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"Tatort"-Pathologe Joe Bausch las in Lauterbach: Einsichten in den KnastalltagVon einem Wanderer zwischen den Welten

LAUTERBACH (awh). Die wenigsten werden ihn unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Bausch-Hölterhoff und seinem Hauptberuf als Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl kennen, wo er seit 26 Jahren als Gefängnisarzt arbeitet. Vielmehr macht ihn seine Schauspielerkrarriere als Pathologe Dr. Johannes Roth neben Klaus J.Behrendt und Dietmar Bär (Ballauf und Schenk) im WDR-Tatort zum Medienstar. Als solcher lockte er am Samstag  das Publikum zu seiner Lesung in Lauterbach.

Seine markantes Aussehen als Glatzkopf mit Schnauzer macht den 62jährigen Arzt, Schauspieler und Autor vor allem zum Schwarm vieler Frauen. Rund 200 Zuhörer wollten ihn am Samstag bei der ersten Veranstaltung von „Vulkan lässt lesen“ in der Kreisstadt in der Aula der Sparkasse sehen und hören.

Joe Bausch las dort aus seinem im März 2012 erstmals erschienenen Sachbuch „Knast“. Er ist sicher einer der bekanntesten Akteure im zehnten Jahr von „Vulkan lässt lesen“, und sein Auftritt in Lauterbach enthielt über weite Strecken sehr lebendige Erzählphasen über seine vielen Erfahrungen hinter Gittern. Er ergänzte sie mit kurzen Lesungen aus dem rund 280-Seiten-Buch. Das nach eigenen Angaben mittlerweile 200.000 Mal verkaufte Buch beinhaltet auch viele persönliche Gedanken aus Leben und von Joe Bausch, das bei der Lesung nun rund 60 weitere Käufer gefunden hat.

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Schönes Bild: Joe Bausch mit seinem Breitenbacher Double Arno Lerch.

Es wurde viel gelacht bei dem sehr gestenreich und unablässig auf der Bühne herumlaufenden Schauspieler. Viele Fans ließen sich das Buch von ihm signieren, und am Ende gab es lang anhaltenden Beifall.

Eines kann man Joe Bausch sicher nicht abstreiten: Er ist sehr rede- und schreibgewandt und kann sich gut in Szene setzen, über den Inhalt des Sachbuchs gibt es sowohl positive als auch negative Rezensionen. Einen schmalen Grat hat er auf jeden Fall mit der Veröffentlichung von „Knast“ bestritten, denn als hoher Beamter des Landes Nordrhein-Westfallen und Mediziner ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet. In seinem Buch darf er aber nicht zu viel Fiktion einfließen lassen, sonst wird aus dem Sachbuch leicht ein Roman mit authentischem Hintergrund.

Sehr zart besaitet darf ein Mensch wie Joe Bausch auch nicht sein, der seit über einem Vierteljahrhundert mit Straftätern von zwei Jahren Haft bis zur Sicherheitsverwahrung aus 47 Nationen nicht sein, denn Werl ist mit rund 860 Haftplätzen und rund 440 Mitarbeitern eines der größten deutschen Gefängnisse in diesem unserem Lande. So kamen in seinem Vortrag auch durchaus Kraftausdrücke aus der Fäkalsprache vor.

Auf jedem Fall ist es ihm wohl gelungen, als seiner angestammten Heimat, einer katholisch geprägten Landwirtsfamilie im Westerwald, auszubrechen und auch nicht Landwirt oder katholischer Priester zu werden, wie aus dem Elternhaus erhofft wurde.
Joe Bausch hat in Köln und Marburg zuerst Theaterwissenschaft, Politik, Germanistik und Rechtswissenschaft und danach in Bochum Medizin studiert. Das Studium schloss er 1985 erfolgreich ab. Seit 1986 ist das Multitalent verheiratet und Anstaltsarzt in der JVA Werl.

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Sehr lebhaft erzählte Bausch von seinem Leben „drinnen und draußen“.

Der in vielen Talkshows und mit Medien versierte Autor unterstreicht seine verbalen Äußerungen sehr lebendig mit seinen Händen und ist unablässig am Reden, seine Formulierungen sind oft so gewählt, dass das Publkum bei einem eigentlich sehr ernsthaften Thema öfters mal laut lachen muss, und mehrmals gab es verhalten oder auch lauten Beifall.

An Selbstsicherheit mangelt es Joe Bausch sicher nicht, denn manche Lesepassagen kürzte er mit der Bemerkung ab, „die meisten hätten das Buch eh gekauft“.
Die Knäste der Umgebung kennt er alle mit Namen und auch die Grashalme, die er wohl als Soldat bei der Bundeswehr unfreiwillig hat kennenlernen müssen. Begriffe, wie Cafe „Viereck“ und andere Bemerkungen lassen erahnen, dass er nicht immer ein angepasster Mensch war und ist und anstelle einer Geldstrafe lieber die Ersatzhaft bevorzugte, bis seine Mutter die Strafe für ihn übernahm und beglich.

Auch sein zweiter Versuch, „in den Knast zu kommen“, misslang, denn sein Gesprächspartner lehnte ihn als Mediziner für den Knast ab. Bausch kategorisiert in seinem Buch sehr viel, nach Straftaten, nach Geschlecht und vieles andere mehr. Immer wieder kommt sein Hinweis auf seine langjährige Erfahrung hinter Gittern, seine Schauspielerkarriere, die ihn einer breiten Öffentlichkeit bekannt und beliebt gemacht hat, erwähnt er nur am Rande als fördernd für seinen Hauptjob als Knastarzt.

Dass die Situation innen nicht nur aufgrund der vielen Schließakte auch für die Straftäter eine Ausnahmesituation darstellt, lässt er nicht unerwähnt. Auch dass manche seiner Patienten nach langer Haft wieder eine neue Straftat begehen, um wieder „nach Hause zurückkehren zu dürfen“, ist sicher eine interessante Passage. Ein langjähriger Häftling stand nach seiner von ihm gewählten Rückkehr aus dem Rollstuhl auf und freute sich so, den Anstaltsarzt wiederzusehen, dass er Bausch umarmte.

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Lange war die Schlange derjenigen Besucher, die sich in der Pause von dem Arzt, Schriftsteller und Schauspieler Joe Bausch handsignieren ließen.

Joe Bausch, der fast ins falsche Lauterbach gereist wäre, hätte er nicht noch nach der Postleitzahl des Vogelsbergörtchens geschaut hätte, hat Autobiografisches und viele Beobachtungen vermengt. Was der Realität und Wahrheit sehr nahe kommt und was verallgemeinert werden musste, lässt sich für den Außenstehenden schwer erkennen.

Auf jeden Fall vermittelt das Buch einen eindrucksvollen Eindruck von einer anderen Welt von einem, der regelmäßig wieder raus darf und quasi damit in mehreren Welten lebt. Verhalten ist auch Kritik am deutschen Justizsystem und dessen Vorgehen gegenüber Straftätern herauszulesen und zu -hören. Die Welt innen verändert beide, sowohl Straftäter als auch Personal, das wird in dem Sachbuch deutlich.

Angesichts des recht humanen Preises für das Buch „Knast“ ist es durchaus einen Versuch wert, dieses Werk zu lesen, aber auch der Besuch der Lesung am Samstag und der Kontakt mit einem sehr interessanten und erfolgreichen Menschen macht alleine diese Veranstaltung auch unabhängig vom nicht unumstrittenen Buchinhalt empfehlenswert und wertvoll.
Eine Bemerkung am Rande sei noch erlaubt: auf die Menschen zugehen, das kann Joe Bausch gut, und das nicht nur beim Signieren seines Buches: Er stellt sich auch gerne mit besonders treuen Fans zu einem Foto auf oder schaut seinem „Double“, dem ebenfalls glatzköpfigen und schnauzbärtigen Arno Lerch aus Breitenbach am Herzberg auf Bitten einer Fotografin auch gerne mal in die Augen.

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