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Handarbeitscafé vom "Hof Morgenstern": Der Trend geht zu mehr NachhaltigkeitVom „Määh!“ bis zur Klamotte – da steckt Arbeit drin!

UDENHAUSEN. Ob Gemüse auf dem Balkon anbauen oder Brot im eigenen Ofen backen: Das „Selbstmachen“ wird immer beliebter – das „Woher“ spielt jedoch nicht nur bei Lebensmitteln eine große Rolle, sondern ist auch in puncto Klamotten und Wäsche für viele ein Kriterium. Handarbeiten ist wieder im Kommen! Doch warum stundenlang am Spinnrad sitzen, wenn man fertige Produkte im Geschäft oder online kaufen kann? Das „Handarbeits-Café“ von Sabrina Schweiner (Udenhausen) kennt die Antwort.

Ob Hosen, T-Shirts, Schals oder Pullover, was das Herz begehrt können wir ohne Anstrengung im Geschäft oder online kaufen. Und solange es nicht zu teuer ist und passt, macht man sich auch keine Gedanken, welchen Weg das gute Stück schon hinter sich gebracht hat. Oder? Sabrina Schweiner tut dies sehr wohl – und steht damit nicht alleine: Stricken, Flechten, Weben, Nähen, Filzen – seit vergangenem Wochenende veranstaltet sie auf ihrem Hof Morgenstern das „Handarbeits-Café“.

Sabrina Schweiner

Sabrina Schweiner lebt ihr Hobby: Handarbeiten mit nachhaltigen Produkten.

Bei Kaffee, Tee und Kuchen lädt sie ein, den Nachmittag gemeinsam zu verbringen und in die Welt der Handarbeit einzutauchen. „Das Ganze begann vor zwei Jahren mit einem Spinn-Treffen“, erzählt die zweifache Mutter. Unter dem Motto „Spinnst Du? Wir schon!“ traf sie sich mit anderen Interessierten, um gemeinsam am Spinnrad zu sitzen. „Wir wollten die Handarbeit wieder aufleben lassen“, berichtet sie – doch für viele, die sich mit der Thematik nicht auskannten, gab es eine hohe Schwellenangst: „Nicht alle konnten spinnen. Deshalb haben wir die Treffen umgetauft zum „Handarbeitscafé“.

In gemütlicher Atmosphäre können nun Jung und Alt der Gruppe Gesellschaft leisten, „Die beste Handarbeit nutzt nichts alleine im stillen Kämmerlein“, so Sabrina Schweiner. Und das merkt man beim Betreten der gemütlichen Stube sofort: Witzig, locker, mit viel Gelächter und in anregende Gespräche vertieft, arbeiten hier Frauen und Männer an ihren eigenen Werken: Ob ein Teppich aus altem Bademantelstoff, das Nähen eines Kleides, Socken stricken oder am Spinnrad sitzen – jegliche Handarbeit ist hier willkommen und erwünscht.

Vom Basar bis zu den ersten eigenen Schafen

Die Gastgeberin selbst hat ihre ganz eigene Vorliebe: Wolle. „Angefangen mit Wolle zu arbeiten habe ich, als meine älteste Tochter in den Kindergarten kam.“, erinnert sie sich. Dort habe man als Mutter mitgeholfen und gebastelt – „Wolle und Filzen – das war so meins!“, berichtet sie. Vom Filzen auf Basaren bis hin zu den eigenen Schafen, die nun neben dem Haus wohnen, war es allerdings ein ganzes Stück.

Als sie mit ihrer Familie vor einigen Jahren nach Udenhausen gezogen sei, habe sie zunächst einen der alten Schweineställe als Arbeitsraum genutzt, so Schweiner. Als das jetzige Haus nach der Vermietung wieder leer stand war für sie klar: „Ich baue mein Hobby aus!“. Für Kurse, gemeinsame Treffen und gemütliche Handarbeits-Stunden stehen nun einige Quadratmeter zur Verfügung – und die können sich sehen lassen: Webstühle, Arbeitstische, Regale voll mit Wolle, für Liebhaber geht hier ein Traum in Erfüllung.

Eigene Schafe

Mit dem Umzug nach Udenhausen legte sich die Familie Schweiner eigene Schafe an.

Doch es steckt mehr dahinter, als nur schöne Farben und weiche Garne: Die Produkte die Sabrina Schweiner verarbeitet und auch zum Verkauf anbietet, sind allesamt nachhaltig und regional produziert: Die Wolle stammt teils von ihren eigenen Schafen, teils von anderen Haltern aus der Region. „Warum soll ich einen Schäfer in Neuseeland unterstützen, wenn ich in der Rhön große Schafherden habe?“, so die Handarbeiterin.

Ihre Wolle gibt sie zum Waschen und Kardieren in die Lebensgemeinschaft Sassen, von dort kann sie sie anschließend wieder abholen und selbst weiter verarbeiten, wie beispielsweise färben. Dafür verwendet sie nur natürliche Mittel, wie etwa Indigo, Birke oder sogar schwarze Bohnen. Denn die Natürlichkeit und vor allem das „Woher“ spielt für die Wolle-Liebhaberin eine große Rolle: „Das fängt schon beim Essen an: Ich will nicht alles aus der Fabrik, sondern ich will wissen was ich esse – und es soll niemandem schaden.“, so ihr Standpunkt.

Doch nicht nur in der Ernährung sei ihrer Meinung nach ein solches Bewusstsein von Nöten, sondern auch in anderen Bereichen: „Was bringt es mir, Lebensmittel im Bioladen zu holen, wenn ich mir dann eine 9-€-Jeans kaufe?“ wirft sie eine Frage auf, die auch Andere immer mehr beschäftigt. Recyclen von alten Kleidungstücken und Second-Hand-Ware: Vielen Menschen wird ein nachhaltiger Umgang mit ihrer Kleidung immer wichtiger, und damit natürlich auch eine sinnvolle Nutzung der bei uns vorhandenen Ressourcen. „Wichtig ist die Wertschätzung von dem, was es hier gibt.“, so Schweiners Meinung. Für die heutige konsumorientierte Gesellschaft sei ein „bewusster Umgang mit sich selbst und seiner Umwelt“ sehr wichtig – bedeutet: Sich bewusst werden, woher die Klamotten, die man trägt, kommen und welche Alternativen es möglicherweise gibt.

Handarbeitscafé (2 von 6)

Im Handarbeitscafé können alte Handarbeitstechniken – wie hier das Spinnen – erlernt und weitergeführt werden.

„Nicht nur wissen, sondern auch können!“

Doch nicht nur Nachhaltigkeit und die „Liebe zur Natur“ spielen für die Udenhausenerin eine große Rolle, auch die „Liebe zum sinnhaften Tun“ ist auf ihrem Handzettel des „Handarbeits-Cafés“ groß geschrieben: „Nicht nur alles wissen, sondern auch können“, plädiert sie: Selbst ausprobieren und eine Neugierde entwickeln für Handarbeiten, die heute nicht mehr alltäglich sind.

Sie wolle keinesfalls mit dem erhobenen Zeigefinger als „Gutmensch“ auftreten, „Ich sage nicht: Ich muss alles selbst machen. Aber wichtig ist ein Gefühl dafür, welche Arbeit hinter Dingen steckt.“ Und dieses Gefühl erlange man am Ehesten, indem man selbst zur Häkelnadel greife oder sich ans Spinnrad setze. Ein Bewusstsein entwickeln, dass hinter allem Arbeit steckt, die man nicht unterschätzen darf, sei ihrer Meinung nach wichtig für die Gesellschaft: „Vom Schaf bis zum Kleidungsstück, das ist ein Weg!“, so Schweiner – selbst wenn eine Maschine etwas herstellt, stecke auch darin Zeit und Entwicklung, die oft übersehen werde. Es sei schade, dass dieser Einsatz oftmals nicht wertgeschätzt werde, findet sie und zitiert: „Unsere Kinder kennen von allem den Preis, aber von nichts den Wert.“

Mehrwert für die Jugend: Heimat kennenlernen und beleben

Die Lösung liegt nahe: Selbst Hand anlegen oder zumindest hinterfragen, woher die gekauften Produkte stammen. Vor allem auf dem Land wird dieser Trend immer beliebter: Individuelle Klamotten, etwas Ausgefallenes für den Kleiderschrank – was man in den Läden nicht findet, wird wie damals bei Oma wieder selbst hergestellt. Und das tolle ist: Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. „Stricken, Weben – jeder hat sein eigenes Ding, neue Ideen und Anregungen“, so Schweiner – gerade das würde das Ambiente des Handarbeits-Cafés ausmachen: Gemeinsam Altes wiederentdecken, voneinander lernen und Können weitergeben – und das auch international: Baumwolle aus Äthiopien war das Mitbringsel eines Besuchers, der das Land vor Kurzem besuchte und nun den anderen „Handarbeitern“ der Gruppe eine in Afrika geläufige Art des Spinnens zeigte.

Handarbeitscafé (1 von 6)

Es steckt mehr dahinter, als nur schöne Farben und weiche Garne: Die Produkte die Sabrina Schweiner verarbeitet und auch zum Verkauf anbietet, sind allesamt nachhaltig und regional produziert

Sabrina Schweiner hofft, dass noch mehr Menschen ihre Neugierde entdecken, alte und teils in Vergessenheit geratene Techniken kennenzulernen – ob Nähen und Spinnen oder auch Kochen. Sie selbst hat dieses Interesse nicht nur zuhause und in ihrem „Handarbeits-Café“ aufleben lassen, sondern bringt es anderen Menschen auch bei sogenannten „Burgbelebungen“ nahe: Gemeinsam mit ihrer Familie und ihrer „Re-In-Actor“-Gruppe zeigt sie auf Burgen und Veranstaltungen, wie man in früheren Zeiten, wie etwa dem Mittelalter, lebte, kochte, musizierte und arbeitete. Dadurch habe sie einen großen Bekanntenkreis, der sich auch für frühere Techniken der Handarbeit interessierte, erzählt sie.

Durch Mundpropaganda und die Social Medias wurden so auch die Neuigkeiten über ihr Café in Umlauf gebracht. Über neue Gesichter freut sich die Gastgeberin aber trotzdem immer – vor allem auch über Jüngere: Gerade für diese könne laut Schweiner die Handarbeit und das Kennenlernen der Techniken, sowie das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ein großer Mehrwert sein: „In der Stadt hat man es natürlich leichter, alles ist schneller erreichbar und praktisch – aber hier auf dem Land kann man nachvollziehen, wo alles her kommt.“, sagt sie und gibt an, dass dies in Zukunft für junge Menschen ein Grund sein könne, auf dem Land zu bleiben: Die Umwelt kennenlernen, selbst Hand anlegen und sagen „Hier bleibe ich!“.

Friederike Gerbig

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