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Gut 200 Flüchtlinge und "Bio-Alsfelder" feierten gemeinsam im alten GüterbahnhofEin Festival, das Terror und Angst vergessen ließ

ALSFELD (jal). Es gibt Momente, da muss man nicht lange nachfragen, um zu wissen, was Menschen gerade durch den Kopf geht. Der Sonntagabend im alten Alsfelder Güterbahnhof war so ein Moment. Ungefähr 100 junge Flüchtlinge drängten sich vor der stimmungsvoll beleuchteten Bühne, lauschten Music-Acts, lachten, tanzten, knipsten Selfies und drehten kleine Handyfilmchen, um diese Zeit der Unbeschwertheit einzufangen. Diese Zeit, in der die Gründe, warum sie in dieses fremde Land gekommen sind, vergessen schienen. 

Das Vogelsbergradio hatte zusammen mit den Koordinatoren des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ in Alsfeld und im Vogelsberg zu einem „Musikfestival für Toleranz und Weltoffenheit“ geladen. Binnen fünf Wochen bastelten die Veranstalter ein Programm zusammen, luden fünf regionale und überregionale Künstler ein, um ihre Idee zu verwirklichen – und die war es, „den Bio-Alsfeldern und den Geflohenen die Gelegenheit zu geben, sich auf einer stressfreien Ebene näher zu kommen“, wie Joachim Legatis vom Vogelsbergradio es formulierte.

Unter die vielleicht 100 bis 130 jungendlichen Flüchtlinge, die mit Bussen aus dem Kreisjugendheim Landenhausen und der Alsfelder Großsporthalle zu dem vom Modehaus Campus als Veranstaltungslocation hergerichteten alten Güterbahnhof gebracht wurden, mischten sich in etwa 70 bis 100 Alsfelder. Gespräche zwischen den alten und neuen Bewohnern der Stadt sah man zumindest am Beginn eher weniger.

Wer das Geschehen von zu Hause aus verfolgen wollte, konnte das über einen Livestream des Vogelsbergradios im Internet tun. Außerdem war mit Maximilian Benesch und Jenifer Stiller ein Kamerateam vor Ort. Die beiden dokumentieren die Veranstaltungen, die im Vogelsberg im Rahmen des Projekts „Demokratie leben!“ auf die Beine gestellt werden.

Haben das Festival mit organisiert: Joachim Legatis vom Vogelsbergradio, und Maria Hoyer, Silvia Lucas sowie Norbert Kelbassa von dem Programm "Demokratie leben!"

Haben das Festival mit organisiert: Joachim Legatis vom Vogelsbergradio, und Maria Hoyer, Silvia Lucas sowie Norbert Kelbassa von dem Programm „Demokratie leben!“

Die 18-jährige Sängerin Melanie Schwalm aus Altenburg machte den Anfang. Kurz nach den ersten Akkorden der Schülerin mit der lieblich weichen Stimme blitzen die ersten Smartphone-Bildschirme hell in der Menge auf. Ein paar Jungs um die 15 legen sich wie echte Kumpels die Arme um den Hals, in einer Hand die Handykamera. Kleine Kinder schauen gespannt auf die Bühne oder schummeln sich vor die Linse des Fotografen und freuen sich, wenn sie ihr Foto auf der Kamera sehen. Andere wippen mit im Takt der Musik, tanzen, albern ausgelassen herum, genießen sichtlich den Augenblick.

Wollten gerne fotografiert werden: Kinder auf dem Toleranz-Festival.

Wollten gerne fotografiert werden: Kinder auf dem Toleranz-Festival.

Melanie Schwalm geht auf die Albert-Schweitzer-Schule und will bald in der Gruppe ASS-Schüler mitmachen, die freiwillig Sprachunterricht für Flüchtlinge gibt. „Ich freue mich grundsätzlich über jeden möglichen Auftritt“, sagt sie. Melanie tritt mit Balladen und Popsongs auf Hochzeiten und Geburtstagen auf. Das Toleranz-Thema habe sie angesprochen und sei ein weiterer Grund gewesen, warum sie die Anfrage der Veranstalter gerne angenommen habe.

Macht Musik und möchte bald Sprachkurse für Flüchtlinge geben: Die Altenburgerin Melanie Schwalm.

Macht Musik und möchte bald Sprachkurse für Flüchtlinge geben: Die Altenburgerin Melanie Schwalm.

Neben der jungen Alterburgerin standen vier weitere Acts auf der Running Order des kleinen Festivals. Angekündigt wurden die von Dya Ilhan, Luisa Schmidt und Arina Klingenberg, alle samt Mitglieder der Jugendabteilung des Vogelsbergradios. Milena Buck, 17, aus Schrecksbach, brachte den Soul in den alten Bahnhof. Die Band Reinigenhaus war für Rock’n’Roll und Funk zuständig. Gitarre gepaart mit sanftem Gesang präsentierte die Singer-Songwriterin Fee aus Frankfurt.

Der Auftritt von Kaye-Ree und Nelson, der „Soulstimme Europas“, galt als Höhepunkt des Abends. Das Duo ist gerade durch ganz Deutschland getourt. „Ich bin froh, dass ich die gekriegt habe“, sagt Christopher Din, der als Mitglied beim Vogelsbergradio das Programm organisiert hat. Als Überraschungsgast präsentierte zudem ein junger Flüchtling aus der Unterkunft in Landenhausen ein Flötensolo.

Brachte ein wenig Soul nach Alsfeld: die 17-jährige Milena Buck aus Schrecksbach.

Brachte ein wenig Soul nach Alsfeld: die 17-jährige Milena Buck aus Schrecksbach.

Alsfelds Bürgermeister Stephan Paule sagte bei einem kurzen Besuch auf der Bühne auf Deutsch und auf Englisch, dass ihm die Musik des Abends vor Begeisterung „kalte Schauer über den Rücken jage“. Außerdem hieß der Rathauschef die Geflüchteten in seiner Stadt willkommen und rief auf, gemeinsam einen tollen Abend zu verbringen.

Gemeinnützige Alsfelder Initiativen wie das Freiwilligenzentrum nutzen das Forum des Festivals, um auf sich aufmerksam zu machen. Auch die Schülerinnen und Schüler der Max-Eyth-Schule, die mit ihrer Internetseite „Alsfeld-hilft.de“ ein Koordinationsportal für die Flüchtlingshilfe in Alsfeld programmiert haben, stellten ihre Arbeit vor.

„Danke, Deutschland. Ich weiß, es ist schwer für euch“

Zamir Hima, 36 Jahre alt, ist aus Albanien geflohen. Jetzt steht er kurz vor Konzertbeginn gemeinsam mit ein paar neuen Freunden aus dem Irak und Syrien an einem Stehtisch. Die Idee des Konzerts findet er großartig. „Es ist so langweilig im Camp“, sagt er. „Wir haben nichts zu tun“. Die meiste Zeit säße er mit den Jungs zusammen, spiele am Handy rum. Das Konzert sei eine willkommene Abwechslung. Eines will der junge Albaner dann noch loswerden. „Danke, Deutschland. Danke für alles, was ihr für uns tut. Ich weiß, dass es schwierig ist, weil gerade so viele Menschen zu euch kommen.“

Ist dankbar, in Deutschland gut aufgenommen worden zu sein: Zamir Hima (zweiter von links) ist aus Albanien geflohen.

Ist dankbar, in Deutschland gut aufgenommen worden zu sein: Zamir Hima (zweiter von links) ist aus Albanien geflohen.

Das Konzert war alkoholfrei, zu kaufen gab es Softdrinks und Snacks. Die geflohenen Jugendlichen, von denen viele ohne Begleitung nach Deutschland gekommen sind, haben dafür einen Satz Essens- und Getränkemarken ausgeteilt bekommen. Die Gesamtkosten von ungefähr 7000 Euro werden laut den Veranstaltern aus dem Topf des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ bezahlt.

Weitere Eindrücke des Abends

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7 Gedanken zu “Ein Festival, das Terror und Angst vergessen ließ

  1. Wie Herr Braun richtig beschrieben hat. Alle nölen, keiner geht hin.
    Allerdings muss ich bemerken….. Nichts gelesen und auch von dem Event nichts
    gehört. LEIDER

  2. 7000 Euro ….das hätte an anderer Stelle besser eingesetzt werden können,das Interesse der Alsfelder Bevölkerung hat sich in Grenzen gehalten.

  3. Eine Veranstaltung wie sie sinnloser nicht hätte sein können,7000 € für ca. 200 Personen. Ich denke nur an die Spendenaufrufe in der lokalen Presse , z.B. 8 Kinderwagen inkl. Winterausstattung. Da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln. Ja Herr Braun, ich frage mich auch – wo waren die ganzen Alsfelder.

  4. In der Überschrift lese ich 200 Flüchtlinge, weiter unten ist von 70 Alsfelder die Rede.
    ABER, was sind BIO ALSFELDER ???

  5. Tja, muss ganz lange überlegen woran das wohl liegen könnte…..?
    Stundenspäter immer noch keine Erleuchtung. Wenn es mir wieder einfällt melde ich mich wieder.
    Kommentare zu den Berichten der letzten Woche gab es auch nicht.

  6. Laut Redaktion
    70 bis 100 Alsfelder ,100 bis 130 jugendlichen Flüchtlinge.
    Kommentar von Hans-Georg Braun. Ich nehme an Sie waren anwesend.
    „Aber fast kein Alsfelder Besucher“
    War das eine Falschinformation? Wenn ja warum? Laut Pressemitteilung müssten ca. die Hälfte Alsfelder gewesen sein. Wenn ich aber das Bild in der Totalen ( Frau am Tisch) ansehe ,sehe ich auch nur eine Lehre.

  7. Ein Abend in Alsfeld

    Eine mit bunten Strahlern dekorierte Halle am Güterbahnhof.
    Eine Sond und Lichtanlage vom Feinsten.
    Eine tolle Bühne.
    Eine musikalische Vielfalt von sehr hoher Qualität.
    Eine menge feiernder Flüchtlinge die ihren Alltag vergessen.
    Eine organisatorische Meisterleistung von „Radio Vogelsberg“.
    Eine engagierte Betreuergruppe der Flüchtlinge.
    Eine kostenlose Veranstaltung.

    ABER fast KEIN Alsfelder Besucher, die sich dann aber beschweren.
    „In Alsfeld ist nichts los“.

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