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Omid Nouripour zu Besuch in Alsfeld: "Du Scheiß Araber geh zurück in die Türkei!"Kleines Lexikon für MiMiMis und Bio-Deutsche

ALSFELD (cdl). Der außenpolitische Sprecher der Grünen und Mitglied des Bundestages, Omid Nouripour, hat am Freitagabend in Alsfeld aus seinem Buch „Kleines Lexikon für MiMiMis und Bio-Deutsche“ gelesen. In diesem werden die sprachlichen Irrungen und Wirrungen in der Ausländerdebatte aufs Korn genommen. Neben dem Buch wurden viele außenpolitische Fragestellungen diskutiert und für einen humorvollen Umgang mit Hasskommentaren im Internet geworben.

Der Deutsch-Iraner Nouripour war einer Einladung der Vogelsberger Grünen gefolgt. Bevor sein Buch zum Gegenstand der Betrachtung wurde, ging er auf den Umgang mit Anfeindungen im Internet ein. Man müsse den Hasskommentaren mit Humor begegnen. Nur so sei es möglich die Kommentare nicht zu nah an sich heranzulassen und diese zu verarbeiten. Dazu hatte er eigens einen prall gefüllten Ordner mit Hasskommentaren gegen ihn, alle aus dem ersten Halbjahr 2015, mitgebracht. „Ich möchte mit meinem Lieblings-Hasskommentar beginnen, den ich mir gemerkt habe. Du Scheiß Araber, geh zurück in die Türkei!“

Eine Mappe voller Hasskommentare, denen man mit Humor begenen sollte.

Eine Mappe voller Hasskommentare, denen man mit Humor begenen sollte.

Nouripour schlägt seine Frau

Dann folgte die Anekdote, wie ihn einst die Zeitung mit den vier Buchstaben aufs Kreuz gelegt hatte und ihn im Anschluss eine halbe Millionen Leute auf seiner Facebook-Seite besuchten. Er sei gefragt worden, ob man zukünftig moslemische Lieder in deutschen Kirchen singen soll. Darauf habe er geantwortet, dass das eine ganz schlechte Idee sei, „es ist nämlich Weihnachten, wenn überhaupt dann nur wenn zukünftig in Moscheen auch Weihnachtslieder gesungen werden.“ Anschließend habe ihn die BILD korrekt zitiert mit der Überschrift „Politiker fordert in unseren Kirchen …“ Diesen Hintergrund müsse man kennen, wenn es um Hasskommentare gegen seine Person gehe.

„Herr Nouripour ich habe gehört, dass sie ihre Frau nicht mehr schlagen“, so einer von vielen weiteren Angriffen auf seine Person. Worauf der Grüne dem Publikum zu verstehen gab, „Pfft, wenn der meine Frau kennen würde“.

Im Anschluss der Lesung signierte er auf Wunsch einige Exemplare und schrieb eine kurze Widmung.

Im Anschluss der Lesung signierte er auf Wunsch einige Exemplare und schrieb eine kurze Widmung.

Lesungen sind ideal, um neue Ideen aufzugreifen

Gerade bei Lesungen lerne er immer wieder neue Begriffe, die er gerne aufgreift. Für MiMiMis hätten findige Hörer neue Ausdrücke wie Mitbürger mit „Migrationsvordergrund“ oder Mitbürger mit „Migrationsuntergrund“ erfunden. In aktuellen Debatten kämen täglich neue Begriffe hinzu, als er das Buch geschrieben habe, habe es beispielsweise den Begriff Sharia-Polizei noch gar nicht gegeben.

Weder MiMiMis noch Bio-Deutsche seien ernsthafte Begriffe, jedoch deutlich präziser als alle andere Begriffe, die er rund um die Ausländerdebatte kenne. Demnach sind Bio-Deutsche somit die Urdeutschen. MiMiMis ist eine Abkürzung für Mitbürger mit Migrationshintergrund.

Die Zuhörer durften im Laufe des Abends aussuchen, zu welchen Begriffen er aus seinem Buch vorlesen sollte und die Entscheidung fiel auf Einbürgerungstest. „Was hat Caspar David Friedrich auf Rügen gemalt?  Was Sie wissen es nicht? Das ist sehr bedauerlich, dann haben Sie den hessischen Einbürgerungstest nicht bestanden. Her mit Ihrem deutschen Pass, den Sie sich irgendwo ergaunert haben.“ Weitere Kuriositäten zum Einbürgerungstest in Baden-Württemberg und zum Bundesdeutschen folgten, mit Anekdoten rund um die Debatte über den Test.

Die Anwerbestoppausnahmeverordnung

Sein absoluter Lieblingsbegriff ist die Anwerbestoppausnahmeverordnung. Wie bitte? Was haben Sie gesagt? Schallte es von mehreren Plätzen im Tagungsraum des Hotels Klingelhöfer. Und tatsächlich musste er den Ausdruck einige Male wiederholen bis der letzte im Raum den Begriff akustisch verstanden hatte, ohne auch nur zu ahnen was dieses Amtsdeutsch überhaupt bedeutet.

Die Anwerbestoppausnahmeverordnung ist zurzeit das einzige Vehikel, neben dem Asylrecht, um nach Deutschland einzuwandern. Sie wurde im Jahr 2005 erschaffen, um Fachkräfte aus dem Ausland anwerben zu können. Ende der 70er Jahre wurde der Anwerbestopp eingeführt, nachdem die Gastarbeiter – beidseitig unerwartet – in Deutschland heimisch geworden und ihre Familien nachgeholt hatten.

Bewusstes verdrehen der Pespektive, erweitert den Horizont

Die Art und Weise, wie Nouripour die Absurditäten beschreibt, geht laut seiner Aussage auf die Herangehensweise von Douglas Adams (bekannt durch Per Anhalter durch die Galaxis) zurück. Adams sei bei einer Reise durch den afrikanischen Dschungel auf zwei Deutsche getroffen, die sämtliche seiner Klischees erfüllt hätten. Daher habe Adams beschlossen die beiden deutschen von nun an als Norweger zu betrachten, um seine Klischees zu widerlegen.

Das könne er jedem Menschen nur ans Herz legen, um eine andere Perspektive einzunehmen. Der Austausch der Begrifflichkeiten, in diesem Fall schlicht die Staatsangehörigkeit und landestypische Eigenheiten, führe einem vor Augen wie absurd oft die eigene Denkweise ist. Das führte er am Beispiel der in Deutschland lebenden Türken vor, die er durch Schweden ersetze. Aus einem Türken wird ein Schwede und aus einem Döner ein Köttbullar.

Er versuche in seinem Buch möglichst gleichmäßig auszuteilen: „Die Muslime bekommen es ab, die Katholiken, die Protestanten, die Juden und Araber. Somit das Kamel genauso wie das Schwein.“

Aktuelle Entwicklungen beunruhigen den Außenpolitiker

In seiner Funktion als außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag wusste er neben dem amüsanten Teil des Abends, jede Menge über das aktuelle Weltgeschehen zu berichten. Neben den vielen Problemen innerhalb der EU, die durch die Flüchtlingskrise nochmals verschärft wurden, führten seine Erläuterungen in die Türkei, Russland, den Nahen Osten, Afghanistan und Nordafrika. Darüber hinaus kamen aber auch Länder wie der Senegal oder Cambodia, freilich in einem ganz anderen Kontext, zur Sprache. Seine größte Sorge zurzeit sei das stufenweise Auseinanderdriften der Europäischen Gemeinschaft, verbunden mit der Sorge, dass auf die Welt erneut eine Art Kalter Krieg zukommen könne und somit die Angst vor einem Atom-Krieg erneut aufflammen könnte.

Da der Abend jedoch bewusst humoristisch geplant war, könnte man an dieser Stelle frei nach Innenminister de Maizière sagen, Teile seiner Erläuterungen könnten die Leserschaft verunsichern.

Nachdenklich und ernst, blickt er bei außenpolitischen Fragestellungen und argumentierte sachlich, wenn es nicht um das Buch und Kommentare im Internet ging.

Nachdenklich und ernst blickt er bei außenpolitischen Fragestellungen und argumentierte sachlich, wenn es nicht um das Buch und Kommentare im Internet ging.

Kurz nachgefragt bei Omid Nouripour

ol: Sie haben jetzt im Prinzip nur Kommentare aus der rechten Ecke vorgelesen oder relativ harmlose mit süffisantem Inhalt. Gibt es auch Anfeindungen von anderen Seiten und anderer Art?

„Darüber spreche ich eigentlich nicht gerne. Ich stehe unter Personenschutz. Ich erhalte Morddrohungen aus vielen Ländern, unter anderem aus der Türkei und dem Iran.“

Alles nur wegen eines Buches? Sie behaupten explizit auf alle Religionen und Kulturen gleichermaßen einzuschlagen?

„Nein, wegen des Buches überhaupt nicht. Beispielsweise kommen die Morddrohungen aus dem Iran, weil ich, den aus dem Iran stammenden in Deutschland lebenden Rapper Shahin Najafi, unterstützt habe.“

Wie fühlen Sie sich bei Reisen in die USA?

„Das ist grotesk: Das ganze fußt auf dem Patriot Act, als Folge des 11. September. 15 der 19 Entführer waren Staatsbürger Saudi-Arabiens. Bürger aus Saudi-Arabien können weiterhin relativ problemlos in die USA einreisen. Bei unseren letzten zwei Reisen mit einer Delegation verpassten wir aufgrund meiner Herkunft die Anschlussflüge innerhalb der Vereinigten Staaten. Der konservativste unter uns Abgeordneten sagte dann zu mir: „Was hier abgeht, das geht zu weit.““

(Anmerkung der Redaktion: Nouripour besitzt aufgrund seiner Herkunft eine doppelte Staatsbürgerschaft und es ist ihm per iranischem Gesetz nicht erlaubt, seinen iranischen Pass abzugeben. Er ist somit iranischer Staatsbürger auf Lebenszeit. Bürger aus dem Iran dürfen nur unter ganz bestimmten Auflagen in die USA einreisen.)

Die Grünen sind im Kreistag mit dem größten Frauenanteil vertreten. Auch diesmal treten erneut überproportional viele Frauen an. (v.l.) die Kreisgeschäftsführerin der Grünen im Vogelsberg, Bernadette Eisenbart, Eva Goldbach MdL, Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion und die Grüne Spitzenkandidatin für den Kreistag Gabriele Szepanski

Die Grünen sind im Kreistag mit dem größten Frauenanteil vertreten. Auch diesmal treten erneut überproportional viele Frauen an. (v.l.) die Kreisgeschäftsführerin der Grünen im Vogelsberg, Bernadette Eisenbart, Eva Goldbach MdL, Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, und die Grüne Spitzenkandidatin für den Kreistag Gabriele Szepanski.

 

 

 

 

 

5 Gedanken zu “Kleines Lexikon für MiMiMis und Bio-Deutsche

  1. ..ist das Wort „Biodeutsch“ ein neues Schimpfwort der linken Szene ?
    Dürfen Deutsche andere Deutsche im eigenen Land als „Biodeutscher“ beschimpfen ?
    Für mich klingt das irgendwie diskriminierend.

  2. Ach, da sind Sie ja, die Mimimimis und die Biodeutschen.

    Ihr seid echt rechte Ausführung von Waldorf und Statlers der OL. :-)

  3. Erklärt Herr Nouripour den Grünen Damen gerade aus Hessen,
    wie Schrecklich das Schächten für die Tiere ist.Oder das die Beschneidung
    von Kindern doch sein sollte.Das wird doch von dem BA Beck vorgeschlagen

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