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Holzgestalter Dr. Siegfried Modra muss sein Atelier verlassen – 400 Holz-SkulpturenDer Mann, der dem Holz die Botschaft entlockt

WILLOFS (awh). Er hat schon einige aufregende Wochen hinter sich und eine ungewisse Zukunft vor sich: Der 75jährige Holzgestalter Dr. Siegfried Modra hatte am Sonntag zum allerletzten Male die Pforten seiner umfangreichen Ausstellung im “Hof der Skulpturen“ in Willofs geöffnet. Die Geschichte einer spannenden Vergangenheit und ungewissen Zukunft.

 

Kunstfreunde konnten in dem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen und im Saal der früheren Gastwirtschaft rund 400 Holz-Skulpturen besichtigen und auch käuflich erwerben. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur muss mit seinem großen Fundus an Kunstwerken aus dem angemieteten Gebäude ausziehen, und weder Dr. Modra noch seine vielen Arbeiten haben bisher eine neue Heimat gefunden.

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Von Kommoden-klein bis Aula-grpß: Die Skulpturen gibt es in allen Größen und Variationen.

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Die von ihm umgebaute Scheune und Stallungen passten zum Archaischen der Skulpturen, erzählt er uns. Über entsprechende größere Räumlichkeiten würde sich der Künstler deshalb sehr freuen. Dr. Modra ist ein begnadeter Holzgestalter und hat 1947 sein erstes Werk geschaffen, das jedoch beim Tode seiner Mutter verloren gegangen ist.

Skulpturen zwischen einem Zentimeter und sechs Meter groß

Der ideenreiche und sympathische Mann hat in seinen zwischen einem Zentimeter und sechs Meter großen Holzskulpturen gesellschaftliche Themen der Gegenwart verarbeitet und dazu Holz benutzt, das älter ist als das Vogelsberg-Massiv. Während es die heimischen Gefilde nur auf rund 18 Millionen Jahre bringen, ist sein ältestes verarbeitetes Holz noch vier Millionen Jahre älter. Es sind sehr imposante Arbeiten, die der Holzbildhauer in den Gebäuden und auf dem großen Areal auf- und ausgestellt hat. Insgesamt sind es wohl um die 500 Arbeiten, die er in Willofs in den verschiedenen Gebäudeteilen aufgestellt hat.

Modra hat unzählige Arbeitsstunden in das Anwesen gesteckt und Scheune und Stallungen für seine Zwecke umfunktioniert. Geholfen dabei hat ihm die um die 90 Jahre alte frühere Seniorchefin des Hauses, Margarete Roth, die noch mit im Hause lebt.
„Eine gelungene Skulptur aus Holz ist das Ergebnis einer innigen, harmonischen Verbindung zweier Lebewesen – der des Baumes mit der des Gestalters. Das natürlich Entstandene sollte stets der künstlerisch schöpferischen Einflussnahme ebenbürtig sein.

Die organische Einheit des ursprünglich Vorgegebenen mit der gestaltenden Veränderung kann beim Betrachter nachhaltig die faszinierende Spannung aus unbewussten Empfindungen und rationaler Aufmerksamkeit auslösen“, schreibt er selbst auf dem Einband eines seiner Kataloge mit dem Titel „Schätze der Vergangenheit – Mooreichen“.
Um die Botschaft der unzählig vielen Holzfiguren nur annähernd zu verstehen und auf sich wirken zu lassen, benötigt der interessierte Betrachter angesichts der großen Menge eigentlich viele Stunden.

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Dr. Siegfried Modra (75 Jahre) sucht für sich und seine Kunstwerke so bald wie möglich eine neue, geräumige Heimat.

Manche der Tausende von ihm geschaffenen Skulpturen lassen sich sehr leicht interpretieren, weil man in ihnen Gesichter, Symbole oder anderes direkt herauslesen kann, andere wiederum benötigen eine lange Verweildauer, um ihre Bedeutung und dioe künstlerische Intention herauslesen zu können. „Viele Betrachter sind davon einfach überfordert“, meint Dr. Modra nicht ohne Stolz über die darin enthaltenen Botschaften.
Modra schreibt selbst dazu sehr treffend: „Welche unglaublichen Strukturen die Natur im Innern eines Baumes „zaubert“, ist weitgehend unbekannt, weil die meisten dieser Markmale von außen nur selten sichtbar sind. Oft haben die Menschen aber aufgrund der aggressiven Vermarktung in fast allen Bereichen auch verlernt, unaufdringliche Schönheit wahrzunehmen.

Mit der Zerteilung der Baumstämme in Längs- und Querrichtung treten Spannungen auf, es werden Risse provoziert, Verwindungen treten zu Tage, Jahresringe werden sichtbar, und viele der sonst verborgenen Reaktionen auf die Standort- und Lebensbedingungen zeigen sich. All diese stets einmaligen Besonderheiten können zur charakteristischen Lebendigkeit von Holzskulpturen beitragen. Sie sind bei der künstlerischen Gestaltung so einzubeziehen, dass sie thematisch passend sind oder sie bei der Formgebung hervorzuheben, das sind anspruchsvolle Aufgaben. Wer diese charakteristischen Merkmale nicht zu schätzen vermag, für den gibt es ausreichend andere Materialien mit völlig anderen Ausdrucksmöglichkeiten.

Während Dr. Modra in anderen Bundesländern erfolgreich an Arztpraxen oder Rechtsanwaltskanzleien seine Skulpturen auch „verleast“ hat, ist ihm dies trotz intensiver Werbung in Hessen nicht in einem Falle gelungen, bedauert er im Gespräch mit OL. „In Hessen ist kein einziger Vertrag zustande gekommmen“. Die Leasingverträge hätten ihm ansonsten ein regelmäßiges Einkommen verschafft.

Modra, Jahrgang 1940, erblickte an der Grenze zwischen Thüringen und Sachsen-Anhalt das Licht der Welt. Dort wurde seine Familie zweimal ausgebombt. Siegfried Modra flüchtete mit Mutter und Bruder in ein kleines Walddorf in der Dübener Heide. Dort lernte er die Mooreiche kennen, das waren die Erdgeister und Beschützer der Torfarbeiter. „Das ist der Fundus für meine Skulpturen“, erzählt der engagierte Künstler.

„Freude verzögert sich den Altersprozess“

„Wenn man etwas tut, was reine Freude bereitet, dann verzögert sich der Altersprozess“, begründet der für sein Alter sehr agile und geistig äußerst lebendige Holzgestalter. Er kam vor fünf Jahren in den Schlitzer Stadtteil Willofs und schuf sich mit großem Engagement sein jetziges Reich, nachdem das geräumige Anwesen über 15 Jahre leer gestanden hatte. Seine derzeitige Lebenssituation und der Auszug machen dem Künstler schwer zu schaffen, merkt man ihm deutlich an und hemmen auch seinen künstlerischen Tatendrang und seine Schaffensfreude. „Ich brauche einen Arbeitsplatz, wo ich mich wohlfühlen kann“, begründet er seine nicht gewollte Zwangspause.

Bis 1989 hat er seine Werkzeuge sogar noch selbst geschmiedet, inzwischen benutzt er nur noch Schweizer Produkte aus Stahl. „Die Kettensäge benutze ich nur für belanglose Dinge, berichtet er im Gespräch. „Es ist alles Handarbeit“, sagt Dr. Modra, und in einer kleinen Skulptur steckt genauso so viel Liebe und Engagement wie in einer großen. Die Handarbeit begründet er damit, dass er keine Maschine an die wertvollen Hölzer lassen will und ansonsten nicht die guten und schlechten Stellen im Holz bemerken würde. Die Reste, die bei seinen Arbeiten abfallen, bringt er wieder in die Natur zurück“, sagt Dr. Modra, der seine Figuren auch gerne mit lebenden Pflanzen, vor einem ansprechenden Hintergrund, in Bilderrahmen oder zumeist in einer Umgebung ausstellt, die wie Scheune und Stallungen auch aus Holz besteht.

„Es gibt fast zu jeder Skulptur einen Entwurf“

„Es gibt fast zu jeder Skulptur einen Entwurf“, erklärt uns der Holzgestalter, die Entwürfe würden sehr schnell verkauft, „einige Entwürfe habe ich noch nicht realisiert“. Seine Entwürfe arbeitet er aus Lindenholz, ansonsten verwendet er für seine Unikate u.a. Moor-Eiche, vorauszeitliche Hölzer, unversteinerte fossile Hölzer, Xylit, Zellulose, archäologische Funde oder auch geschichtliche Hölzer.

Dr. Modra hat mehrere Berufe, weil er sich in der DDR nicht genügend angepasst hatte und deshalb nicht ohne Schwierigkeiten studieren durfte. Die helfen ihm heute aber sehr bei seinen Holz-Arbeiten. Er ist Werkzeugmacher, Gussmodellbauer und promovierter Maschinenbau-Ingenieur. „Die Last muss nicht beugen, sie wird scheinbar leichter, wenn man damit umgehen kann“, fasst der sympathische Mann als Resümee.des Gesprächs und auch seiner Situation zusammen. Dies läßt sich in vielerlei Hinsicht interpretieren. Wer Dr. Modra bei der Suche nach neuen Räumlichkeiten helfen kann, wird gebeten, sich mit ihm unter der 0160-1566676 in Verbindung zu setzen.

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