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Der seltsame Fall des BF 17 – Jessicas Geschichte zum Führerschein mit 17Der schwierige Weg von der Theorie zur Praxis

VOGELSBRGKREIS. Jessica Haak ist 17 Jahre alt, jüngste Autorin bei Oberhessen-live und immer wieder für Geschichten gut. Meistens sind es Geschichten aus ihrem Leben, in denen sie mit großer Reife und viel Humor reflektiert. Aktuell hat Jessica eine große Hürde überwunden: die Prüfung für den Führerschein mit 17. Das muss erzählt werden.

Es gibt Momente im Leben, die sind unabwendbar. Selbst wenn man rückwärts geht, rechts und links abbiegt – irgendwann wird man auf den Boden der Tatsachen geholt und realisiert die Notwendigkeit. Dann gibt es Momente im Leben, auf die fiebert man mehrere Jahre hin. Mit größtem Enthusiasmus und einem verbalen Fernglas meint man in die lang ersehnte Freiheit blicken zu können. Dieses Motiv ändert sich selbstverständlich mit dem Alter, so ist jedoch die erste große Hürde im jungen Leben als die Zahl 18 anzusehen. Zu guter Letzt gibt es Momente, die hängen zwischen Zwang und Wollen, zwischen Freude und Weinen und erzeugen nicht nur einmal den ein oder anderen Seelenkonflikt. Letzteres ist wortwörtlich auf den Führerschein zurückzuführen – jedenfalls wenn es nach mir geht.

Ein Rückblick mit nachsichtigem Lächeln

Nun ist es genau ein Monat her, seitdem ich unter großen Mühen und Angst meine Führerschein-Prüfung bestanden habe. Wenn ich auf die Zeit zurückblicke, rekapituliere ich lieber still, kann den einen oder anderen Moment belächeln, doch weiß genau, wie ich mich gefühlt habe, als ich zum zehnten Mal an der Ampel abgewürgt und hinter mir ungewollt Autokorsos erzeugt habe. Jedem Anfang wohnt jedoch ein Feldweg inne und so startete ich, wie das die meisten Fahranfänger wohl kennen, mit 20 km/h auf dem Feldweg. Kupplung, Bremse und Gas waren anfangs jedoch wie Klaviertasten und so trat ich munter bis die richtigen Töne herauskamen – dabei zeichnete sich meine unmusikalische Ader deutlich ab. Nach wenigen Feldfahrminuten ging es ein oaar Tage später schließlich in die erste seriöse Fahrstunde und ich bejubele immer noch mein Gehirn für seine Meisterleistung, alles Gelernte bis dahin einfach vergessen zu haben.

Bevor man jedoch seine erste Fahrstunde antreten kann, muss man sich ein Laster auferlegen, das Theoriestunde heißt. Das sind wöchentlich zweimal 90 Minuten des Lebens, indem man munter eine Bank wärmt und beim besten Willen versucht, wie ein Schwamm den ganzen Unterrichtsstoff aufzunehmen – schließlich jedoch gutmütig scheitert. Hin und wieder verspeist man das ein oder zehnte Gummibärchen , starrt seinem Gegenüber Löcher ins Gesicht oder in die Decke und weiß selbst nicht so recht ob man jetzt lachen oder kurz aufschreien soll.

Zweifelhafte „Lehrvideos“ einfach ausblenden

Vor allem die „Lehrvideos“ verstärken letzteren Gedanken teilweise enorm. Es ist und bleibt unseriös wenn jemand mit seinem Wagen liegen bleibt und eine Blondine angefahren kommt und fragt, ob sie den Herrn denn jetzt abschleppen soll. Man realisiert schnell, dass hier ein Meister der Zweideutigkeit am Werk ist, bedient sich mit seinen emanzipierten Revolutionsgedanken am elften Gummibärchen und verschwendet keinen Gedanken mehr daran.

Der Blick schweift auf den Fragebogen, den man in der letzten Stunde bearbeitet hat, und man beginnt, tiefgründige Fragen an die Menschheit zu stellen – wer denn bei einem Unfall 0130 wählt und sein Radio lauter dreht, um Warnsignale besser wahrnehmen zu können. Zugegeben – manchmal schämt man sich tatsächlich für seine eigenen Antworten und realisiert, dass vollständiges Lesen dann doch eine gute Option sein kann.
Wenn der Uhrzeiger schließlich 14 Mal seinen Zeiger um 90 Minuten hat verstreichen lassen, ist es dann auch schon Zeit für die theoretische Prüfung. Das Wort Prüfung erzeugt bei den allermeisten Angstschweißausbrüche, Ohnmachtsanfälle, übermäßigen Konsum von Schokolade und natürlich – Stress. Überraschenderweise muss ich zugestehen, dass ich bei der theoretischen Prüfung relativ entspannt war – die ganze Aufregung jedoch in zehnfacher Version vor der praktischen Prüfung auf mich zu kam und jegliche Motorik teilweise außer Kraft setzte.

Mit weichen Beinen in die Prüfung

Jedenfalls bearbeitete ich vortags die geschätzten 1000 Fragen und begab mich in Videosequenz-Ekstase, indem ich die Sequenzen so oft abspielte, bis ich sie irgendwann belanglos wegklicken und nahe zu auswendig konnte. Die Entspannung am Tag der Prüfung, erstaunte mich so sehr, dass ich nicht so recht wusste, wie ich das jetzt deuten sollte. Angekommen vor dem Prüfungsraum, schlug meine Stimmung jedoch schnell ins Genervt-Sein um. Vor dem Raum patrouillierten aufgeregt Prüflinge. Mit jedem Auf und Ab hörte ich Antworten, die mir gänzlich fremd waren. Andere klopften Löcher in die Wand und wieder andere lauschten den Tipps ihrer Fahrlehrer. „Wenn du etwas nicht weißt, klick weiter und wenn du dir sicher bist, gib ab ohne noch einmal drüber zu sehen“

Ich suchte vergebens die Logik und merkte langsam wie sich mein Bein dem Gezetere anpasste und eifrig die Konsistenz von Pudding anstrebte. Ich war froh, dass es mir noch möglich war, selbstständig in den Prüfungsraum laufen zu können.Schließlich realisierte ich, dass ich wohl doch nicht alle Fragen bearbeitet hatte, rechnete herum, ob ich mir die Fehler denn überhaupt leisten könne, verneinte, gab trotzdem ab – Stille! Furchtbare Stille! Keine Antwort. Keine Fehlerpunkte und zum Glück bestanden.

Naturtalent nur im Abwürgen des Motors

Stichwort Patrouillieren – nun zum etwas lebhafteren Teil – der Praxis. Vor der ersten Fahrstunde war ich aufgelöst – moralisch, seelisch und körperlich. In diesem Zustand hätte ich wahrscheinlich noch ein Attest bekommen, um absagen zu können. Die ersten 15 Minuten waren Instruktionen und dann ging es los. Schnell realisierte ich, wieso meine Fahrlehrerin eine zweite Bremse, Kupplung und Gas hatte. Ein Naturtalent war ich im Fahren wahrlich nicht. Völlig überfordert, steuerte ich auf die Hauptstraße zu, würgte nach dieser Hürde natürlich ab und das nicht nur einmal.

Die nächsten Fahrstunden verliefen tatsächlich ähnlich. Fünf Minuten zuvor patrouillierte ich immer fleißig vor der Tür und versuchte meine Aufregung herunterzuschlucken. Dass mir das jedoch nie gelang, merkten nicht nur die Autofahrer hinter mir. Gelegentlich formierten sich besagte Autokorsos, die mal hupend, mal wortlos hinter mir herfuhren oder aus Argwohn im Überholverbote überholten. Glücklicherweise war meine Fahrlehrerin immer äußerst freundlich und verständnisvoll, und so bündelte sich mein Gemütszustand irgendwann. An dieser Stelle muss ich meinen größten Respekt an sie aussprechen, da ich bei meinem Fahrstil niemals hätte so ruhig bleiben können.

So entwickelte sich – man glaubt es kaum, irgendwann tatsächlich Freude, auch wenn ich das nie so richtig zeigen konnte und eher damit beschäftigt war, links und rechts zu unterscheiden. Diese Freude wich jedoch, wie klischeehaft, beim Seitwärts-einparken und selbst nervöses Lächeln konnte dieses Malheur beim Fahrprüfer nicht verbergen. Ein weitere Freudehemmer war die Auffahrt auf die Autobahn. Mein Fahrlehrerin hatte mir glücklicherweise im Vorfeld nichts darüber erzählt und so fuhr ich tiefenentspannt auf meinen Pfad der Angst und Angespanntheit zu.

Das negative Omen legte sich zum Glück nach einer gewissen Zeit, rächte sich jedoch dann wieder, indem wir nach Gießen fuhren. Nach den gefühlten 50 Ampeln und Fahrradfahrern, die es förmlich auf mich abgesehen hatten, war ich tatsächlich ein wenig fertig. Im Allgemeinen waren meine Fahrstunden geprägt von kleinen Dummheiten meinerseits und wirklich guten Konversationen mit meiner Fahrlehrerin, die mir die Angst ein wenig nehmen konnten.

Das schreckliche Dings mit dem Rechts und Links

Manchmal war ich jedoch wirklich geschockt über ersteres und schob dies verlegen auf meine Haarfarben. Als ich einmal auf die Beifahrerseite eines Pkws einparken sollte, es war wohlgemerkt der einzige Pkw auf dem ganzen Parkplatz, fragte ich tatsächlich auf welcher Seite ich denn einparken soll. Mit der Seitenangabe hatte ich es ohnehin nicht wirklich, und so verwechselte ich öfter mal rechts mit links, wobei sich das mittlerweile tatsächlich gelegt hat und ich in die Richtung fahre, in die ich auch blinke.

Die Prüfung fand schließlich unter großen Aufregungsgebärden statt, die ich versucht habe, als Souveränität zu vergeben – ich scheiterte teilweise mit lenkenden Blicken, die das Auto hätten am liebsten schweben lassen sollen, da der geschätzte Seitenabstand tatsächlich etwas gering war. Und auch wenn der Prüfer deshalb fragte, ob ich denn Augenprobleme hätte, die ich nicht habe, konnte ich diese Prüfung glücklicherweise für mich entscheiden

Beifahrer treten die imaginäre Bremse

Doch dann kam die Realität und mir wurde schnell klar, dass ich mit Bestehen des Führerscheins noch lang keine gute Autofahrerin bin und so gelang ich schnell zur weiteren Erkenntnis, dass Begleitendes Fahren mit 17 tatsächlich gar nicht so negativ ist. Und obwohl meine Beifahrer sich manchmal hin und wieder festhalten, als würden wir gerade bei der Formel 1 mitfahren und kräftig mit ihrer imaginären Bremse hantieren, weiß ich doch – dass ich am Lenkrad sitze, die Verantwortung trage und die Herrin über die einzige Bremse bin. Aus diesem Grund ist nicht schlecht, ein paar Tipps direkt entgegennehmen zu können.

Manchmal erzeugt das BF17 jedoch auch Generationenkonflikte – da früher ja alles besser war und man irgendwie teilweise anders gefahren ist. Mit der Zeit entwickelt man jedoch diese Altersresistenz, nur das zu hören, was man möchte und selbstständig über sein Handeln zu entscheiden – schließlich wird mir in einem Jahr auch keiner mehr lautstark erzählen, dass ein Unterschied zwischen 48 und 50 km/h liegt. Auch wenn die Kupplung manchmal schmort und das Auto ein wenig schreit, Autofahren-Lernen ist ein Prozess, den jeder für sich selbst bestreiten muss und soll. Ob BF 17 oder nicht – irgendwann sitzt jeder einmal alleine im Auto. Was mich angeh,t ich befinde mich gerade zwischen Freiheit und Lenkrad – jedenfalls für die nächsten neun Monate.

Jessica Haak

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