hopfgarten. Hier wird Unkraut ohne Chemie bekämpft. Foto: ls

Was steckt hinter dem angeblichen Krebsrisiko?

Auch bei dem großen Themenpunkt Krebsrisiko gehen die Meinungen der regionalen Landwirte stark auseinander. Während die konventionellen Landwirte sich auf die Ergebnisse der Studien stützen, die ein Krebsrisiko ausschließen, hat Demeter-Landwirt Moritz Schäfer dazu eine eigene Meinung. „Ich denke, dass alle Chemikalien Auswirkungen auf den menschlichen Körper haben, deshalb betreibe ich ja diese Art der Landwirtschaft. Ich bin überzeugt davon, dass das nicht der richtige Weg ist“, sagt der Landwirt.

Bauernvertreter Kurt Wiegel sieht bei einem Verbot eine andere Gefahr aufkommen: die Entstehung von neuen Resistenzen. „Wenn immer mehr Wirkstoffe verboten werden, führt das unweigerlich dazu, dass immer mehr Pflanzen resistent gegen andere Wirkstoffe werden. Bald gibt es dann nichts mehr, was man noch benutzen kann.“

Hintergründe zum Streit
Momentan wird in der Politik darüber diskutiert, ob die Chemikalie Glyphosat weiter zugelassen werden soll. Laut der EU-Wirkstoffprüfung ist eine Neubewertung von Glyphosat erforderlich. Glyphosat ist ein Wirkstoff, der in verschiedenen Pflanzenschutzmitteln verwendet wird und als Totalherbizid wirkt. Das bedeutet im Grunde genommen, dass es über die Blattfläche wirkt und somit alle chlorophyllhaltigen Pflanzen abtötet. Es wird wegen seiner breiten Wirkung besonders gern in der konventionellen Landwirtschaft verwendet.

Als verantwortliche Behörde hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mehr als 1000 Studien und Dokumente ausgewertet. Danach wurde das Verfahren an die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) übergeben. Nach deren Prüfung ist Glyphosat jedoch nicht krebserregend. Im März 2015 veröffentlichte die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) einen Bericht, demzufolge die Chemikalie für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“ sei.

Sowohl die BfR, als auch die EFSA prüften die Daten erneut und kamen zu dem Ergebnis, dass die Chemikalie „wahrscheinlich nicht krebserregend“ ist.

Was steckt wirklich hinter dem Streit um Glyphosat?

In zwei Punkten sind sich die drei Landwirte allerdings einig: Hinter dem Streit um Glyphosat steckt viel mehr als nur die Diskussion um das Gesundheitsrisiko der Chemikalie. Der Streit ist in ihren Augen zu einem ausgewachsenen Politikum geworden. „Es geht dabei nicht wirklich um Glyphosat, sondern vielmehr um eine Alibidiskussion, um Gentechnik abzuschaffen“, so Wiegel.

Da könnte was dran sein. Die Pflanzenschutzindustrie gehört zu den Globalplayern, hinter der eine riesige Lobby steht, die die Entscheidung in diesem Streit maßgeblich beeinflussen könnte. Das Ringen um das von dem US-Konzern vertriebene Unkrautgift ist wohl ein kleines Puzzelteilchen im gigantischen Verhandlungsdickicht des Transatlantischen Handelsabkommens TTIP.

Dabei geht es um nichts weniger als das funktionale Grundprinzip des Verbraucherschutzes, das zwischen den USA und Europa angeglichen werden soll. Und das gestaltet sich ziemlich kompliziert. Denn während in der EU das so genante  Vorsorgeprinzip herrscht, bei dem alle Stoffe verboten sind, bis nicht zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass sie unschädlich sind, gilt in den USA das Risikoprinzip: alle Stoffe sind also erlaubt, bis eine Schädlichkeit nachgewiesen wurde. Das komplette Gegenteil also.

„In den Verhandlungen um das TTIP gab es immer die Sorge, das Standards aufgelockert werden. Die Länder, die ein Interesse am Export von Agrarprodukten haben, für die wäre das kontraproduktiv, wenn Glyphosat verboten wäre und sich das auf ihre Exporte auswirkt, das ist klar – auch wenn die Politik sagt, dass es nicht so ist“, sagt Moritz Schäfer. Mit diesem Hintergrund sei fraglich, wie unabhängig die Wirtschaft dieses Thema wirklich betrachte. Außerdem stehe die Landwirtschaft, so Schäfer, unter einem enormen wirtschaftlichen Druck, der die ganze Diskussion nicht leichter mache.

Der zweite Punkt, in denen die drei Befragten übereinstimmen: Glyphosat und damit auch das bekannte Pflanzenschutzmittel „Roundup“ hat in den Händen von Privatleuten nichts zu suchen. Landwirte brauchen eine Schulung und einen Sachkundenachweis, bevor sie es auf ihre Felder aufbringen dürfen. Für den Hausgebrauch gibt es das Mittel allerdings in jedem Garten- oder Baumarkt zu kaufen. Damit müsse Schluss sein, meinen die drei Landwirte.

Bitte beachten Sie: Sie können nur ein Mal abstimmen, danach werden Ihnen nur doch die Ergebnisse angezeigt. Diese Umfrage ist nicht repräsentativ!

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