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Entgegen früherer Unkenrufe: Alsfelder Feuerwehr überzeugt von der neuen TechnikDas digitale Funken funktioniert doch

ALSFELD. Schon vor 20 Jahren kam die Idee auf, Polizei, Feuerwehr und andere Helfer in der Republik sollten per Digitalfunk miteinander sprechen können. Aber als vor fünf Jahren die Umrüstungswelle begann, häuften sich die Berichte über das Versagen der Technik. 2014 hat auch die Feuerwehr Alsfeld die digitalen Funkgeräte angeschafft und getestet. Nun will Stadtbrandinspektor Michael Eilts sie nicht mehr hergeben. Die Kinderkrankheiten seien überwunden, sagt er, der Digitalfunk sei eine Bereicherung für die Feuerwehr.

Der Anfang geschah 2013: Da erhielt die Alsfelder Feuerwehr zwei neue Autos, die von Werk aus direkt mit einem Digitalfunkgerät ausgestattet waren. Die Funkgeräte hatte die Feuerwehr vorher den Fahrzeugbauern angeliefert. Im vergangenen Jahr rüsteten die Brandschützer ihre übrigen 30 Gefährte in allen Stadtteilen mit festeingebauten Funkanlagen aus. Hinzu kamen 94 Handfunkgeräte und zwei Funkstationen für die Wache in Alsfeld. Rund 99.000 Euro hat die Stadt für die Umrüstung ausgegeben, gut 21.000 Euro davon hat das Land Hessen in Form von Fördermitteln übernommen.

Auch im restlichen Kreis geht die Umstellung voran. Fast alle Feuerwehren hätten die Geräte schon bestellt, bei einigen müssen sie nur noch in die Fahrzeuge eingebaut werden, berichtet Kreisbrandinspektor Dr. Sven Holland auf Anfrage von Oberhessen-live. Die neuen Funken für den Katastrophenschutz warten noch auf ein Software-Update und sollen in den nächsten Wochen eingebaut werden.

Feuertaufe bei den Unwettern bestanden

Im Sommer, als mehrere schwere Unwetter in der Region wüteten, musste sich die neue Technik beweisen. Michael Eilts unterhielt sich mit seinen Kameraden von der Alsfelder Feuerwehr erstmals digital. Seit den großen Unwettern haben die Alsfelder den Digitalfunk bei gut 125 Einsätzen verwendet – ohne große Enttäuschungen oder Pannen. Die Kommunikation mit der Leitstelle im Landratsamt läuft überwiegend noch auf analogem Weg. Bislang gibt es dort schlicht zu wenig digitale Geräte. Drei, um genau zu sein. Bis Mitte 2015 soll sich das ändern, heißt es aus Lauterbach. Gerade wird die Software des Einsatzleitrechners aktualisiert. Ab 2016 soll auch die Alarmierung über digitale Melder erfolgen.

„Natürlich gibt es Orte, an dem der Empfang schlecht ist. Das war dort mit den alten Funkgeräten allerdings auch schon“, sagt Eilts, und erinnert daran, dass der Digitalfunk offiziell immer noch im Testbetrieb läuft. Im März hat er eine Mail an Kreisbrandinspektor Dr. Holland geschrieben. Darin aufgelistet: die Orte, an dem es mit dem Empfang noch hakt. Das ist in Teilbereichen von Fischbach, Elbenrod und Hattendorf der Fall. In Alsfeld gibt es im Bereich des Hirschgartens Probleme.

Laut Landratsamt kommen Teile der Gemeinden Grebenau, Herbstein, Grebenhain, Freiensteinau und Kirtorf hinzu. Im Gebäude des Alsfelder Kreiskrankenhauses bleiben die Funken ebenfalls still – auch da gab es laut Eilts auch schon mit der alten Technik. „Über kurz oder lang muss sich der Kreis Gedanken machen, wie er das Problem lösen will“, kommentiert der Feuerwehrchef das Funkloch im Krankenhaus. Die Experten suchten momentan noch nach Lösungen, Gebäude bestmöglich digitalfunk-tauglich zu machen, antwortet Kreisbrandinspektor Dr. Holland auf die Kritik. Dieser Teil der Technik stehe erst noch am Anfang. „Welche Maßnahmen sich für das Alsfelder Krankenhaus ergeben, muss noch analysiert und bewertet werden.“

Sehen ähnlich aus, funktionieren unterschiedlich: Ein digitales Funkgerät (rechts) liegt neben drei alten analogen.

Sehen ähnlich aus, funktionieren unterschiedlich: Ein digitales Funkgerät (rechts) liegt neben drei alten analogen.

Auch beim Kommunizieren aus den Fahrzeugen heraus gibt es Schwierigkeiten, die Eilts aber nicht als solche betrachtet. Die Handfunkgeräte ohne eigene Außenantenne sind quasi nutzlos, weil das Metall der Karosserie die Funksignale blockiert. „Dafür gibt es in jedem Auto ja ein festeingebautes Gerät“, entgegnet Eilts. Und das reiche auch völlig aus, denn: „Im Feuerwehrauto funkt meistens nur einer – und das ist der vorne rechts“. Dort sitzt der Chef des jeweiligen Fahrzeugs.

In der Alsfelder Feuerwache sieht man sich in der Taktik bestätigt, nicht sofort die neuen Funkgeräte gekauft zu haben. Viele Fehler aus der Anfangszeit des deutschen Digitalfunknetzes seien mittlerweile behoben. So war es Atemschutzträgern bis vor kurzem nicht erlaubt, digitale Funkgeräte in brennende Häuser mitzunehmen. Die Sprachqualität war zu schlecht, die Retter mit aufgeschnallter Atemmaske kaum zu verstehen. Nach einem Software-Update für die Feuerwehr-Telefone kam schließlich die Erlaubnis vom Innenministerium. Die Entwickler hatten das Problem gelöst.

Updates mutieren zu logistischem Problem

Die ständige Optimierung der Technik – für Eilts ein Segen und ein Fluch zugleich. Die Funkgeräte regelmäßig mit Updates zu versorgen, so wie es Vorschrift ist, ist eine logistische Großaufgabe. Das ist einer der wenigen Dinge, die den 48-Jährigen an der neuen Technik stören. „So ein Update dauert ja auch schonmal ’ne Stunde“, sagt er. Wie genau er das Problem lösen will, und wer in Zukunft für die Updates zuständig sein soll, weiß er noch nicht genau.

Was der Stadtbrandinspektor ebenfalls bemängelt: Eilts muss relativ gerade in das Mikrofon seines Handgeräts hineinsprechen, damit man ihn verstehen kann. Außerdem haben die digital-Funken teilweise ziemlich viele Tasten und Einstellmöglichkeiten. Das macht es nicht immer leicht, die Geräte zu bedienen. Und man muss eine Weile warten, bis man reden kann, nachdem der „Sprechen-Knopf“ gedrückt wurde.

Das ist aber auch schon alles, was ihm an Negativen einfällt. Viele Kritiker des Digitalfunks seien „technikverliebt“ sagt Eilts, der selbst bei der Telekom arbeitet. Mit einem solchen Blick fänden sich leicht Dinge, die man beanstanden könne. „Ich sehe das aber als Anwender“, fügt er hinzu. „Und als Anwender kann ich nur sagen: Er gibt zurzeit nichts besseres“. Auch den Einwurf, die jetzt gekauften Geräte seien schon veraltet, hält er für unangebracht. Die jetzigen Geräte seien für ihren Einsatz bei der Feuerwehr geeignet, und nur das sei wichtig.

Ein Netz für alle Behörden

Die Möglichkeit, mit verschiedenen Gruppen gleichzeitig zu kommunizieren, betrachtet Eilts als einen großen Vorteil des Digitalfunks. Das erlaubt es zum Beispiel Helfern aus dem Vogelsberg, bei einem Einsatz in einem anderen Bundesland sofort mit den dortigen Kräften Kontakt aufzunehmen. Und zwar nicht nur mit anderen Feuerwehren. Weil alle Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) das selbe Netz nutzen, kann die Feuerwehr nun auch einfach mit der Polizei, dem THW oder dem Roten Kreuz in Kontakt treten. So etwas ist mit der analoge Technik in dem Maße nicht möglich.

Auch gilt der Digitalfunk als relativ abhörsicher. „Das ist schon besser, wenn die Helfer unter sich kommunizieren können“, sagt Eilts. Wo die Sendemasten des neuen Netzes stehen, ist übrigens geheim. So soll der Behördenfunk gegen Sabotage-Akte geschützt werden. Und selbst wenn das neue Netz mal Schwierigkeiten bekommen sollte, ist die Alsfelder Wehr gerüstet: In einer Kiste in der Feuerwache lagern die Helfer ihre alten analogen Funken als momentan stille Notreserve.

Von Juri Auelmehr über den Autor 

Linktipps:

+ Es gibt eine eigene Behörde, die für die Einführung des Digitalfunks zuständig ist. Unter bdbos.bund.de finden sich zahlreiche Informationen zu dem Thema.

+ Analogfunk und digitales Behördennetz – was sind die Unterschiede? Eine Übersicht auf der Homepage des Landes Brandenburg erklärt’s. 

+ Deutschland versagt beim Digitalfunk: Die WELT wirft einen kritischen Blick auf das Projekt Digitalfunk in der Republik.

 

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